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TEXTE VOM VORHANDENSEIN

TEIL 12: VOM VERWANDELT WERDEN

Die letzten Wochen waren turbulent. Wie eigentlich das ganze Jahr schon. Ich stand zum ersten Mal seit Beginn meiner Selbstständigkeit an einer Supermarktkasse und habe gehofft, dass das Geld noch reicht für den Einkauf. Dass das ausstehende Honorar für einen Auftritt schnell genug kommt, um die Miete pünktlich überweisen zu können. Ich musste in vielen Bereichen umplanen. Eingestehen, dass es nicht einfach so weitergeht, wie vor der Pandemie. Musste mich nach neuen Joboptionen umschauen (und tue das auch immer noch) und Menschen um Hilfe bitten, weil ich mir eingestehen musste, dass ich es alleine gerade nicht schaffe.

Das fiel und fällt mir nach wie vor ziemlich schwer. Das ist ein bisschen Typsache, aber ich glaube auch unser gesellschaftliches System sieht Scheitern nicht unbedingt vor. Genauso wie gegenseitige Unterstützung und Solidarität. Nicht, dass es das nicht gäbe. Ganz im Gegenteil! Ich habe in den letzten Monaten sehr viel Unterstützung und Hilfe erlebt. Aber es wird nicht wirklich drüber geredet. Irgendwie ist das tabuisiert und schambehaftet. Und auch ich helfe natürlich lieber anderen, als mir helfen zu lassen.

Neben all dem Schweren mit Zukunftsangst, großen Sorgen und Fragezeichen, ist aber auch sehr viel spannendes und schönes passiert. Zum einen ist das Video mit Leah Weigand veröffentlicht worden. Meine Gedanken dazu kannst Du gerne im letzten Text dieser Reihe auf Steady nachlesen. Außerdem ist ein Buch erschienen, zu dem ich einen Essay und Gedichte zum Thema „Lobpreis beisteuern durfte. Dazu später mehr an dieser Stelle, aber schaut gerne schon mal rein:

https://neukirchener-verlage.de/catalog/product/view/id/2076518/s/10-000-grunde-fur-lobpreis-9783761569368/category/869/ (Si apre in una nuova finestra)

Und dann habe ich vor ein paar Tagen endlich die größte Neuigkeit auf den Social Media-Kanälen geteilt:

Am 10.10.2023 erscheint mein neues Buch. Meine zweite Sammlung mit Gedichten. Entstanden zwischen 2020 und 2023.

Den ersten dieser Texte habe ich als Fragment im Februar 2021 im Schloß Röhrsdorf bei Dresden geschrieben, wo ich damals auf Einladung meiner lieben Freundin Sarah Brendel ein paar Tage Schreibzeit verbringen durfte. Eigentlich wollte ich dort recherchieren und am Expose für ein ganz anderes Buchprojekt arbeiten. Aber irgendwie kam da nicht besonders viel. Vielmehr gingen meine Gedanken ständig wieder zurück zu diesem Thema „Scham“. Dazu habe ich dann ganz viel aufgeschrieben. Ungefiltert ins Unreine der Notizbuchseiten. Vier der Gedichte in dem neuen Buch sind aus diesen Kritzeleien heraus entstanden und auch der Text, der später „Des Kaisers neue Kleider“, meine Zusammenarbeit mit Johannes Falk, geworden ist und der eben auch von Scham, Selbstzweifel und Selbstannahme handelt.

https://www.youtube.com/watch?v=vjv4WSfE3uE (Si apre in una nuova finestra)

Dieses Thema hat mich auch in der Folge nicht losgelassen. Ich habe in Gedichten versucht nachzuspüren, wo diese Scham eigentlich herkommt. Was sie ist und wie sie tickt. Ich habe mich auf Spurensuche begeben. In meiner Kindheit, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, meiner religiösen Prägung und Herkunft. Ich habe nach roten Fäden gesucht. Lange wusste ich gar nicht, was ich mit diesen Texten überhaupt tun soll, oder ob die einfach nur für mich sind. An ein Buch habe ich dabei noch gar nicht gedacht und als ich sie dann doch mal zusammengestellt habe, fehlte mir irgendwie völlig das Gefühl für die Richtung und Thema der Texte.

Dann habe ich etwas getan, das ich bis dahin selten bis nie versucht habe. Ich habe meinen Freunden Micha Kunze und Leah Weigand den aktuellen Stand der Texte geschickt und sie gebeten mir zu erzählen, was sie dabei fühlen, worum es ihrer Meinung nach geht und was sie herausziehen können. Das war einigermaßen furchterregend, weil ich normalerweise erst dann Menschen, selbst Freunden, auf neue Sachen schaue lasse, wenn ich zumindest für mich das Gefühl habe fertig zu sein und die Dinge präsentieren zu können. Aber niemals, wirklich niemals Einblicke in „Work in Progress“. Vermutlich hat auch das etwas mit Scham zu tun.

Ich bereue es keine Sekunde, dass ich das diesmal anders gemacht habe. Durch das Feedback der beiden konnte ich endlich greifen, was ich da die ganze Zeit versucht habe zu verhandeln: „Es geht um Zugehörigkeit in nahezu allen Texten! Du erzählst eine Geschichte, angefangen bei der Kindheit bis in die Gegenwart, von jemandem, der so gerne irgendwo dazugehören möchte und der einen Ort sucht, der er Zuhause, oder Heimat nennen kann.“

Dieser Spiegel hat mir sehr geholfen, meine eigenen Gedanken und Textfragmente zu sortieren und zu verstehen und von dort aus neu und zu Ende zu schreiben.

Beim letzten Buch „Alles wird ein bisschen anders“ hatte ich eine ganz klare Schreibroutine: Morgens früh aufstehen, Kaffee machen, eine Stunde lesen, bis zum Mittag schreiben, kurze Pause, Spaziergang im Park, dann das Geschriebene überarbeiten. Diesmal war es ganz anders. Von Routine keine Spur. Kein einziger Text des neuen Buches ist an meinem Schreibtisch, oder in meiner Wohnung entstanden. Ich glaube, kaum zwei Texte sind am selben Ort geschrieben worden. Die meisten irgendwo in Zügen, an Bahnhöfen, Flughäfen, Raststätten, auf Campingplätzen, in Hotel- und Wartezimmern, in Cafés und Gästezimmern.

Das klingt vielleicht glamourös, ist in Wahrheit aber sehr anstrengend gewesen und bildet ab, wie viel ich unterwegs war, wie wenig Ruhe und Ankommen in dem ganzen Prozess vorhanden war. Wie gesagt, es war und ist sehr turbulent. (Was sich manchmal auch auf die Regelmäßigkeit bzw. Unregelmäßigkeit meiner Steady-Texte auswirkt, wie einige, völlig zu recht, angemerkt haben.)

Der Titel meines neuen Buchs ist übrigens: WIR WERDEN ALLE VERWANDELT WERDEN. Das wunderschöne Cover ist einmal mehr von meinem Freund und langfährigem Parner in Crime Manuel Steinhoff. Der titelgebende Satz kommt von einem Paulus Zitat aus dem 1. Brief an die Korinther, wo er sinngemäß (und zugegebenermaßen ein bisschen aus dem Kontext gerissen) schreibt: Wir werden alle verwandelt werden, aber wir wissen noch nicht in was. Und für mich fasst das diese ganze Spurensuche und die letzten 2-3 Jahre sehr gut zusammen. Sorgen und Hoffnung. Vergangenheit, Gegenwart und irgendeine Zukunft, von der ich noch nicht weiß, wie sie aussehen wird. Ich bin gespannt mit welchen Augen in 2-3 Jahren diese Zeilen lesen werde und ob ich dann besser weiß, in was ich verwandelt werde, oder verwandelt worden bin.

Hier kannst Du das Buch vorbestellen. Wie auch schon der Vorgänger, erscheint es im wundervollen Lektora Verlag. Ich freue mich sehr, wenn ich diese Wegstrecke und diese Spurensuche mit Dir teilen darf:

https://www.marcomichalzik.com/shop/wwavw (Si apre in una nuova finestra)

Liebe Grüße und bleib neugierig <3

Marco

PS. Wenn du diese Mail bekommst und darüber nachdenkst mich und meine Arbeit auf Steady monatlich zu untersützen, dann klicke gerne auf den Button.

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