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Spaziergang

Für den Auftakt eines Spaziergangs mit dem Autor EC Zander Verabredung in den Neukölln Arkaden. Den für beide exotischen Treffpunkt wählt Zander, um eine der Ausstellungen in den 48 Stunden zu besuchen, in denen Neukölln seine Kunstschaffenden würdigt. In dem mehrstöckigen Konsumtempel, zwischen Unterhaltungselektronik-Buch-Kopftuchtextilienhandel und Schaufenstern, durch die man in Nagel- und Fitnessstudios blicken kann, ist ein Laden frei geräumt, in denen sich zwei, drei Kunstschaffende eingerichtet haben. Wir besuchen den Fotografen Götz Gringmuth-Dallmer Götz Gringmuth-Dallmers Instagramaccount (Si apre in una nuova finestra).

Seine entvölkerten Strassenbilder in s/w schaffen es, New York wie Berlin und Berlin wie New York aussehen zu lassen. Strassenzüge als Rudimente vergangener urbaner Grösse, Überreste eines zum Stillstand gekommenen Aufbruchs.

Im Laufe des kurzen Austausches mit dem Fotografen stehen wir hin und wieder in der Projektion eines experimentellen Tagebuchvideos der Künstlerin Nele Gräber Nele Gräbers Instagramaccount (Si apre in una nuova finestra).

Sie gewährt dabei einen Blick in ihren Kühlschrank, wo ich ein Einmachglas ausmache. Darauf entspinnt sich mit ihr eine kurze Fachsimpelei über das Fermentieren und Einmachen. Ich empfehle Zucchini mit Zwiebel, etwas Zucker und zwei Esslöffeln Apfelessig in einem Schraubglas. Kurz durchgeschüttelt, haben sie sich schon nach wenigen Stunden in einen köstlichen Snack verwandelt. Das Bild zeigt allerdings den Vorrat in meinem Kühlschrank:

Blick auf meine Zucchini

Nach anregendem Gespräch Aufbruch zum Spaziergang von der Hauptschlagader Neuköllns hinunter zum Paul Linke Ufer.

EC Zander in seinem Schuhwerk

Zustande kommt das Zusammentreffen mit EC Zander wegen der wechselseitigen Wertschätzung der jeweiligen Texte. Er mochte beim allerersten Vortrag meiner noch nicht veröffentlichten Novelle “RISIKOAPPETIT” meinen Umgang mit Adjektiven (“Kann oft schief gehen. Bei dir sitzt es jedoch immer”) ich bin von der Aufrichtigkeit seiner Novelle “DIE TÜR” beeindruckt, die in das Zwischenreich von Leben und Tod führt. Beide unsere Werke gehören zum Programm der wunderbaren Buchreihe der edition schelf FB Seite von edition schelf (Si apre in una nuova finestra)

Klaus Ungerer & Andreas Baum geben hier unter dem Label “Literatur ohne Betrieb” kleine Juwelen heraus. Besonders Hervorzuheben ist dabei Therese Deecke, eine Urgroßtante Klaus Ungerers. Geboren 1844, schreibt sie mit “MEIN FRÜHREIFES HERZ Mädchenjahre in Lübeck” hinreissend über ihre erste Liebe und gibt dabei einen ganz unmittelbaren Einblick in das bürgerliche Lübeck der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Unbedingt lesenswert.

In einem Szenelokal mit Französischer Attitüde werde ich bei hausgemachtem Eistee, einem Croissant mit Butter und Konfitüre (interessante Dissonanz der gesalzenen Butter mit der süssen Konfitüre) und zweier Schinkenkäsebaguettes (einmal getoastet, einmal unbehandelt) von Zanders Geistesreichtum und Neugierde — alles gut geschützt von einer einnehmenden Frotzelichkeit — angeregt und inspiriert, einen zweiten Text nächstes Jahr nach Klagenfurt zu schicken. Der Auftakt von “RISIKOAPPETIT” wurde noch verschmäht. Nach den Wahlen in Österreich im September ist jedoch mit einer fulminanten Mehrheit der FPÖ und einem Bundeskanzler Knickel, Kilkel, Kiekel, keine Ahnung wie man den schreibt, zu rechnen. Ob die Faschisten dann noch einen Literaturwettbewerb des freien Wortes zulassen, ist fraglich. Ich empfehle den Umzug in die Schweiz, einem Land in dem die “Bewegung” unter dem Parteiname SVP schon lange ein Drittel der Bevölkerung repräsentiert, die freie Rede nur totgeschwiegen, aber nicht aktiv unterdrückt wird; oder gleich die Kap Verden, die sich langsam aber sicher für mich zu einem Sehnsuchtsort entwickeln, je unabwendbarer die Machtübernahme des Internationalen Faschismus wird. Sie können sich noch so oft umbenennen, noch so bieder daher kommen, noch so kompatibel für eine vermeintliche Mitte erscheinen; sie bleiben von Hass durchtränkte Rassisten und Nationalisten, die kaltblütig ihre Gifte in jedes Gehirn träufeln, das sich ihnen gegenüber aufschließt.

Ich umreisse in Gedanken die Linien eines neuen Textes über meine Kindheit bei den Großeltern im ländlichen Emmenbrücke, Kanton Luzern. Gestützt von zahlreichen Zufällen, lässt sich der Bogen bis ins Bolivianische Cochabamba spannen. Titel des Vorhabens “Vergegenwärtigung”. Mal schauen, wo das hin führt. Die Frage, was Zufälle sind und ob es sie überhaupt gibt, wird dabei eine wichtige Rolle spielen.

Abschluss des Spazierganges mit Stöbern in einem Trödelladen, wo ich mich nicht von einer blauen Keramikfliese trennen kann, die nun bereits meine Küche ziert. Gemeinsame Verköstigung mit sizilianischem Zitroneneis vor Beteuerung einer Wiederholung und herzlichem Abschied.

Blaue Keramikfliese mit Segelboot in Flusslandschaft

Literaturtipp:

Der Gedichtband “Kapverdischer Dezember” meines in Zürich lebenden väterlichen Freundes Peter K. Wehrli, profunder Kenner sehr vieler Ecken auf der Welt.

Hier erhältlich: (Si apre in una nuova finestra)

Hauptwerk ist sein “KATALOG VON ALLEM”.

Es gibt auch eine Filmskizze von mir über ihn, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Wohlverstanden eine Skizze, keineswegs ein fertiger Film:

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