Monkey Monday #2
Ausblick 2025:
“US Exceptionalism” in Dauerschleife?

Wenn 2025 auf der Nordhalbkugel die Sonne aufgeht, dann dürfte sie einmal mehr in den USA heller scheinen als in Europa. Die größte Volkswirtschaft der Welt wird in diesem Jahr vermutlich in vielerlei Hinsicht das Hintergrundbild der Finanzmärkte prägen: Politisch, nicht zuletzt durch den anstehenden Wechsel im Weißen Haus; ökonomisch, durch ein weiteres Jahr, in dem das BIP deutlich stärker wächst als in Europa; und schließlich in Bezug auf die Marktentwicklung, bei der die besondere Dynamik der Technologiesektoren den US-Aktien einmal mehr einen unaufholbaren Vorteil verschaffen dürfte. US Exceptionalism eben.
Aber eines nach dem anderen. Beginnen wir mit dem Ausblick für die Weltwirtschaft. Nach einem Wachstum von rund 2,7% dürfte sich die globale Dynamik in diesem Jahr etwas abschwächen und damit weiter vom Durchschnitt seit 1980 (3,4%) entfernen. Ich rechne mit realem Wachstum in einer Größenordnung von 2,5% und bin damit deutlich pessimistischer als etwa der IWF (3,2%) und sogar leicht unterhalb des Konsensus (2,6%). Das ergibt sich vor allem aus einer moderaten Verlangsamung in den USA (von rund 2,8% 2024 auf etwa 2,3% in diesem Jahr) und China (von etwa 4,8% im Vorjahr auf ca. 4,5%), während Europa weiter dahindümpelt (ich erwarte in diesem Jahr 0,6% Wachstum, nach etwa 0.8% im Vorjahr). Auf die viel zitierte Hoffnung, dass höhere Realeinkommen den Konsum in Europa befeuern und damit die Gesamtnachfrage spürbar beschleunigen werden, gebe ich nicht viel. In den USA liegt die erwartete Abschwächung daran, dass der überraschende Produktivitätsschub nach der Covid-Pandemie mehr und mehr ausläuft. In China dürfte es der Regierung weiter schwerfallen, das Zielwachstum von 5% zu erreichen, weil das Hauptproblem, der darniederliegende Immobilienmarkt, bisher kaum auf die Stimulusmaßnahmen von Regierung und Notenbank reagiert hat und dies auch in den kommenden Quartalen nicht tun dürfte. Gemildert wird die globale Abschwächung durch eine leichte Wachstumsbeschleunigung in mittelgroßen Volkswirtschaften wie Großbritannien, Kanada und Australien. Dies genügt aber nicht, den globalen Trend zu drehen. Denn dagegen steht eine Verlangsamung auch in großen Schwellenländern wie Indien und Brasilien in diesem Jahr, wenn auch von hohem Niveau. In Summe ergibt sich für die Weltwirtschaft 2025 ein Bild , in dem die Hauptingredienz für Unternehmensgewinne, nämlich das BIP-Wachstum, weniger dynamisch aussieht als im Jahr 2024.
Einen weiteren entscheidenden Anteil am Ausblick für die Finanzmärkte dürfte die Zinsentwicklung haben, vor allem in den USA und Europa. Hier scheint sich zunehmend die Ansicht zu verfestigen, dass die EZB mehr Raum für Zinssenkungen haben könnte als die Fed (bis zu vier, gegenüber nur noch zwei, die für die USA eingepreist werden). Dies hat zum guten Teil mit den Erwartungen wieder anziehender US-Inflation zu tun, welche sich wiederum aus den Ankündigungen Trumps bzgl. Zöllen (inflationär), Steuersenkungen (auch inflationär) und Massendeportation von Migranten (erst recht inflationär) herleiten. Interessanter noch als die Erwartungen bezüglich der Leitzinsen ist der Blick auf das längere Ende der Zinskurve. Hier haben schon die ersten Tage des neuen Jahres angedeutet, welche Nervosität sich gerade in den Bondmärkten aufbaut. Dass die Zehnjahreszinsen in den USA derart schnell nach dem Beginn des Zinssenkungspfades anziehen, und zwar sehr markant, ist ungewöhnlich und vermutlich nicht komplett mit wieder gestiegenen Inflationserwartungen zu erklären. Hintergrund der höheren Laufzeitprämien dürfte zusätzlich die Erwartung einer weiterhin eher laxen Fiskalpolitik sowie generell höhere Unsicherheit mit Blick auf die neue US-Administration sein. Aus diesem Blickwinkel erscheinen lang laufende amerikanische Staatsanleihen mit Blick nach vorn wenig attraktiv. Und weil die Risikoaufschläge von lang laufenden Unternehmensanleihen für ein Umfeld sich abschwächenden Makrowachstums mit rund zwei Prozentpunkten im historischen Vergleich aktuell niedrig sind, bieten diese derzeit keine sinnvolle Alternative. Fokus des Anleiheportfolios sollte also, wie bereits im vergangenen Jahr, der kürzere Laufzeitbereich sein.
Die Assetklasse, in der aber auch 2025 der relativ größte Teil des liquiden Portfolios investiert sein sollte, sind Aktien. Und da sind wir beim “US Exceptionalism”. Denn obwohl dieser Ausdruck eigentlich eher aus der nationalistischen Ecke kommt und unterstellt, die Vereinigten Staaten seien ein Land wie kein anderes und haben aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung bestimmte Sonderrechte, wird der Begriff neuerdings auch gern für die US-Aktienmärkte verwendet. Hier bezieht sich der “Exceptionalism” dann vor allem auf die Dynamik der Tech-Unternehmen. Hält diese an, dürften auch 2025 amerikanische Indizes ihre europäischen Pendants outperformen. Vergleicht man dagegen die breiten Indizes ohne Technologieaktien, sehen die Kursentwicklungen in den USA und Europa deutlich ähnlicher aus. Zudem sind europäische Aktien-KGVs auch rund ein Drittel niedriger als die von US-Unternehmen, Europa also preislich attraktiver. Nur ist es eben gerade die anhaltende Attraktivität der US-Tech-Unternehmen, ihre Innovationskraft und Fähigkeit, hohe Cash-Flows zu generieren, die amerikanische Aktien auch 2025 erneut zu Outperformern gegenüber Europa machen sollte. Ändern könnte sich dagegen der Fokus. Waren es bis dato vor allem Großunternehmen, die etwa vom KI-Boom profitiert haben, so könnte sich dies auf Sicht Richtung Smalll und Medium Cap verschieben. Dies könnte dadurch begründet sein, dass bisher vor allem Unternehmen profitiert haben, welche die Infrastruktur für KI bereitgestellt und damit hervorragend verdient haben. In einer zweiten Stufe könnten sie jetzt abgelöst werden von Unternehmen, die KI eher anwenden und damit ihre Profitabilität erhöhen. Kleinere und mittlere Unternehmen dürften auch eher von den wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen der Trump-Regierung profitieren, oder zumindest dürften viele Anleger dies erwarten. Während also US-Aktien auch 2025 besser abschneiden sollten als europäische, ist es durchaus plausibel anzunehmen, dass sich die extreme Marktkonzentration auf Big Cap Tech auf Sicht abbaut und damit auch eher kleinere und mittlere US-Unternehmen auf der Gewinnerseite auftauchen.
Kein Marktausblick 2025 ohne ein Wort zur Politik. Denn die Veränderung der politischen Landschaft dürfte wie nichts anderes die Finanzmärkte in diesem Jahr prägen. Da ist zum einen die neue US-Regierung, da sind Trump, Musk und ihre offene Drohung, die regelbasierte Ordnung zu zerstören, offen autoritär zu agieren. Aus meiner Sicht wird diese Gefahr noch oft unterschätzt, auch und gerade an den Finanzmärkten. Die beruhigte Einschätzung, dass Trumps erste Präsidentschaft ja auch gar nicht so schlimm gewesen sei wie zunächst befürchtet und auch die zweite daher am Ende kaum Auswirkungen auf Wirtschaft und Märkte haben werde, teile ich nicht. Dagegen steht schon die Tatsache, dass Trumps Lager diesmal einen Plan hat. Seit rund drei Jahren bereitet die ultrarechte Heritage Foundation mit ihrem Project 2025 die Machtübernahme vor. Die am 20. Januar, in einer Woche, beginnende Legislaturperiode dürfte Amerika und die Welt wesentlich stärker verändern als die Jahre 2017-2021.
Dazu kommt, dass in anderen Teilen der Welt keine Gegengewichte zum Schutz von Demokratie und regelbasierter Ordnung existieren. Europa leidet an der Führungslosigkeit Deutschlands und Frankreichs, in beiden Ländern wird 2025 gewählt. China, Indien und andere große Schwellenländer suchen opportunistisch ihren Vorteil, der oft eher in einer Stärkung autokratischer - und einer Spaltung der regelbasierten - Kräfte liegt und damit die Einigkeit des traditionellen Westens untergräbt. Es ist selbsterklärend, dass all diese politischen Umwälzungen Gift sind für Rechtssicherheit, für Verlässlichkeit, kurz für ein Umfeld, in dem Unternehmen Investitionsentscheidungen treffen müssen. 2025 sieht nach einem Jahr aus, in dem sich die Weltwirtschaft viel stärker verändert als in den meisten Prognosen unterstellt.
Also Flucht in Sicherheit, also Gold oder gar Krypto? Auch hier ist zu besonnener Diversifikation zu raten, schon allein weil die oben angesprochenen Verschiebungen der globalen Ordnung auskömmliche Erträge in Aktien und - mit Abstrichen - Anleihen ja keineswegs auf einen Schlag unmöglich machen. Gold dürfte nach dem jüngsten Rücksetzer anhand der großen politischen Unsicherheiten und anhaltender Inflationsgefahr gefragt bleiben, wenngleich Zuwächse von 30% und mehr, wie 2024 gesehen, in diesem Jahr unwahrscheinlich sind. Ein tendenziell eher starker Dollar und positive Realzinsen werden vermutlich das Preispotenzial begrenzen. Skeptisch bleibe ich auch für Krypto-Assets. Solange der Wert dieser Anlageform einzig in ihrer (künstlich erzeugten) Knappheit besteht, bleibt es meine Empfehlung, allenfalls solche Teile eines Portfolios in Krypto zu investieren, die als “Spielgeld” jederzeit verfügbar sind und deren Verlust nicht schmerzt. Erinnern wir uns daran, dass etwa der Bitcoin-Preis nicht nur stark gestiegen (allein 2024 über 130%), sondern in den letzten sieben Jahren auch schon fünfmal um jeweils mehr als 50% gefallen ist.
Unterm Strich dürfte 2025 ein Jahr werden, in dem das Risiko für Rückschläge hoch ist. So könnte sich am Aktienmarkt nach einem positiven Start die Kombination von schwächerem Wachstum, geopolitischen Unsicherheiten und einem US-Policymix im späteren Jahresverlauf negativ bemerkbar machen. Vor allem, wenn höhere Inflation in Kombination mit fiskalpolitischen Abenteurn die Zinsen steigen lässt, und Spannungen im Welthandel sowie nachlassende Produktivität Investoren skeptischer auf die EPS-Schätzungen schauen lassen. Gerade weil so viele Analysten ein gutes Aktienjahr erwarten, ist Vorsicht angebracht. Denn ob 2025 wirklich zum dritten Mal in Folge die Aktienindizes zweistellig zulegen, bleibt angesichts der vielen Unsicherheiten abzuwarten. Sollte es aber, entgegen dem Konsensus, zu einer eher schwachen Performance kommen, dürfte es Europa dabei schlechter ergehen als den USA. Insofern wäre zu konstatieren, dass “US Exceptionalism” vermutlich auch in einem eher schwachen Jahr Bestand hätte.
Mit Blick auf die heute beginnende Börsenwoche stehen vor der Inauguration von Trump vor allem die Inflation - und damit die mögliche Reaktion der Fed - im Mittelpunkt. Für die morgen herauskommenden Erzeuperpreise erwartet der Marktkonsensus einen moderaten Anstieg (um 0.2%) gegenüber dem Vormonat, die Jahresrate dürfte damit leicht auf 3,2% zurückgehen. Die Verbraucherpreisdynamik, deren Veröffentlichung am Mittwoch ansteht, dürfte mit 0,3% gegenüber dem Vormonat zu hoch bleiben, die Jahresrate würde dann nur leicht auf 2,7% zurückgehen. Noch markanter vom Fed-Ziel entfernt ist die Kernrate, die selbst bei einer Verlangsamung der Monatsrate auf 0,2% mit rund 3,3% deutlich zu hoch bleibt.
https://youtu.be/K9-nsine5RY (Si apre in una nuova finestra)