Aus dem Logbuch
11. bis 12. Mai
11. Mein Pass ist abgelaufen! Zwei Tage vor unserem Flug nach Wien, stelle ich es fest. Monatelang wollte ich nachschauen, mir war ja schließlich so, er könnte bald ablaufen. Heute Morgen vor der Kita dann die Gewissheit: Pass seit Januar nicht mehr gültig. Panik, natürlich. Bürgeramt angerufen. Bundespolizei angerufen. Die hoben alle nicht ab. Clint ist der Meinung, ich käme schon damit durch. Nicht nach Wien ist keine Option! Also illegal nach Wien.
Mein Hirn hat Löcher, ich weiß nicht, womit ich sie stopfen könnte.
12. WhatsApp-Nachricht an Clint
Ich sterbe, wenn morgen irgendwas mit dem Pass ist. Falle einfach neben dir um. Rumms!
"War das Ihre Freundin?"
"Ich fürchte ja."
"Also sie kann hier wirklich nicht liegen bleiben."
"Das verstehe ich."
"Wir sind doch ein Flughafen und kein Parkplatz!"
(Ich mochte, dass er darüber gelacht hat)
Briefzitat
Ich habe gestern und heute viel an Dich gedacht, wenn Du willst, an uns gedacht. Ich schreibe Dir nicht, weil Du wieder schreiben sollst, sondern weil es mir jetzt Freude macht und weil ich will.
Ingeborg Bachmann an Paul Celan, Weihnachten 1948.
(Aus: Briefwechsel. Ingeborg Bachmann – Paul Celan, Suhrkamp)
Film
Before Sunrise
Durch Zufall
Einer meiner Lieblingsfilme. Grund, warum ich immer mal nach Wien wollte. Ein junger Amerikaner und eine gleichaltrige Französin begegnen sich im Zug. Sie unterhalten sich über Gott und die komplizierte Welt, bis sie schließlich in Wien halten und er aussteigen muss. Zögerlich fragt er sie, ob sie nicht mit ihm für einen Tag Wien entdecken möchte. Der Moment, bei dem ich mir sicher bin, ich hätte das Gleiche wie Céline getan. Ich wäre auch aus diesen Zug ausgestiegen.
Eine der schönsten Szenen ist jene, als beide in einen Musikladen laufen. Sie stöbern, sie kichern, sie gehen in eine kleine Hörkabine. Geredet wird nicht. Sie lauschen der Schallplatte und schauen peinlich berührt in alle Richtungen. Jedes Mal wenn sich ihre Blicke treffen, lächeln sie sich an. Man hofft natürlich, dass sie sich küssen, aber sie tun es nicht und darin liegt die Kraft der ganzen Szene.
Nun, der Zufall wollte, dass ich in Wien einem besonderen Mann gegenüber saß, ein guter Freund meines Freundes, der jeden Stein in Wien kannte. Bei einem Drink sprach ich von Before Sunrise. Er sagte, er habe den Film nie gesehen, aber alle sprächen immer davon. „Der Musikladen“, sagte er. „Da gibt es wohl so eine Szene.“ Verehrte Leser und Leserinnen, meine Ohren schwillten an. „Was ist mit dem Musikladen?“, wollte ich eilig wissen.
„Na, der ist da drüben.“ Bitte was?
Zweimal bin ich zu diesem Zeitpunkt schon daran vorbeigelaufen. Es ist DER Musikladen aus Before Sunrise.
ALT & NEU in der Windmühlengasse 10, 7. Bezirk.
Die Recherche hat ergeben:
-Den Laden gibt es schon seit über 60 Jahren
-Die Hörkabine wurde eigens für den Film gebaut und wieder entfernt
-Ein Filmplakat von Before Sunrise hängt hinter der Theke
-Und eine Schallplatte von dem Song, den sie hören: Come here/ Kath Bloom
-Der Besitzer ist genervt von Touries, die Fotos machen, papperlapapp.
Im Laden selbst war ich nicht. Er hatte geschlossen. Aber im Auftrag aller Filmromantiker machte ich natürlich ein paar Aufnahmen von der Außenfassade. Schnief und klick. Hier die wunderschöne Szene in der Hörkabine. (Si apre in una nuova finestra)
Anmerkung der Redaktion: Sind Sie verliebt? Wenn nicht, dann sollten Sie sich schleunigst verlieben und nach Wien reisen. Denken Sie daran, Wien ist auch in Sie verliebt. Die kleinen Gassen, die alten Bauten, überall Cafés und Märkte. Niemand braucht Paris, wenn es eine Stadt gibt, die Strudel zum Thema hat. Also tun Sie es. Seien Sie verliebt in Wien. Nehmen Sie dazu Platz auf einer Terrasse mit der Liebe ihrer Wahl direkt am Burgtheater. Sagen Sie dem Kellner, ihr Hobby sei Espresso trinken und verträumt gucken. Er soll anschließend Milch über den oder die Angebete kippen. „Schatz, oh nein! Nun ist die schöne Hose voller Flecken.“ Sie könnten mit einer Serviette das Hosenbein sanft abtupfen. In das Hosenbein sind Sie natürlich auch verliebt. Sagen Sie Ihrer oder Ihrem Angebeten, das Leben sei voller Missgeschicke, aber zu Zweit sei alles nur halb so schlimm. Kichern wäre angebracht. Fluchen Sie anschließend über den dummen Kellner. Der Kellner ist vielleicht gerade frisch geschieden, deswegen fluchen Sie bitte nur sehr leise. So ist’s recht.
Buchempfehlung
Dies ist eine sehr kurze Buchbesprechung. Ich kaufte in der Buchhandlung Walther König einen Bildband über Romy Schneider. Für 35 Euro. Einen französischsprachigen Bildband über Romy Schneider. Es fiel mir erst zu Hause auf. Was mir dabei noch auffiel: Ich kann gar kein französisch.
FAZIT. Die Fotos von Romy Schneider in dem Bildband sind wirklich sehr schön. Viele kannte ich noch nicht. ENDE.
Romy Schneider liest
(Foto: In Coco Chanels Apartment in Paris, 1960. BOTTI/ Gamma-Keystone )
Liebe Leser und Leserinnen,
also in Wien muss man aussteigen!
Grüße an Mutti, Kuss Judith Poznan