Kunstvoll ins neue Jahr
Nennenswertes:
Übermorgen beginnt das neue Jahr. Im neuen Jahr werde ich 38. Mit 38 gehe ich nun offiziell auf die 40 zu.
Bald 40 und Mutter eines Schulkindes. Ist das krass.
Kunstgalerie
Im Kulturforum
Wie sich bald 40 anfühlt, habe ich in der Gemäldegalerie vorgetestet. Natürlich kann man da auch wesentlich früher hingehen. Am 2. Weihnachtstag waren alle möglichen Leute mit mir dort. Ich habe es aber bisher nicht gemacht. Im Louvre bin ich mal gewesen, aber irgendwie nicht so richtig. Lesen und Aufschreiben sind meine Disziplinen. Was ist das mit Bildern in einer Galerie? Langsam durch Räume laufen, Bilder betrachten, die ich noch nie gesehen habe, mich darin erkennen und glücklich zuhause einschlafen. Geht das? Was ist eigentlich der korrekte Abstand beim Betrachten eines Bildes? Zählt der Rahmen mit? Wie merkwürdig findet mich der Aufpasser im schwarzen Anzug, wenn ich ein Bild von Nahem auf Zehenspitzen oder von ganz Weitem betrachte, von schräg links mit einem nach vorne gestreckten Hals oder in der Mitte sitzend auf einem dieser Holzbänke. Sind die eigentlich zum Ausruhen gedacht? Ich nickte dem Aufpasser beim Verlassen des Raumes zu und er nickte zurück, als würde er wissen, ich bin ganz neu hier.
“Ey, ich hab mich vorbereitet!”, guckte ich dann.
Und er guckte zurück. “Bestimmt mit nem Podcast.”
“Nicht nur! Du kannst also weniger so gucken.”
“Ich gucke nur, ob hier alles stimmt.”
Dann lief ich an ihm vorbei und guckte nach oben. “Die Lichtverhältnisse gefallen mir hier nicht.”
Er guckte schließlich nach oben und wieder zu mir. “Das hast du doch von dem Paar da drüben aufgeschnappt.”
Nach unten gucken. Erst ich, dann er.
“Das Parkett ist schön.”
Wieder nicken.
“Du kriegst das schon noch raus, wie es geht.”
Blinzeln und ab.
Anmerkung der Redaktion: Gemäldegalerie am Matthäikirchplatz, 10785 Berlin. Täglich geöffnet von 10 Uhr bis 18 Uhr. Eintritt: 12 Euro.
Doku
Rekonstruieren von Profis für Laien
Eine Leserin hat mir diese Doku-Reihe empfohlen. Die Folgen dauern ein bisschen mehr als eine halbe Stunde. Ein niederländisches Team aus Kunstexperten versucht, alte Bilder zu rekonstruieren. Welche Farben haben die alten Meister genutzt, welche Pinsel, welche Technik. Die Künstlerin Charlotte Caspers malt dann sozusagen nach Plan, aber frei mit der Hand die Bilder nach. Bisher habe ich Vermeer, Van Gogh und Rembrandt gesehen. Am Ende wird die Rekonstruktion neben das Original gestellt. Alle sind dann immer ganz verblüfft und klatschen. Bei Rembrandt hat Charlotte Caspers sogar angefangen zu weinen, weil ihr das Porträt mit dem Mann und den Löckchen auf Anhieb nicht gelingen wollte. Da versteht man plötzlich, worin die Leistung besteht. Dieser große Respekt vor den Meistern und die Wertschätzung der eigenen Arbeit, macht diese Sendung für mich so großartig.
Anmerkung der Redaktion: “Das Geheimnis der Meister”, bisher 12 Folgen. 6 Folgen zu finden in der Mediathek von 3 sat (Si apre in una nuova finestra). Wir bedanken uns für den Hinweis. Ebenfalls eine Empfehlung: Der ZEIT-Podcast “Augen zu” (Si apre in una nuova finestra) mit Giovanni di Lorenzo und Florian Illies.
Mail an augenzu@zeit.de (Si apre in una nuova finestra) wie folgt:
Liebes Team von Augen zu,
über eine Empfehlung bin ich nun auf den Podcast aufmerksam geworden. Ich fühlte mich ja gleich, als hätte ich hinter dem Mond gelebt. Wie konnte das bisher an mir vorbeigehen?
Mittlerweile habe ich viele Folgen gehört. Ich glaube, die über William Turner ist meine Lieblingsfolge. Und weil man sich einen Künstler oder eine Künstlerin wünschen darf, würde ich das hiermit gerne tun. Ich würde mich sehr über eine Folge über Anna Dorothea Therbusch freuen. Mit besten Grüßen an Giovanni Di Lorenzo und Florian Illies.
Kommen Sie alle gut ins neue Jahr.
Ganz herzlich
Judith Poznan
Briefzitat
Das Jahr, das wir zusammen verlebt haben, war äußerst schwierig, auch wenn wir oft übereinstimmten, insbesondere zum Ende hin.
Theo van Gogh an Johanna Bonger über seinen Bruder Vincent, 1889.
Buch
Biographie über Wisława Szymborska
Auf dem Zauberberg, Kapitel 6
Darin heißt es: “Ein Apartment, das von seinen Bewohnern als “Schublade” bezeichnet wird, stellt man sich nicht gerade als Gipfel des Komforts vor.” 1963 zog Wisława Szymborska in das sechsstöckige Hochhaus in der Nowowiejska-Straße in Krakau. Sie war glücklich über ihre eigenen vier Wände. Für den Neubau musste das Badezimmer erst noch eingebaut werden und eine Küche war überhaupt nicht vorgesehen. Das einzige Zimmer, der Beschreibung zufolge, war so klein, dass Syzmborska sich nur auf die nötigsten Möbel beschränken und diese nach Maß anfertigen lassen musste. Tisch, Sitzbank, Bücherregale. Syzmborska ist hier schon verlegte Dichterin und gerade frisch geschieden. Sie schätzte die gute Lage, den großen Balkon, das neue Bad mit einer Badewanne. Die Schublade ist ein Wohlfühlort für sie, meint die Biografin Kijowska. Syzmborska ist bei ihrem Einzug 40 Jahre alt, eine “schöne, unverheiratete Frau”. Bestimmten Frauen dürfte beim Lesen dieses Kapitels das Herz aufgehen. Wenn ich mich so umgucke, in Schale habe ich mich ja nun seit Wochen nicht geworfen, passiert das jedenfalls bei mir. Es sind die Jahre der “kleinen Stabilisierung” in einem hässlichen, grauen Krakau. Von einem Dauerkrampf ist hier die Rede.
Die Jahre der kleinen Stabilisierung. Das mag ich sehr.
Anmerkung der Redaktion: Marta Kijowska: „Nichts kommt zweimal vor“. Wisława Szymborska – Eine Biografie. Schöffling & Co. für 28 Euro.
Anna Dorothea Therbusch liest.
Selbstporträt, 1782.
Ihr Lieben,
es war mir eine Freude, euch auch in diesem Jahr wieder monatlich meinen Newsletter zu schicken. Nicht immer in aller Leichtigkeit, oft unregelmäßig, einmal mit furchtbaren Bauchschmerzen, einmal tat mir der Kopf weh, viele Tippfehler, aber gewiss mit dem ganzen Herzen dabei. Habt Dank für eure Treue und kommt mir alle gut ins neue Jahr. Wegen der Kälte. Füttert euch mit schönen Geschichten kleine Fettpolster an. Ich starte ins nächste Jahr mit Dana Vowinckels “Gewässer im Ziplock” und eine Menge Zuversicht für die kommenden Jahre.
Küsse Judith