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Im Fadensommer

„Es ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.“ Danger Dan

Es ist viel Blau auf meinen Bildschirmen. Die ganze Welt scheint am Wasser zu sein. Das Blau unterscheidet sich von Foto zu Foto, vom Schwimmbecken zum See zum Meer. Nie gleich. Himmel und Wasser konkurrieren um den Preis für das unbeschwerteste Blau. Reflexartig möchte ich wissen, wie viele Töne Blau es gibt, aber es ist heiß und ich bin träge. Ich tippe die Frage trotzdem in die Suchmaschine ein, überfliege die Ergebnisse und gebe auf, als ich „Millionen“ lese. Es gibt sicher eine mathematisch exakte Zahl, aber sie interessiert mich nicht mehr. Ich weiß, wenn das Blau des Himmels weiß wird, ist es zu viel.

Brighton, England, 2018 © Kristina Klecko

Dass ich nicht über den Sommer schreiben will, fällt mir auf, als ich lese, wie andere es tun. Ich springe durch fremde Texte und vergesse sie wieder. Vielleicht ging es um Luftspiegelungen über heißem Asphalt, um Wind, der das Haar durchwirbelt, wenn man mit dem Fahrrad auf unbefestigten Wegen durch Kornblumenfelder rast. Vielleicht ging es um den Duft von Freibadpommes oder um Sommernächte, die nur von Glühwürmchen erleuchtet werden. Bei anderen sieht Sommer schön aus, fast erstrebenswert. Ich aber tauche ohne Bedauern ab und warte, bis es vorbei ist.

Sind wir bald da?

Wörtlich und in jedem übertragenen Sinne bin ich ein Herbstkind. Unter uns Herbstkindern gilt die stille Übereinkunft, eine Regel gar, den anderen die eigene Jahreszeit nicht allzu aggressiv aufzudrängen. (Das stimmt nicht, aber es würde mir gefallen.) Mit Genuss würde ich diese Regel brechen, denn ein Lobeslied auf den Herbst schreibt sich von allein.

Wer den Herbst nicht mag, könnte entgegnen, dass er ewig dauere, mit seiner Nässe, seinen Stürmen, den wenigen Sonnentagen. Es stimmt, der Herbst fliegt nicht so schnell vorbei wie der Sommer. Doch das hat einen Grund. Während alle vom Sommer erschöpft auf den ersten Advent warten, drücken wir Herbstkinder auf Pause und bewegen uns in Zeitlupe durch das Gold. (Auch das stimmt nicht, würde mir aber gefallen.)

Möglich, dass der Herbst länger dauert, weil er den besseren Sommer in sich unterbringen muss. Den Fadensommer. Besser bekannt als Altweibersommer. Da ich nun an den Herbst denke und nicht mehr träge bin, recherchiere ich engagierter, woher der Begriff kommt. Wie zu erwarten, gibt es mehrere Versionen, aber immerhin keine Million Möglichkeiten. Und es gibt einen Rechtsstreit aus den 1980er Jahren. Eine Frau hatte die Bundesrepublik verklagt, weil sie in der Verwendung des Begriffs „Altweibersommer“ durch den Deutschen Wetterdienst alte Frauen diskriminiert sah. Die Klage wurde abgewiesen.

„(...) mit seiner klaren Luft und dem warmen Sonnenschein zaubert der Altweibersommer ein letztes Farbkostüm in unsere Gärten. Als großes Finale der Natur, das es zu genießen gilt, sagt man augenzwinkernd über ihn: Er ist der einzige Sommer, auf den Verlass ist.“ Verena Schmidt, Wie der Altweibersommer zu seinem Namen kam (Quelle (Si apre in una nuova finestra))

Ich lese das alles, während Menschen in Shorts und Sommerkleidern die Straße vor meinem Haus auf und ab laufen. Wenn die Sonne am Abend nachgibt und Sommergetränke auf Kneipentischen in ihren Gläsern schwitzen, geselle ich mich dazu und spiele eine Runde Sommerkind.

Denn wir sind ja bald da. Im Fadensommer.    

Eine gute Sommerzeit und bis in zwei Wochen!

Kristina

Was andere machen

Ein Sommer wie im Film Call me by your name würde mir allerdings auch gefallen.

https://www.youtube.com/watch?v=4WTt69YO2VI (Si apre in una nuova finestra)

Apropos Filme. Bei manchen wundere ich mich, warum sie an mir vorbeigegangen sind. White Bird gehört dazu. Große Empfehlung, auch wenn es möglicherweise nicht fürs Open Air Kino geeignet ist.

https://www.youtube.com/watch?v=qgBFQpK1buA (Si apre in una nuova finestra)

Was noch?

In der Literaturzeitschrift Mosaik43 ist meine Geschichte 100 Meter erschienen, die im ersten Lockdown entstanden ist. > Zeitschrift ansehen (Si apre in una nuova finestra)

Gern gelesen?

Vielen Dank!