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Kein Geld, Keine Musik

Kein Wunder, dass unser Sport nicht vorankommt, wenn er uns scheinbar nichts Wert ist. Jan hat sich mal das aktuelle System der Mitgliederbeiträge im deutschen Floorball angeschaut. Achtung, er will euch ans Kleingeld.

Nun, wo anfangen? Wie manche wissen, komme ich ursprünglich aus Tschechien, wo Floorball schon seit Langem Massensport ist. Strukturen, Organisation, sportliche Ausbildung, aber auch Dinge wie Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring sind mittlerweile Weltklasse und qualitativ, wenn nicht in allen, dann zumindest in vielen Bereichen, vor Schweden oder Finnland. Selbst Sportarten wie Handball oder Basketball hat man dort in allen möglichen Belangen längst abgehängt.

Ein wichtiger Grund für diesen Erfolg, der nicht über Nacht kam, ist die Menge an fähigem Personal. Das wurde rechtzeitig im Verband und in Vereinen hauptamtlich angestellt, um jene Aufgaben zu übernehmen, die ehrenamtlich nicht mehr zu stemmen waren - zumindest nicht mit der Qualität und Sorgfalt, die nötig waren. Neben einer ordentlichen Geschäftsführung sowie Sportlichen Leitung, ging es vor allem um Themen wie Eventmanagement, Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit - also jene Aufgaben, die dafür sorgen, dass neue Leute die Sportart entdecken oder dass Sponsoren etwas geboten bekommen, wofür sie bereit sind, Geld auf den Tisch zu legen. Auf diese Weise bekommen Verband und Vereine wieder neue Ressourcen zur Verfügung, können sich noch bessere Strukturen leisten, noch mehr Leute begeistern und so weiter und so fort.

Die Voraussetzung für diese Entwicklung war fast schon profan: Geld. Oder besser: die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen. Früh hatte man sich betagter Bedenkenträger entledigt, die zu träge waren, professionelle Strukturen aufzubauen. Das sei doch alles nur Hobby, so viel Geld brauche man gar nicht und außerdem könne das gute alte Schwarze Brett nicht so schnell abstürzen wie diese ganzen Internetze.

Die junge Generation im tschechischen Verband verstand aber, dass Leute bezahlt werden müssen, und das fair und gut. Nur dann werden es auch gute Leute sein, die man sich aussuchen kann, die dann gute Arbeit verrichten und ihren Job schätzen. Das verlief nicht reibungslos, aber man tastete sich voran. Damit diese Leute finanziert werden konnten, waren die Mitgliedsbeiträge auch entsprechend hoch. Schon um das Jahr 2002 herum zahlte ich als Jugendlicher etwa 25 € im Monat, wovon sich der Verein, die regionale Sektion (in Tschechien gibt es keine Landesverbände in deutscher Form) und vor allem der Dachverband finanzierten. Die Folge war eine stabile Entwicklung zum jetzigen Vorzeigeverband mit etwa 80.000 Mitgliedern.

Als ich 2004 nach Deutschland kam, ein Land mit damals etwa dreimal so hohem Durchschnittslohn, zahlte ich etwa 7 € - weshalb ich übrigens annahm, dass es sich nur um eine Versicherung handelte und ängstlich nachforschte, ob ich dem Verein nicht Geld schulde. Konkret und zum Vergleich: Heute zahlen jugendliche Mitglieder in meinem Stammverein Berlin Rockets 10 € im Monat, Erwachsene 15 €. Von diesem Betrag finanzieren sich neben dem Verein auch der Landesverband und der Dachverband mit.

“Der Dachverband erhielt bislang etwas über 2 Cent pro Mitglied im Jahr.”

Wobei das Wort “finanzieren” etwas hochgegriffen ist, zumindest beim Dachverband. Der erhielt bislang nämlich sage und schreibe (kein Scherz, kein Zahlendreher, wurde sorgsam geprüft) etwas über 2 Cent (noch zur Sicherheit “zwei”, bzw. 25 Cent im Jahr). Manche Vereine sind günstiger, andere teurer, die Dimension bleibt aber dieselbe. Einer Entscheidung der Delegiertenversammlung von 2022 nach (der gerade einmal zwei Drittel der Landesverbände zustimmen) soll der Wert ab diesem Jahr auf 40 Cent im Monat steigen (4,80 € im Jahr).

Um zu vergleichen, bleiben wir in derselben Region, wo beispielsweise die Füchse Berlin nicht nur im Handball, sondern auch in anderen Abteilungen um die 22 € für Erwachsene (Breitensport) und 16 € für Jugendliche veranschlagen. In den Eishockey-Teams der Eisbären zahlen Kinder im Spielbetrieb einen Monatsbeitrag von 55 €, Jugendliche ab der U15 stattliche 95 €, Erwachsene im Breitensport dann 20 bis 40 €. Nun muss man sich nicht in dieselben Höhen schwingen. Aber kann man es sich wirklich leisten, so billig zu sein? Was etwas höhere Mitgliedsbeiträge bewirken können, sieht man übrigens beim ETV Hamburg, dessen starke Infrastruktur eine Visite wert ist. Erwachsene zahlen einen Basissatz von monatlich 28 €, Kinder 16 €, und es kommt noch ein Abteilungszuschlag hinzu, bei den Floorballer*innen etwa 6 €.

Wie ein Dachverband mit so niedrigen Beträgen optimal funktionieren soll, ist mir jedenfalls ein Rätsel. Tut er ja auch nicht. Den Landesverbänden geht es übrigens nicht besser. Vor Kurzem veröffentlichte Floorball Deutschland die neuen Mitgliederstatistiken. 14.678 Mitglieder zählt der Verband, 5 % mehr als 2023. Während aber einige Landesverbände schneller wachsen, stagnieren andere, manche sind rückläufig. Sogar die Zahl der Vereine ist gesunken: waren es 2022 noch 223, sind es jetzt 211 - was zugegeben eine Entwicklung darstellt, die auch andere Verbände kennen. Die sind aber deutlich größer und haben mit einem gesättigten Markt zu kämpfen, während Floorball doch eigentlich wachsen will. 2012 titelte die FAZ, Floorball sei “Der schlafende Riese”. Zzzzzzzzzz auch noch 2024.

Um Floorball voranzubringen, also vereinfacht gesagt, endlich ordentlich wachsen zu lassen, reicht es nicht, dass Vereine lokal oder Landesverbände regional (gute) Arbeit leisten. Viele existenzielle Themen, bei denen wir als deutsche Floorball-Community versagen, müssen zentral gesteuert werden. Und dafür ist der Dachverband brutal unterbesetzt.

Ich hatte in der vergangenen Podcast-Folge die Rechnung aufgestellt, dass wenn Floorball Deutschland jeden Monat pro Mitglied 3 € (also nicht 2 Cent und auch nicht 40 Cent) erhalten würde (wobei man soziale Härtefälle, passive Mitglieder etc. gerne abziehen dürfte), gute 30.000 € extra zur Verfügung stünden, mit denen man vier Fachkräfte anstellen könnte und noch 10.000 € für diverse Maßnahmen wie Video-Produktion, Website oder Influencer-Marketing in der Tasche hätte. Sponsoring-Verantwortliche könnten so endlich Vollzeit auf Geldjagd gehen, Social-Media-Gurus könnten endlich ordentlichen Content und Kampagnen bauen, Orga-Spezis könnten die Bundesligen und weitere Events zu jenen hochwertigen Projekten entwickeln, die unser Sport braucht, um sich Gehör zu verschaffen. Ehrenamtler wird es weiterhin brauchen, aber eben nicht mehr für Schlüsselpositionen, die Skills und Verbindlichkeit erfordern.

“Wir müssen aber dringend begreifen, dass ein echter Aufschwung nicht umsonst kommt, einfach nur weil Floorball doch ach so toll ist. Das hat schon die letzten 32 Jahre nur bedingt funktioniert.”

Nun kommt dieses Thema nicht zum ersten Mal auf. Das Gegenargument zu einer richtigen Erhöhung der Mitgliederbeiträge war meist, dass andere Sportarten, insbesondere Fußball, nunmal günstiger seien und man so nur Mitglieder verlieren würde und dann alles den Bach runterginge. Eigentlich müsse man diese eher unterbieten, um sich gegen “populärere” Sportarten durchzusetzen. Unsinn. Das belegen die Entwicklungen in eben jenen Landesverbänden, wo gerade mit höheren Beiträgen besser gewirtschaftet werden kann. Außerdem, bei fast allen Mitgliedern, die bereits eine Eingewöhnungsphase hinter sich haben, werden ein paar Groschen zusätzlich nie und nimmer zu einem Sportwechsel führen. Und selbst wenn man zunächst (wenn hoch geschätzt) ein Fünftel der Mitglieder verliert, wird die jeweilige Organisation danach deutlich besser ausgestattet sein, um ordentlich arbeiten und wachsen zu können. Denn das Argument für Floorball darf nicht der Preis sein, sondern es muss um die gute Arbeit der Vereine und der Verbände gehen. Und die gibt es nicht für paar Zerquetschte.

Der deutsche Floorball-Verband wurde 1992 gegründet, trotzdem gleicht die Größe des Dachverbandes der einer jungen, frisch gegründeten Organisation. Diese fehlende Reife kann aber auch ein Vorteil sein. Denn der Sport und seine Prozesse sind noch formbar. Wir müssen aber dringend begreifen, dass ein echter Aufschwung nicht umsonst kommt, einfach nur weil Floorball doch ach so toll ist. Das hat schon die letzten 32 Jahre nur bedingt funktioniert.

Wir müssen endlich zusammenlegen, damit dieser Karren, in dem wir alle gemeinsam sitzen, in die Gänge kommt. Wir sind als Einzelspieler Teil unseres Vereins, unseres Landesverbandes und unseres Dachverbandes und wir müssen bereit sein, Menschen, die für uns gute Arbeit erbringen sollen, fair zu bezahlen.

Für die Meisten von uns spielt Floorball eine wichtige Rolle im Leben, ist darin meist die wichtigste Nebensache - er hält uns fit, bildet und stärkt Freundschaften, schafft Erinnerungen, lenkt ab, lädt uns auf. Wer nicht bereit ist, ein, zwei Bier extra dafür aufzubringen, dass unsere Sportart einen wichtigen Schritt nach vorne machen kann… der soll murmeln gehen.

P.S.: Die Weltmeister im Murmeln kommen aus Neukirchen… also auch Murmeln ist besser dran. Mist.

Foto: IFF

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