Shoutout to the unbekannte Kabarettistin der 2000er
Da ☝🏻 habe ich mich mal wieder von einem befreundeten Kollegen belatschern lassen, für ein Glas Sekt in irgend so einem Transen-Splatter-Videoclip aufzutreten. (Am besten gefällt mir an dem Bild, dass ich noch 92% Akku habe.)
Öbacht, Disclaimer: Ich habe eine Kollegin beklaut. Nein, Moment, adaptiert, ich habe einen Stücktitel adaptiert für meinen Newsletter hier.
Es ist bestimmt gut 20 Jahre her, da hing ganz Schöneberg voll mit Plakaten für ein Kabarett-Programm in der „Scheinbar (Si apre in una nuova finestra)“. Das ist so ein schnuckeliges, kleines Varieté direkt bei mir um die Ecke. Sie zeigten eine mittelalte Frau im Halbprofil mit weit aufgerissenen, irr ins Nirvana starrenden Augen, die Hände klauenartig gen Himmel ringend. Verzweiflung, Raserei, Defibrillator. Man wollte zum Telefonhörer greifen und einen Exorzisten rufen. Oder ihr zumindest ein Glas Frauengold (Si apre in una nuova finestra) anbieten. Darüber der Titel: „Frau Naurath regt sich künstlich auf“.
T. und ich haben damals Tränen gelacht, jedes Mal, wenn wir an einem dieser Aushänge vorbeikamen. Trääänen. Völlig unverhältnismäßig eigentlich, aber wir fanden Bild und Titel aus irgendeinem Grund so dermaßen komisch, dass „sich künstlich aufregen“ bis heute ein geflügeltes Wort zwischen uns ist. Vielleicht, weil wir beide ein bisschen wat am Kopp haben. Vielleicht aber auch, weil die Redewendung so eine Peter-Frankenfeld-Patina hat. Diese rüschige Kaffeetanten-Misogynie, die da mitschwingt - weil „künstlich“ aufregen, das tun ja nur Frauen, wenn sie wiedermal hysteeeerisch sind.
Keine Sorge. Ich werde mich hier nicht nur aufregen. Auch wenn mir das oftmals sehr viel Spaß macht (ich bin aber auch meistens im Recht damit, hehe). Es gibt schließlich noch allerlei anderes, was mir mindestens ebenso viel Freude bereitet, zum Beispiel in der Küche sitzen, Löcher in die Luft gucken und meine Katzen streicheln. Oder anderen Menschen dabei zusehen, wie sie Dinge tun. Mich wundern über dies und das. Käffchen trinken bei Dino und die Gespräche der Nachbarn belauschen. Dafür sorgen, dass der Sohn nicht vom Fleische fällt. Zusammenzucken beim Wort „Steuererklärung“ und allen Begriffen, die mit „Steuer“ beginnen (hier ergibt sich eine Schnittstelle zum Aufregen, aber nicht künstlich😡). Neue Gegenden entdecken in der Stadt, die ich seit 25 Jahren zu kennen glaube. Menschen lieb haben. Menschen komisch finden. Tiere lieb haben. Um Tiere Angst haben. Mich vom Sohn über Basketball und Physik belehren lassen. Lachen. Heulen. Lachen. Solche Sachen halt.
Es gibt von „Katz & Goldt“ eine Postkarte (Si apre in una nuova finestra), wo so ein kleiner, trauriger Eumel im Hasenkostüm drauf ist, neben ihm ein Schild: „ICH BIN VOLLER GEDANKEN UND ÄUSSERE DAHER NICHT IMMER DEN RICHTIGEN.“ Die Karte hängt seit Jahren bei mir am Külschrank. Der Haseneumel bin ich. Und hier ist der Ort, wo all diese Gedanken ungefiltert abgeladen werden, bevor sie in irgendeiner Redaktion landen (wenn überhaupt), hab ich mir überlegt. Ich kann das schließlich nicht alles im Leichenschauhaus Facebook aufstapeln. Das muss ja raus, bevor es vergammelt.
Apropos raus: Das besagte Kabarett-Programm haben wir uns damals übrigens nicht angesehen, T. und ich. Eigentlich schade. Vielleicht befürchteten wir, die Show könnte nicht halten, was die Werbung versprach. Ist ja bei vielen Produkten so. Eine Wiederaufnahme hat es auch nie gegeben. Ich habe mal gegoogelt, ich glaube, Frau Naurath ist heute unter anderem Heilpraktikerin. Sie wird mir sicher gnädig verzeihen. Der kleine Eumel sagt „danke!“ für die Inspiration und widmet ihr dafür von Herzen diese erste Newsletter-Schlagzeile, auch wenn sie gar nicht so recht zum Inhalt passt.