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Wo der japanische Imperialismus bis heute nachwirkt

Warum Ostasien nicht zur Ruhe kommt

Der 8. Mai wird in Europa als „Tag der Befreiung“ begangen – der militärische Sieg über das nationalsozialistische Deutschland markiert nicht nur das Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem Kontinent, sondern auch das Ende von zwölf Jahren faschistischer Herrschaft und industrieller Vernichtung. In der Bundesrepublik hat sich über Jahrzehnte hinweg – gegen beachtliche Widerstände – die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieser Tag kein Tag der Niederlage, sondern einer der Befreiung war. Während sich in Deutschland, zumindest im offiziellen Diskurs, eine Form des antifaschistischen Gedenkens etabliert hat, bleibt die Erinnerung an das Kriegsende in Ostasien zersplittert, konflikthaft – und tief politisiert. Der 15. August, der in Japan als Kapitulationstag gilt, markiert für viele in der Region kein Ende des Leids, sondern dessen Nicht-Aufarbeitung.

Der japanische Imperialismus, der sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert rücksichtslos über Korea, die Mandschurei, Teile Chinas, Südostasien und den Pazifik erstreckt hatte, hinterließ kollektive Traumata, die bis heute das politische Klima vergiften. Besonders brutal zeigte sich das koloniale Regime in Korea. Von 1910 bis 1945 war die koreanische Halbinsel unter japanischer Herrschaft. Die Kolonialpolitik Japans setzte auf Assimilation, Zwangsarbeit, Ausbeutung – und das systematische Auslöschen koreanischer Kultur. Die koreanische Sprache wurde verboten, Familiennamen zwangsweise japanisiert. Hunderttausende Koreaner:innen wurden zur Arbeit in japanischen Fabriken und Bergwerken deportiert, viele starben dort.

Besonders grausam war das Schicksal der sogenannten „Trostfrauen.”Schätzungsweise 200.000 Mädchen und Frauen – viele von ihnen aus Korea – wurden in Militärbordellen sexuell versklavt. Ein Großteil von ihnen überlebte die Gewalt nicht. Die wenigen, die den Krieg überstanden, kämpften jahrzehntelang um Anerkennung, Entschädigung – und darum, dass ihre Geschichte überhaupt erzählt wird.

Die Verdrängung als politische Konstante

Die japanische Nachkriegspolitik schwankte zwischen halbherziger Aufarbeitung und aktiver Verdrängung. Zwar bekannte sich Japan in offiziellen Verlautbarungen zur Verantwortung – etwa durch die Kono-Erklärung von 1993 oder das Murayama-Statement von 1995 –, doch rückten konservative Regierungen immer wieder davon ab. Ein Beispiel: Der Besuch führender Politiker am Yasukuni-Schrein, wo auch verurteilte Kriegsverbrecher geehrt werden, sorgt regelmäßig für diplomatische Krisen.

Schulbücher, die Japans Verbrechen verharmlosen, werden immer wieder staatlich genehmigt. Reparationsforderungen – insbesondere aus Südkorea – werden mit Verweis auf bilaterale Verträge abgewehrt. Das 1965 unterzeichnete Normalisierungsabkommen zwischen Japan und Südkorea enthielt finanzielle Entschädigungen, aber keine individuelle Anerkennung für Überlebende – ein fauler Deal, geschlossen unter autoritärer südkoreanischer Herrschaft, ohne Mitspracherecht der Opfer. Die politischen Spannungen zwischen Japan und Südkorea eskalieren regelmäßig – nicht nur wegen des historischen Unrechts. So blockierte Japan 2019 den Export wichtiger Chemikalien für die südkoreanische Tech-Industrie. Ein südkoreanisches Gericht hatte zuvor ein japanisches Unternehmen zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter verurteilt. Tokios Antwort waren dabei Wirtschaftssanktionen. Noch 2023 demonstrierten Überlebende der „Trostfrauen“ vor der japanischen Botschaft in Seoul. Ihre Mahnwache findet seit über 30 Jahren jeden Mittwoch statt – und wird von einem Staat ignoriert, der sich lieber als Opfer der Atombombe denn als Täter in Ostasien inszeniert.

In Südkorea ist die Erinnerung an die Kolonialzeit kein akademisches Randthema, sondern Teil einer politischen Identität. Der Zorn über die Verharmlosung japanischer Verbrechen eint breite Teile der Bevölkerung – von linken Studierenden bis zu konservativen Veteranen. Präsidenten kommen und gehen, aber der Druck der Zivilgesellschaft bleibt. Der Fall zeigt, dass Geschichte ist keine vergangene Angelegenheit ist. Sie ist ein umkämpftes Terrain, auf dem Gegenwart gemacht wird. Die Verbrechen des japanischen Imperialismus sind historisch – ihre Nachwirkungen sind es nicht.

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