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Der Tonfall mit Demokratiefeinden muss rauer werden! (Essay)

Von „Remigriert euch ins Knie“ bis „EkelhAfD“ – die Demos gegen Rechtsextreme finden eindeutige Worte. Und das ist vollkommen okay. Niemand muss immer höflich sein!

Einer meiner Lieblingscomics ist vom Comiczeichnerduo Hauck & Bauer (Si apre in una nuova finestra). Fünf Menschen sitzen im Halbkreis, eine Talkshow. Der eine zeigt wutentbrannt auf den anderen: „Den Nazivergleich nehmen Sie sofort zurück!“. Sein Gegenüber beschwichtigt: „Das war doch kein Vergleich. Ich sagte, Sie sind ein Nazi.“

(Si apre in una nuova finestra)

Der momentane Umgang mit rechtem Gedankengut verläuft ähnlich. Empörung trifft auf Kritik, Kritik trifft auf Empörung. Und über allem schwebt die Frage nach der richtigen Dosis, nach den passenden Worten, der richtigen Beschreibung.

Ab wann lohnt es sich, die Samthandschuhe auszuziehen? Wie viel Respekt schulden wir den Respektlosen?

Ist die Feststellung, dass Neonazis in deutschen Talkshows sitzen, eine Beleidigung der Chrupallas der Nation? Oder eine bloße Tatsachenbeschreibung? Immerhin arbeitet der Verfassungsschutz gerade daran, die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistisch“ einzustufen (Si apre in una nuova finestra). In ihrer Gänze, komplett. Egal ob Talkshow-Veteran oder Hinterbänkler – rechtsextreme Verfassungsfeinde, wohin man blickt. Und das sagt nicht die Antifa-Gruppe Kreuzberg, sondern unser nicht gerade unter Linksradikalismusverdacht stehender Inlandsgeheimdienst.

Die richtigen Worte finden für eine komplexe Wirklichkeit: kein einfaches Unterfangen. Und die Herausforderung wird nicht einfacher, wenn es um den korrekten Umgang mit dem politischen Gegner geht; um den passenden Ton von Kritik. Um die Frage, was guter Streit ist und was schlechter.

(Si apre in una nuova finestra)

„Remigriert euch ins Knie!“, „Ekelhafd!“, „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm ins Gehirn geschissen hat“ – auch auf den Demos für die Demokratie wurden die Rechtsextremen und ihre Wähler beleidigt, kritisiert und verspottet. Nicht wenige Demo-Schilder gingen viral (Si apre in una nuova finestra), viele Menschen amüsiert es köstlich, wenn – im Idealfall gemischt mit einer Prise Witz – die Zivilgesellschaft zum Gegenangriff übergeht. Statt falsch verstandener Rücksicht heißt es immer öfter: No more Mr. Nice Guy.

Doch nicht alle goutieren eine schärfere Tonart.

In ihre Bedenken mischt sich vieles: Die zu Recht gestellte Frage, wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen sollten in einer Gesellschaft, die im Idealfall (!) auch Gemeinschaft ist. Die Befürchtung, man würde sich auf ein unwürdiges Niveau herablassen und somit die allgemeine Qualität des politischen Diskurses besudeln. Ebenso Aspekte der Selbstachtung: Wer sind wir noch, wenn wir sind wie die?

„When they go low, we go high“ (Si apre in una nuova finestra), hatte Michelle Obama 2016 als Maxime geäußert im Umgang mit politischer Niveaulosigkeit. Wir begegnen auch den Respektlosen mit Respekt, so das Credo. Lasse dich niemals herab auf den Stil des Mobbers. Sei besser!

Durch ein beharrliches Hochhalten des Niveaus, so die Hoffnung, könne man auch Rechtspopulisten und Beleidiger wie Donald Trump wieder zivilisieren; und schließlich ihre Vulgaritäten gesellschaftlich deprogrammieren. Sie zurückkonvertieren lassen ins Reich des Anstands und der inhaltlichen Mäßigung.

Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass dies ein Trugschluss ist.

Anstand und Zivilität sind nur ansteckend, wenn man die Ansteckung zulässt. Wenn man bereit ist, den anderen als Menschen zu sehen, der eine anständige Behandlung verdient.

Trump und die AfD haben sich ebenso wenig gemäßigt wie ihre Wähler. Im Gegenteil. Sie haben sich radikalisiert! Egal wie „high“ das Gegenüber geht, nichts davon färbt auf den Angreifer ab. Anstand und Zivilität sind – im Gegensatz zum Schnupfen oder Corona – nämlich nur ansteckend, wenn man die Ansteckung zulässt. Wenn man bereit ist, den anderen als Menschen zu sehen, der eine anständige Behandlung verdient. Wenn man anerkennt, dass es Grenzen gibt, die man einhalten soll. Fehlt diese Einsicht, ist jede Höflichkeit nichts. Niveau ist keine Creme; deshalb zieht sie nicht von selbst ein.

Wer austeilt, muss auch einstecken.

Jenseits von Etikette, Anstand und Respekt gibt es auch die taktische Überlegung, sich in der Kritik rechtsextremer Weltanschauungen inhaltlich oder stilistisch zu mäßigen. Die Überlegung geht so: Man dürfe die AfD und ihre Wählerinnen aus strategischen Gründen nicht allzu sehr attackieren, weil die Rechten schlussendlich nur vom Gegenwind profitierten. Man stärke sie, indem man sie zum Opfer von Verbalattacken mache. Angriffe erzeugen Opfer und der Opferstatus erzeugt Sympathie (und Märtyrer).

Jede politische Bewegung ist verwundbar, auch die rechtsextreme

Die Wahrheit ist jedoch: „Je mehr ihr gegen uns seid, desto stärker sind wir“ (Si apre in una nuova finestra) ist bloß ein Empowerment-Versuch der Extremisten. Jede politische Bewegung ist verwundbar, auch die rechtsextreme. Dass die AfD nach den Demos gegen Rechts in den Umfragen gefallen ist, belegt das. Das Selbstaffirmations-Mantra und den Durchhalteparolen der Rechten darf man also nicht glauben. Das sind Tricks. Der Versuch, Kritik zum Schweigen zu bringen. Wer darauf hereinfällt, setzt sich den Maulkorb freiwillig auf.

Und: Der zivilisierte Teil der Zivilgesellschaft sollte nicht vergessen, wer mit der Verbalerosion angefangen hat. „Messermänner“, „Kopftuchmädchen“, „in Anatolien entsorgen“, „Vogelschiss“ – die Geschichte der rechtsnationalistischen Menschenfeindlichkeit, der NS-Verharmlosung und der offen geäußerten Zerstörungsfantasien seitens der AfD ist nicht nur lang. Sie übertrifft auch alles, was zurzeit auf den vergleichsweise harmlosen Demo-Schildchen steht. Und auch vieles, was Comic-Zeichner und Satiriker sich an AfD-Kritik leisten (dass Jan Böhmermann (Si apre in una nuova finestra) neulich, statt der „Nazikeule“ dazu aufrief, „lieber ein paar Nazis zu keulen“, fällt dann doch eher unter lauwarmes Wortspiel mit wenig Landgewinn und viel Fallhöhe).

Die Rechtsextremisten haben den demokratischen Gesellschaftsvertrag aufgekündigt, nicht wir. Und wir sollen uns noch höflich dafür bedanken?

Die Rechtsextremisten haben den demokratischen Gesellschaftsvertrag aufgekündigt, nicht wir. Sie haben ihn zerrissen, verbrannt und uns die Asche ins Gesicht gepustet. Und wir sollen uns noch höflich dafür bedanken?

Die demokratisch-progressive Fraktion befindet sich, gemessen an den jahrelangen Entgleisungen der Extremisten, immer noch auf der inhaltlichen Hochebene. Die anderen sind so „low“, das bisschen Kritik von links wird der Diskurs schon aushalten. Kein Grund also für Mäßigung und Selbstzensur.

Kurt Tucholsky hat den berühmten Satz gesagt: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ Man könnte, in Anbetracht dieses gesellschaftspolitischen Mäßigungsdiskurses, umdichten: In Deutschland gilt derjenige, der einen Neonazi „Nazi“ nennt, als gefährlicher als der Neonazi selbst. Und das ist ein großer Teil des Problems!

Bitte keine Komplettverrohung!

Ich plädiere für Folgendes: Wir dürfen nicht zurückschrecken vor inhaltlichen Härten, verbalen Spitzen, stilistischen Pointen. Klar: Sachkritik muss es geben, wo Sachkritik möglich und geboten ist. Doch auf einen groben Klotz gehört nach wie vor ein grober Keil. Wenn Rechtsextremisten von „Remigration“ faseln und damit Deportation meinen, dann ist das Neonazi-Schönsprech für Neonazimethoden. Und dann darf sich auch ein Vergleich mit der NSDAP nicht verbieten, denn Grausamkeit hinter Tarnsprache zu maskieren, hat genau hier ihren historischen Vorgänger. Der Jenaer Historiker Norbert Frei, renommierter Experte für die Weimarer Republik und NS-Zeit, sagte im Deutschlandfunk (Si apre in una nuova finestra):

Vergleiche zwischen NSDAP und AfD drängten sich geradezu auf.

(Si apre in una nuova finestra)

Gleichwohl gilt: Diskursziel sollte nicht die Komplettverrohung sein. Wenn ich dazu rate, unnötige Mäßigungsgebote im Umgang mit der AfD aufzugeben, heißt dies nicht, dass man gleich ins Gegenteil umschlagen sollte, in die totale Verbal-Eskalation. Aristoteles hat in seiner Nikomachischen Ethik die gute, richtige, angemessene Handlung als die inhaltliche Mitte zwischen zwei Extremen beschrieben. In Koprolalie zu verfallen ist ebenso wenig Antifaschismus wie höfliche Selbstzensur und schüchternes Schweigen.

Eine Ethik der hingehaltenen anderen Wange funktioniert nicht, wenn dein Gegenüber entschlossen ist, dich in die Ohnmacht zu prügeln. Also: dagegen gehen!

Wir sehen eine fortschreitende Verrohung der politischen Wirklichkeit – anders kann man Remigrationsforderungen und die nach wie vor bestehende Bereitschaft Millionen Deutscher, jene zu wählen, die sie aussprechen, nicht nennen. Angesichts dessen muss ein bürgerlicher Antifaschismus einen kritischen, bissigen, aber auch mittigen Ton treffen. Sachkritik gepaart mit Pointen und, ja, an der ein oder anderen Stelle auch: Ellenbogen raus.

Eine Ethik der hingehaltenen anderen Wange funktioniert nicht, wenn dein Gegenüber entschlossen ist, dich in die Ohnmacht zu prügeln. Also: dagegen gehen!

Mit Worten kämpfen statt mit Waffen

Die wehrhafte Demokratie ist per definitionem eine, die sich verteidigen kann. Diese Verteidigung muss – das ist ja gerade der Konsens der körperlichen Gewaltfreiheit; dass wir in einer Demokratie mit Worten kämpfen, nicht mit Waffen – effektiv sein und den Finger in die Wunde legen. Und, na klar: Es geht auch um Performativität. Gute Demoschilder gehen deshalb viral, weil sie einen Sachverhalt knapp und bündig auf den Punkt bringen.

Wir müssen AfD-Wählerinnen nicht zurückholen. Sie sind keine entlaufenen Haustiere. Sie sind erwachsene Menschen, die sich kraft ihrer demokratisch verliehenen Stimme bewusst dazu entscheiden, Rechtsextreme zu wählen – und so unser Gemeinwesen zu sabotieren.

In den Wahljahren 2024 und 2025 sind härtere Bandagen im Umgang mit der AfD aus moralischer wie aus demokratischer Sicht also vollkommen okay. Und aus strategischer Perspektive auch: Die so oft gehörte Formulierung, man dürfe AfD-Wähler nicht vergraulen, sondern müsse sie „zurückholen“, hat wenig inhaltlichen Wert. Wir müssen AfD-Wählerinnen nicht zurückholen. Sie sind keine entlaufenen Haustiere. Sie sind erwachsene Menschen, die sich kraft ihrer demokratisch verliehenen Stimme bewusst dazu entscheiden, Rechtsextreme zu wählen – und so unser Gemeinwesen zu sabotieren. Und exakt so muss man sie auch behandeln, betiteln und angreifen. Als Saboteure und Aggressoren.

Ein Großteil der AfD-Wähler lässt sich nicht, wie Friedrich Merz offenbar meint, durch inhaltliche Nachahmung von AfD-Sprech zurückhätscheln in den Schoß der bürgerlichen Mitte. Wer jetzt noch AfD wählt, weiß, was er tut und warum. Wer Rechtsextreme wählt, findet Rechtsextreme gut. Manchmal ist die politische Wirklichkeit auch einfach.

Radikalisierung in der Echokammer

Gleichwohl sollten wir nicht alle Brücken zur AfD und ihren Wählerinnen verbrennen. Ablehnung und vehemente inhaltliche Kritik ja – Ächtung und Vogelfreiheit nein. In der Dokumentation „Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten“ (Si apre in una nuova finestra) erzählen ehemalige Parteimitglieder eindrücklich davon, wie die rechtsextreme Partei ihre Mitglieder isoliert von der Außenwelt. Was schließlich zur Folge hat, dass man – sobald gemäßigte Weggefährten, Freunde und Verwandte keinen Kontakt mehr wollen – nur noch wenig zu verlieren hat. Wenig zu verlieren außer die Partei selbst, weswegen man sich abschottet von Kritik und auf Angriffe mit Konsolidierung reagiert. Weil man sonst ja niemanden mehr hat. Radikalisierung in der geschlossenen Echokammer.

Deshalb gilt im Umgang mit Polit-Extremisten das, was auch bei anderen Deradikalisierungsprozessen gilt. Abgrenzung und Kritik ja, aber im Fall der Fälle sollten wir Ausstiegswilligen eine helfende Hand reichen. Denn auch das gehört zum Grundversprechen der Demokratie. Die Möglichkeit, in die Mitte zurückzukehren.

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