GZ #4 Sie sind großartig. Und sie bleiben.
Gofigramm
Es kommt nicht gerade selten vor, dass sich jemand über den sächsischen Dialekt lustig macht. Er scheint dafür mehr Angriffsfläche zu bieten als z. B. das hessische Geblubber, bei dem die Konsonanten wie zufällig von den Lippen tropfen, oder das liebliche Gezischel in Schwaben. Aber neulich, da saß ich am Tisch bei einer Geburtstagsparty im Erzgebirge. Und irgendwann hörte ich den Dialekt nicht mehr. Es fiel mir erst auf, als er mir nicht mehr auffiel.
Ich hatte es eben mit großartigen Menschen zu tun, bei denen es völlig egal war, wie sie klangen. Max zum Beispiel erklärte mir, warum er strikt auf Alkohol verzichtete, während ich gerade mein zweites Bier öffnete. Und dann schilderte er mir seinen Alltag als CDU-Abgeordneter im Osten Deutschlands und von seinen Erfahrungen, wenn er von Tür zu Tür ging und Wahlkampf machte. Er erzählte, wie er vielen Leuten das Wahlsystem erst einmal erklären musste und welche Folgen ihre Entscheidungen hätten. Eigentlich, sagte ich zu ihm, ist das, was du machst, so eine Art politische Bildungsarbeit. Er hatte es bisher nicht so gesehen, aber er stimmte zu.
Ich fragte eine junge Frau, die mir gegenübersaß, ob sie gerne in ihrem Ort wohnte. Sie wackelte mit dem Kopf und sagte: Teils, teils. Ich fragte, ob sie die Landschaft nicht möge oder ob es ihr zu ruhig oder zu ländlich sei. Das nicht, sagte sie, aber die politische Stimmung in der Gesellschaft sei nicht so leicht zu ertragen.
Natürlich hatte ich die Banner und Plakate der Freien Sachsen auch gesehen, als die Dichterin Jasmin Brückner und ich quer durch das Erzgebirge unterwegs waren, auf dem Weg zu unserem nächsten Auftritt. Wir waren für ein paar Tage gemeinsam im Osten unterwegs, denn Jasmin ist gebürtige Erzgebirglerin und hatte uns Termine für unser Spoken Word Format POETRY TALK gebucht.
Die Menschen, die ich auf dieser Reise traf, waren, wie gesagt, großartig. Und sie gehen nicht weg. Im Gegenteil, mehrere, die ich traf, sind sogar wieder zurückgekommen oder haben das ganz fest vor. Deshalb war es überhaupt erst möglich, dass Jasmin und ich im Neuen Konsulat in Annaberg-Buchholz in einem kleinen, aber gemütlichen und vor allem dicht gefüllten Raum saßen, unsere Texte vortrugen und mit den Zuhörenden packende Gespräche führten.
Diese Leute gehen nicht weg. Egal, wie die Stimmung ist oder was der Rest Deutschlands in den Zeitungen liest. Und das ist ein gutes Gefühl, finde ich. Menschen, die nachdenken, sich nicht verarschen lassen und konstruktiv leben, gibt es noch immer überall. Zum Glück.
Ich wünsche Dir eine tolle Woche. Bis nächsten Montag!
Dein Gofi
Vielleicht ist es Dir schon aufgefallen: Es ist an diesem Montag keine neue Folge des Kunst-Podcasts ‘Cobains Erben’ erschienen! Das tut mir sehr leid. Technische Probleme sind daran schuld. In der vergangenen Woche ist mein Internet-Router abgeraucht. Bis ich den Fehler entdeckt und behoben hatte, war es einfach schon zu spät. Die nächste Folge wird wieder am nächsten Montag erscheinen. Jay und ich unterhalten uns mit dem Fotografen Jörg Steinmetz (Si apre in una nuova finestra), der u. a. Die Ärzte und Oasis fotografiert hat.
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Art2Go
Les Fleurs Du Mal
Les Fleurs Du Mal, Acryl auf Leinwand, 70 × 100 cm, 2024.
800 €
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Podcast
Hossa Talk #244: Mission? Geht‘s noch? (m. Claudia Währisch-Oblau)
Postkoloniale Perspektiven auf Mission und Evangelisation
HOSSA TALK beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Christsein in einer komplexen, widersprüchlichen und manchmal chaotischen Welt leben lässt – tiefgründig, witzig und hemmungslos ehrlich.
Über Mission zu reden, ist gar nicht so einfach. Die einen halten sie für ein übergriffiges Relikt aus kolonialen Zeiten, das es abzuschaffen gilt. Die anderen für den wichtigsten göttlichen Befehl, um Seelen vor der Hölle zu retten. In genau dieser Spannung setzt der aktuelle Talk an. Jay, Marco und Gofi unterhalten sich mit Claudia Währisch-Oblau. Sie ist Theologin und Leiterin der Abteilung Evangelisation der Vereinten Evangelischen Mission und hat gemeinsam mit 16 Mitautor*innen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten ein faszinierendes und diverses Buch zum Thema Mission geschrieben.
Gibt es eine postkoloniale Lesart der Bibel? Was bedeutet es, in einer Schuldgeschichte zu stehen? Und ist der sogenannte Missionsbefehl vielleicht überhaupt kein Befehl?
Ein spannender Talk, der den Blick weitet und zum Hinterfragen von Vorurteilen einlädt.
Micro Story der Woche
Carpe Diem
Denis hüpft auf seinen Knien durch das Wohnzimmer. Das Rummsen lässt die Gläser in der Wohnung, die sich unter der der Parsas befindet, klirren. Aber es ist dort niemand zu Hause. Denis weiß das nicht. Und wenn er es wüsste, wäre es ihm egal.
Auf dem Wohnzimmertisch liegen Stricknadeln. Sie gehören seiner Mutter Katja. Wozu man sie benutzt, weiß Denis nicht. Er würde es nicht verstehen, wenn man es ihm erklärte. Und wenn er es verstehen würde, wäre ihm auch das egal.
Carpe diem, hat sein Vater Sadiq gesagt, als er am Morgen die Wohnung verließ. Denis weiß nicht, was das bedeutet. Doch jetzt greift er nach den Nadeln und betrachtet sie neugierig. Sie sind spitz. Denis schaut sich um. Er entdeckt eine Steckdose, dicht über dem Fußboden. Die Nadeln passen dort perfekt hinein. Für jede gibt es ein Loch.
Er legt die Nadeln zurück auf den Tisch. Heute nicht. Vielleicht ein anderes Mal. Er greift nach einer Digitalkamera und betrachtet auf dem Display die Fotografie einer Satellitenschüssel, die er farblich verändert hat. Der Tag ist noch lang. Es gibt noch viel zu entdecken.
Danke für Dein Interesse an meiner Arbeit! Ich veröffentliche das GOFIZINE bewusst kostenlos für alle, weil ich möchte, dass jede/r Zugang zu guten Inhalten hat, unabhängig von Einkommen und finanziellen Möglichkeiten. Wenn Du mir dabei helfen könntest, wäre ich Dir sehr dankbar.
News
Zurzeit habe ich die Gelegenheit, meine aktuelle Ausstellung ‘Okay, ich lass Dich laufen’ (Si apre in una nuova finestra)in Alsfeld zu zeigen! Beim ‘1. Alsfelder Kellerwunder’ kann man Kunst und mehr unter Alsfelds Altstadt erleben, und meine Bilder sind mit dabei. Das Fest findet am 21./22. und 28./29. September statt. Meine Ausstellung findest Du im Gewölbe des Laternchens in der Obergasse 12.
Außerdem wird es bald einen Hossa Talk live online geben. Am 5. Oktober um 20h kannst Du Dich mit Jay, Marco und mir per Zoom treffen. Wir werden uns u. a. über das Thema ‚Blasphemie‘ unterhalten. Aber natürlich sind Deine Fragen, Kommentare und Themenvorschläge ebenfalls willkommen – so, wie sich das für einen Hossa Talk live gehört.
Für dieses Event gibt es Karten. Du kannst sie hier kaufen. (Si apre in una nuova finestra)