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"Und dann war Mama weg!"

Exklusiv: Nach Mord-Urteil gegen zwei  Brüder: 10-jährige Tochter der getöteten Maryam H.(34) berichtet vier Monate nach der Tat als Zeugin

„Sie war die beste Mutter der Welt“, sagt der 14-jährige Sohn Maryam H.´s  in seiner Videoaussage gegen seine beiden Onkel, die am 16. Februar 2023 zu Lebenslang verurteilt werden. Die 10-jährige Tochter der Getöteten sagt: " Sie waren richtig gemein zu meiner Mutter. Sie haben sie geschlagen und sie zum Weinen gebracht."

Im Juli 2021 wurde Maryam H. ermordet. Reichlich vier Monate nach der Tat werden ihre Kinder von einer Richterin vernommen. Die Vernehmung  wird im Prozess gegen die Brüder Haryam H.´s abgespielt.

Besonders bemerkenswert ist, wie erwachsen eine Kinderseele scheint, die mit dem mutmaßlichen Mord der Mutter leben muss. Mitgeschrieben, behutsam redigiert und erstmals außerhalb des Gerichtssaals veröffentlicht: die richterliche Vernehmung des Kindes, dass mit seinem älteren Bruder inzwischen wieder beim Vater lebt, den von Maryam H. 2018 muslimisch und nach deutschem Recht geschiedenen Ehemann, der in Berlin lebt.

Kurze Erläuterung vorab:

Im Jahr 2021 gab es 143.604 (- 3,0 %) Opfer von Gewalt in Partnerschaften, berichtet das LKA im November 2022 aus der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). 80,3 % der Opfer waren weiblich (115.342) und 19,7 % männlich (28.262).

18,3 % aller in der PKS erfassten Opfer sind Opfer von Gewalt in Partnerschaften - in 39,6 % ehemalige Partnerinnen und Partner, ein knappes Drittel Ehepartnerinnen und Ehepartner, etwas weniger Partnerinnen und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

Tatverdächtige sind danach weit überwiegend Männer (78,8 %).

Vor allem jenseits der wochentäglichen Sonntagsreden, wie Opfer vor Täter*innen éndlich wirksam geschützt werden sollen, ist eine der vielen Fragen, die sich nach wie vor stellen nach dem Lesen der Aussage des 10-jährigen Mädchens, das seine Mutter mutmaßlich durch die Gewalt ihrer Onkel verlor:

1. Wann werden potenzielle Opfer wirksamer geschützt?

2. Könnten Opfer von Gewalt in Partnerschaften überhaupt besser ihre grundgesetzlich geschützten Rechte wahrnehmen in unserem demokratischen Rechtssaat?

3. Hat unser Rechtsstaat ein Interesse daran, die potenziellen Opfer einen besser wirksamen Schutz durchzusetzen mit seinem Gewaltmonopol und einer Fülle von präventiven Möglichkeiten, auch die Täter*innen betreffend?

Dazu auch der in Kürze erscheinende neue Podcast von Gerichtsreporter Morling im Kriminalgericht Moabit: Ein Gespräch mit der Vorsitzenden des Vereins "Frauen für Freiheit e.V.", Rebecca Schönenbach.

Richterliche Vernehmung der 10-jährigen Tochter des Opfers am 23.11.2021

Richterin:In welche Klasse gehst Du?

Zeugin:Fünfte.

Richterin:Und hast Du ein Lieblingsfach?

Zeugin:Sport und Kunst

Richterin:Sport und Kunst? Sehr gut! Du weißt bestimmt, worüber wir heute reden wollen? Es geht um Deine Onkel, wie sie sich Dir, deiner Mutter und deinem Bruder gegenüber verhalten haben. Als Richterin muss ich herausfinden, ob etwas passiert ist, ob jemand bestraft werden muss - zum Beispiel deine Onkel.

Zeugin: Ja.

Richterin: Es ist es ganz wichtig, dass Du mir alles erzählst, woran Du dich erinnerst! Willst Du mit mir reden oder lieber nicht?

Zeugin: Reden!

Richterin: Gut. Dann erzähl einmal alles, was Dir einfällt: zu deinen Onkeln, wie sie zu Deiner Mutter waren, wie das Verhältnis war zwischen euch. Du kannst jetzt alles erzählen, was Dir einfällt!

Zeugin: Sie waren richtig gemein zu meiner Mutter. Sie haben sie geschlagen und sie zum Weinen gebracht. Sie haben meine Mutter unter Druck gesetzt, egal, wo sie war, sie haben sie jeden Moment angerufen. Sie sind jede Woche gekommen, obwohl wir das nicht wollten…Manchmal kamen sie sogar, wenn wir Schule hatten. Er hat mich sehr doll geschlagen, er hat mich an meinen Haaren gezogen und mich geschubst und geschlagen. Oder er hat mir Schellen gegeben. Immer, wenn ich da war, musste ich für ihn Tee kochen. Ich musste alles tun, er hat mich nicht einmal eine Minute ausruhen lassen. Ich durfte meine Hausaufgaben nicht machen. Das Einzige, was ich machen durfte ist, das Haus sauber zu machen, Essen und Tee für sie zu machen. Die haben mir sehr doll Angst gemacht: ___STEADY_PAYWALL___die haben mich geschlagen, meinen Bruder - und er hat meine Mutter geschlagen. Mahdi hat meiner Mama zweimal eine Schelle gegeben, Yousuf ist auf meine Mutter schon einmal zugerannt und wollte sie schlagen. Meine Mama hat geschrien und er hat gesagt: „Schrei nicht!". Meiner Mutter haben sie richtig doll Angst gemacht… Meine Mutter hatte einmal über meinen Onkel geredet und meinen Onkeln hat es nicht gefallen.. Mahdi hat ihr an diesem Tag auch einmal eine Schelle gegeben, obwohl sie nichts falsch gemacht hatte. Immer, wenn er gekommen ist, hat er mein Handy, das meines Bruders und meiner Mutter durchsucht. Es ging darum, was sie macht. Er wollte wissen, wo ihr Geld ist. Manchmal hat er Geld von ihrem Handy zu seinem geschickt. Nur das fällt mir ein.

Richterin: Du hast gesagt, „er“ hat geschlagen und geschubst, wen meinst Du mit „er"?

Zeugin: Beide haben es gemacht, aber mehr Mahdi. Seit Yousuf da war, war er so richtig frech. Wo Yousuf gekommen ist, war er dann auf einmal ganz anders. Er war ein ganz anders Mensch. Denn der hat eigentlich sich nicht getraut, uns zu schlagen.

Richterin: Wann ist Yousuf denn gekommen?

Zeugin: Da erinnere ich mich nicht, aber das ist schon vor zwei oder drei Jahren gewesen. Der ist sogar bei uns eingezogen, obwohl wir das nicht wollten.

Richterin: Wie lange hat er dann bei Euch gewohnt?.

Zeugin: Zwei oder drei Monate.

Richterin: Wie war das, als er da gewohnt hat?

Zeugin: Sehr schlecht. Wenn ich zur Schule ging, musste ich danach für ihn einkaufen, Essen kochen und so. Mama hatte viel zu tun, und dann musste ich das alles machen. Er wollte mich zwingen, dass ich das Kopftuch anziehe, obwohl ich es nicht wollte.

Richterin: Wer ist „er"?

Zeugin: Yousuf

Richterin: Okay. Du hast gesagt, dass er Dich an den Haaren gezogen hat?

Zeugin: Hmhm.

Richterin: Mahdi oder Yousuf?

Zeugin: Das haben beide gemacht. Mahdi hat mir zwei Schellen gegeben, an meinen Haaren von hinten gezogen und dann hat er mich doll weggeschmissen und ich bin auf den Boden gefallen und habe geweint.

Richterin: Du hast gesagt, dass Du auch geschlagen wurdest?

Zeugin: Hmhm.

Richterin: Kannst Du mir beschreiben, wie? Mit der flachen Hand? Oder mit der Faust?

Zeugin: Mit der flachen Hand, aber meine Mutter wurde auch schon mit der Faust geschlagen.

Richterin: Mahdi hatte Dir zwei Schellen gegeben…

Zeugin: Ja, und Yousuf ist zu meiner Mutter gerannt und hat sie auch schon mal geschlagen, Yousuf und Mahdi waren auf derselben Seite, sie waren nie auf der Seite meiner Mutter gewesen. Immer hat meine Mutter alles falsch gemacht, sie konnte nichts Richtiges für die machen. Immer, wenn meine Onkel gekommen sind, hat sie 100 Euro ausgegeben. Sie aßen gern Fleisch und sie hat immer das Beste gekauft, auch wenn sie nicht so viel Geld hat. Aber das hat denen überhaupt nicht genügt. Die waren jede Woche bei uns.

Richterin: Und haben die irgend etwas gesagt, wenn sie euch geschlagen haben?

Zeugin: „Macht das nie wieder" oder „Wie kannst Du es wagen"…

Richterin: Was hattet ihr da gemacht? Oder: was solltet  ihr gemacht haben?

Zeugin: Es war unterschiedlich. Wenn ich zum Beispiel nicht Tee gemacht hatte, dann sind sie wütend geworden. Warum? Damals durfte ich nicht Speisen essen, die mit Milch zubereitet waren, weil sie beide Magenprobleme hatten, wie mir meine Mama erzählt hatte. Sie waren neidisch und haben mir auch verboten, Milch zu trinken. Eine Woche, bevor meine Mutter verschwand,  haben sie uns dann alle gemessen.

Richterin: Gemessen?

Zeugin: Den Grund hat er uns nicht gesagt, er hat nur immer mit meiner Mutter telefoniert.

Richterin: Okay.

Zeugin: Und am Telefon war er so richtig nett. Ich hab mich sowas von drauf gefreut, dass er kommt, aber als er da war, war er so anders…

Richterin: …Wenn Du sagst, dass er (Yousuf) vor zwei drei Jahren kam: Hat er dann länger bei euch gewohnt? Oder fing er damals an, euch regelmäßig zu besuchen?

Zeugin: Er hat zuerst bei uns gelebt, als er mit seinem Koffer kam. Dann haben wir gesagt, es geht nicht so weiter und meine Mama hat ihm Geld gegeben, damit er für sich ein Hotel mietet. Ja und nach ein paar Tagen ist er wieder eingezogen.

Richterin: Aber wohnt Yousuf nicht in Bayern?

Zeugin: Er wohnt in Bayern… Einmal kam er mitten in der Nacht und erzählte, dass er ein Kind hat…

Richterin: Also unter der Woche war er in Bayern und am Wochenende bei euch?

Zeugin: Ja, jedes Wochenende… Wenn Ferien waren, hab ich mich darauf gefreut, aber wo die gekommen sind, hab ich mich überhaupt nicht drauf gefreut! Ich habe mir sogar gewünscht, dass die Schule länger ist und es nicht Samstag oder Sonntag wäre.

Richterin: Dann hattest Du erzählt, dass Du ein Kopftuch tragen solltest? Hast Du schon einmal Kopftuch getragen?

Zeugin: Ja, einmal.  Ich wollte gucken, wie es bei mir aussieht. Ich hatte das Zimmer sauber zu machen, da habe ich das Kopftuch meiner Mutter gesehen. Ich habe es kurz umgebunden und dann wieder abgemacht.  Dann wollten die, das ich das Kopftuch trage… Ich glaube,  da war ich acht oder neun, als er wollte, dass ich Kopftuch trage. Und außerdem wusste er nicht, dass ich zehn bin. Meine Mama hatte es ihm verheimlicht, sonst hätte ich noch früher Kopftuch tragen müssen. Für die war ich neun!

Richterin: Warum wolltest Du kein Kopftuch tragen?

Zeugin: Weil es mir nicht gefällt! Ich will auch nicht irgendwann so lange Sachen… ich möchte meine Haare sehen. Ich möchte das ab jetzt immer so machen, um das Gegenteil von dem zu tun, was sie mir gesagt haben, denn ich jetzt wütend auf sie bin.

Richterin: Wie haben sie reagiert, als Du sagtest, dass Du kein Kopftuch tragen willst?

Zeugin: Ich habe es nicht vor denen gesagt, ich habe es einfach abgenommen. Meine Mama hat ihnen gesagt: Warum sollte meine Tochter Kopftuch tragen? Sie ist mein Fleisch und Blut und ich entscheide, was sie trägt oder nicht! Und außerdem will sie nicht Kopftuch tragen... Und dann hat mein Onkel gesagt: Du entscheidest garnix!

Richterin: Warst Du denn dabei, als sie das besprachen?

Zeugin: Ja. Oder wenn mein Bruder mit Mahdi gespielt hat. Ich will ihn jetzt nicht beleidigen, aber er war sowas von ein Dummkopf! Sie haben gespielt und er wollte nicht zugeben, dass er dabei schlechter als mein Bruder war. Da hat er Eltaf geschlagen. „Ich hab doch gesagt, Du sollst nicht auf dem Bauch liegen!“ Er hatte so komische Gründe gefunden, nur wegen des Spielens. Jeden Tag hatte er bis morgens gezockt, wenn er bei uns war. Wir waren für sie Diener. Wir mussten für die alles tun. Yousuf hat sich hingelegt, hat einen Film geguckt. Mahdi hat sich hingelegt oder gezockt. Eltaf durfte nicht mit seiner Playstation Vier spielen, weil Mahdi die ganze Zeit darauf gezockt hat.

Richterin: Aber Deine Mama hat ein Kopftuch getragen, oder?

Zeugin: Hmhm. Das hat sie freiwillig getragen.

Richterin: Habt ihr euch einmal darüber unterhalten, warum sie das trägt?

Zeugin: Darüber unterhalten? Ja, ich habe sie einmal gefragt, ob sie Kopftuch tragen möchte! Sie sagte: „Ich möchte das tragen". Und ich fragte: „Sicher?" und sie antwortete „Ja". Einmal wollten mein Bruder und ich meine Mama überzeugen, dass sie zur Polizei geht wegen des Schlagens und so, aber sie sagte: „Nein, das sind meine Brüder, das kann ich nicht machen!". Das kapier ich nicht, warum sie das nicht gemacht hat, die waren doch so gemein zu ihr! Aber sie hat ihre Brüder trotzdem geliebt.

Richterin: Du hast gesagt, dass sie (Yousuf und Mahdi) eure Handys durchsucht haben?

Zeugin: Ja. Er wollte gucken, was wir so machen. Er hat überall geguckt und mir hat er „TikTok“ verboten. Weil er dachte, dass ich Videos zum Beispiel hochlade. So etwas hat er mir nicht erlaubt, auch Instagram und so, obwohl ich das nicht einmal hatte. „Nein, du darfst nicht und so". haben sie immer gesagt. Sie haben in unsere Whatsapp geguckt, ob wir (Eltaf und Zahra)mit meiner Mutter geschrieben haben und sie vielleicht von Hause weg war und wir dann fragten: „Wo bist du?" und so. Sie haben mein Whatsapp die ganze Zeit durchsucht.

Richterin: Weißt Du, wonach sie gesucht haben?

Zeugin: Ich glaube, sie haben nach Beweisen gesucht, dass meine Mutter eine schlechte Frau ist, dass sie mit Männern ausgeht oder kein Kopftuch trägt. Aber man sagt ja, wenn jemand soetwas denkt, ist er bestimmt selbst ein schlechter Mensch. Er (Yousuf) hatte sogar eine Frau, die kein Kopftuch trägt und … dann erwartet er, dass ich ein Kopftuch trage! Meine Mutter wollte eigentlich immer zu meinem Onkel sagen: „Beweise mir zuerst, dass sie ein Kopftuch trägt und sage erst dann Zahra, was sie anziehen sollte!“ Aber wir haben uns nie getraut, es ihm zu sagen.

Richterin: Weißt Du, ob Deine Mutter einen Freund hatte?

Zeugin: Ähm, meine Mutter?

Richterin: Hmhm.

Zeugin: Ähm, meine Mutter? Also hmhm, sie hat Farrokh als Freund. Aber das hat sie vor meinen Onkeln verheimlicht. Sie wollte eigentlich eine Wohnung mieten und mit uns dort leben… Aber dann ist sie nicht mehr zurückgekommen. Und mein Onkel Yousuf war ein bisschen seltsam, nachdem sie verschwunden war.

Richterin: Wann hat deine Mama Dir denn erzählt, dass Yousuf eine Wohnung gefunden hat?

Zeugin: Sie hatte mir gesagt: „Ich gehe eine Wohnung ansehen, willst Du mitkommen?“ Ich hab dann gesagt „Ja! Dann bin ich an dem Tag leider eingeschlafen, denn ich war zu müde und dann, ja, da war sie schon weg…

Richterin: Was war mit dem Farrokh (mutmaßlich letzter Freund von Maryam H. bis zu ihrem Tod)? Weißt Du, ob die zusammen waren oder waren deine Mutter und er nur befreundet?

Zeugin: Ich glaub, die waren zusammen.

Richterin: Weißt Du, wie lange schon?

Zeugin: Als ich 5 war, hab ich Farrokh zum ersten Mal gesehen. Sie kennen sich seit 5 Jahren und ich glaube, seit 4 Jahren sind sie zusammen.

Richterin: Und deine Mutter hat das verheimlicht?

Zeugin: Ja.

Richterin: Weißt Du, ob sie heiraten wollten?

Zeugin: Die hatten schon etwas gemacht, dass man in unserem Land „Akt" nennt.

Richterin: Akt?

Zeugin: Ja, das ist eine „Ehe auf Zeit“.

Richterin: Weißt Du, wann sie die Zeitehe geschlossen haben?

Zeugin: Nein, leider nicht.

Richterin: Hast Du einmal mitbekommen, dass sich deine Mutter mit deinen Onkeln über Farrokh unterhalten hat?

Zeugin: Nein, meine Mama hat ihnen nie von ihm erzählt. Ähm, apropos: im Hotel „President“ waren einmal meine Mama ( in der ´Flüchtlingsunterkunft hatten Maryam H. und ihre beiden Kinder ein Zimmer) und Farrokh und sie hielten Farrokh ein Messer an den Hals.

Richterin: Wer?

Zeugin: Ähm, das hat Jamal (29-jähriger Bruder von Maryam, Mahdi, Yousuf, der eine mehrjährige Strafe verbüßte und im Oktober 2022 in der Haft vermutlich Suizid beging)gemacht, glaube ich. Und Yousuf hat den Mund meiner Mutter Mund zugehalten.

Richterin: Warst Du da dabei?

Zeugin: Nein. Meine Mutter hat es Eltaf erzählt und sie dachten, ich schlafe. Aber ich war wach und hab nur so getan. Da habe ich gehört, wie sie darüber geredet haben, was meine Onkel gemacht haben…

Richterin: Hast Du noch etwas davon mitbekommen?

Zeugin: Davon nicht. Aber sie haben Farrokh geschlagen. Und verprügelt.

Richterin: Wer war noch dabei? Ich habe jetzt Jamal und Yousuf?

Zeugin: Und Mahdi war dabei. Weil sie dachten, dass meine Mutter vielleicht etwas mit Farrokh hat.

Richterin: Aber ihr habt nicht drüber gesprochen? Oder sie haben auch nichts davon gesagt?

Zeugin: Das hat Mama so erzählt

Richterin: Okay. Dann hast Du gesagt, dass Yousuf ein bisschen komisch war, nachdem deine Mutter verschwunden war . Kannst Du mir das ein bisschen beschreiben?

Zeugin: Mahdi kam zu uns und sagte, er wolle zum Arzt. Er sah, dass meine Mutter nicht da ist. Wir haben gelogen und gesagt, dass unsere Mutter mit ihrer Freundin Farsan einkaufen gegangen ist. Er hat sich aber nicht so viele Sorgen gemacht. Meine Onkel waren so beruhigt normal. Sie haben sich nicht aufgeregt oder waren nicht wütend auf uns. Die haben nur gesagt: „Hättet ihr uns nur gesagt, dass eure Mutter nicht da ist“ Also diese Reaktion hatten wir nicht erwartet von denen…

Richterin: Was hat Mahdi denn gesägt, als er nach drei Tagen auftauchte?

Zeugin: Nix, er hat nur gesagt: Wo ist eure Mutter?"… Dann hat er Yousuf angerufen. Dann hat Farrokh angerufen und gesagt, dass er die Polizei anrufe. Sie haben gesagt: „Nein, ruf nicht die Polizei an. Wir klären das alle zusammen“ und so . Farrokh hat trotzdem die Polizei anrufen wollen. Yousuf hat gesagt, dass er das machen solle.

Richterin: Yousuf hat gesagt „Ruf die Polizei an!"?

Zeugin: Weil Farrokh die ganze Zeit gesagt hat, dass er die Polizei anrufe! Bis bis dahin war Mahdi die ganze Zeit bei uns.

Richterin: Und Yousuf ist auch noch einmal vorbei gekommen?

Zeugin: Yousuf hat uns nicht mehr sehen, weil wir dann abgeholt wurden. Aber er hat Mahdi und uns (Eltaf und Zahra) dazu gebracht, dass wir Verdacht auf Farsan haben, die freundin meiner Mutter.

Richterin: Was meinst Du damit?

Zeugin: Er hat die ganze Zeit gesagt: „Guckt mal, überleg mal: Ihr, deine Mutter hatte doch Streit mit Farsan! Und ich habe ihnen geglaubt. Und dann habe ich das alles so auch der Polizei erzählt, als wir bei der Polizei waren.

Richterin: Hast Du einmal gesehen, dass deine Mutter Verletzungen hatte? Gabs da mal irgendwas?

Zeugin: Ja, sie hatte Verletzungen am Fuß und sie hatte am Fuß und an Schultern so Flecke, lila Flecke. Ich glaube, dass haben meine Onkels gemacht.

Richterin: Hast Du deine Mutter darauf angesprochen?

Zeugin: Doch, aber sie hat uns das nicht gesagt. Meine Onkel hat sie ja öfter geschlagen. Deswegen bin ich mir eigentlich sicher, dass sie es waren.

Richterin: Kennst Du eine Soraya?

Zeugin: Sie hat meine Mutter einmal dazu gebracht, ein Video zu machen. Sie hatte meiner Mutter gesagt"Komm, lass uns einmal in die Diskothek gehen!“. Dort hatte Soraya ein Video aufgenommen und dann hat sie gesagt: „Gib mir Eintausend" oder „Gib mir Dein Geld!" oder „Gib mir sehr viel Geld" Ich weiß nicht, wieviel Geld und sie sagte „Sonst schicke ich das Video deinen Brüdern". Sie bekam dann Angst und gab ihr Geld. Ich bin mir aber nicht sicher.

Richterin: Und woher weißt Du das alles?

Zeugin: Von meiner Mutter selbst. Wir hatten meine Mutter gefragt und sie hat davon erzählt. Ich war in der Nacht noch wach, als sie den Fernseher weggeschoben hatte und unter dem Teppich Geldscheine hervorholte. Ich hatte sie dann am Morgen gefragt, warum sie das Geld genommen hat. Da hatte sie es uns erzählt.

Richterin: Und was hat sie noch erzählt? Warum sie das Geld eigentlich hat? Hat sie das auch erzählt?

Zeugin: Sie hat immer etwas gespart, wenn wir monatlich Geld bekamen. Wir haben extra eine Liste gemacht, wieviel wir für Essen ausgeben, für Klamotten und so weiter.

Richterin: Aber hatte sie gesagt, dass es für Soraya war?

Zeugin: Ja.

Richterin: Okay. Wann ist deine Mutter immer so nach Hause gekommen?

Zeugin: Um 19.00 Uhr spätestens. Sie hat uns immer angerufen, auch wenn sie nur fünf Minuten Verspätung hatte, damit wir uns keine Sorgen machten. Deshalb war es auch an dem Tag ein bisschen merkwürdig, als meine Mutter plötzlich nicht mehr kam. Meine Mama hatte gesagt, dass sie uns kein Mittag gemacht habe, weil sie mittags wiederkomme, da würde sie uns noch etwas kochen.  Sie ist mittags aber nicht gekommen.

Richterin: Nur damit ich es nochmal richtig verstehe: Was hat sie gesagt, als sie losgegangen ist an dem Tag als sie verschwunden ist? Wo wollte sie denn hin?

Zeugin: Sie wollte zu meinem Onkel gehen. Mein Onkel hatte angerufen. Das letzte Wort, was ich von ihm gehört hatte an den Abend war „Wo bist Du? Ich bin da!"

Richterin: Weißt Du noch, welcher Onkel das war?

Zeugin: Ja, das war Yousuf. Meine Mama hat dann gesagt: „Ja, ich komme! Und dann war meine Mama weg.“

Richterin: Deine Eltern haben sich ja scheiden lassen, nicht?

Zeugin: Ich glaub, das war 2018 oder so,2018 wars

Richterin: Weißt Du noch, wie Deine Onkel darauf reagiert haben?

Zeugin: Da war Yousuf noch nicht da, glaube ich zumindest, deswegen konnte er nicht darauf reagieren. Wenn er reagiert hätte, hätte er mit meiner Mutter telefoniert. Ich war nicht dabei.

Richterin: Als Du das erste Mal bei der Polizei warst wurdest Du ja gefragt, zu wem Du jetzt gerne möchtest.

Zeugin: Hmhm.

Richterin: Und da hattest Du gesagt, nicht zu deinem Vater, sondern lieber zu Yousuf nach Bayern. Kannst Du Dich daran noch erinnern?

Zeugin: Ja, weil er uns gesagt hat: „Komm zu uns! Sag denen, dass ihr zu uns kommen sollt, damit die es verstehen. Wir wussten ja auch nicht, dass er so etwas getan hat. Also haben wir auf ihn gehört, weil er aus unserer Familie war. Wir haben ihm vertraut.

Richterin: Dann hattest Du vorhin etwas von „Hausaufgaben“ erzählt?

Zeugin: Ach so. Ich durfte bei denen (Yousuf und Mahdi) nicht einmal Hausaufgaben machen. Ich durfte bei denen nichts außer Hausarbeiten machen.

Richterin: Wie haben die denn reagiert, wenn Du Hausaufgaben gemacht hast?

Zeugin: Als sie einmal bei uns waren habe ich einmal erklärt, dass ich am Montag wieder

Schule habe und die Hausaufgaben brauche. Aber er hat mir nicht zugehört, er sagte: „Nee,

mach jetzt, räum deine Sachen auf!" Und ich sag Dir mal noch etwas: Irgendwie hatte ich das

Gefühl, dass Mahdi so ein Auge auf mich geworfen hatte, denn es war so, dass er mich angeguckt hat. Meine Mama hatte das bemerkt, auch wenn er mich gesehen hatte,

dann hat er mich irgendwie komisch an der Wange geküsst. Und er hat mich, wenn er mich umarmt hat, hier vorne gefühlt, das wollte ich nicht und er hat mich dann extra so vorne gedrückt.

Und ich hab dann so Angst bekommen, dass meine Mama gesagt hat, dass ich extra lange T-Shirts anziehen soll, damit man die Konturen meines Körpers nicht so gut sehen kann und lange Hosen, weil ich sonst Angst hatte. Ich setzte mich nicht mehr neben ihn. Als ich einmal aus Versehen meine Füße hochstellte, hat er sie so komisch angestarrt, dass meine Mutter schnell meine Füße herunter getan hat und zu mir sagte: „Komm, Du kannst mir beim Kochen helfen!“ Und wenn er mich geküsst hat, war er immer mit seiner Zunge auf meine Wange, als wenn er leckt. Er war richtig komisch, ich hab das alles meiner Mama erzählt. Meine Mama hat gesagt, dass er mich nicht mehr küssen darf. Er sagte: "Hey, darf ich nicht meine Enkelin küssen?"

Richterin: Du hast bei der Polizei gesagt am 10. August 2021 in der Vernehmung... dass es mit der Wohnungsbesichtigung nur ein Vorwand gewesen sein soll?

Zeugin: Ich hab das gesagt, weil ich dachte, dass das bestimmt nur eine Ausrede war, damit sie meine Mutter alleine irgendwohin locken können.

Richterin; Wie kommst Du darauf?

Zeugin: Als ich wusste, dass sie gestorben ist, war mir klar, dase er keine Wohnung zu  so einem geringen Preis hatte finden können!... Er hat sich eigentlich nie dafür interessiert, für meine Mutter etwas. Er hat sich lieber bei seinen Problemen geholfen, als bei denen meiner Mutter. Jamal (Bruder der Angeklagten, der in Haft starb) war auch so ein Ekelhafter. Ich habe das irgendwann einmal meiner Mutter erzählt: Er hat mich auf die Lippen geküsst - also irgendwie komisch. Er wollte die ganze Zeit, wenn mein Bruder gegangen war, dass ich auf seinem Schoß sitze und er hat mich so komisch angefasst. Das habe ich dann meine Mama erzählt und meine Mama hat dann Yousuf und Jamal aus den Haus geworfen. Wo meine Mutter es Yousuf erzählt hat, hat Yousuf es nicht geglaubt. Er wollte nicht zugeben, dass er wie sein Bruder ist.. Entweder war es in dieser Nacht oder der nächsten, da hat Jamal jemand abgestochen. Er hat Bier getrunken und dann wurde er in ein Knast gelandet.

Richterin: Hast Du mit Deiner Mutter mal darüber gesprochen, warum Jamal das mit dem Abgestechen gemacht hat?

Zeugin: Ich habe sie gefragt, aber sie wusste es auch nicht. Meine Mutter ist wütend auf ihn und rief ihn an: „Komm nie wieder in mein Haus!" Jamal hatte ein Auge auf meine Mutter geworfen und sie gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein möchte…

Richterin: Okay, was meinst Du mit Auge auf Deine Mutter geworfen?

Zeugin: Er hat sie komisch angestarrt. Meine Mutter hat Angst bekommen, sie wollte nicht,

dass wir sie alleine lassen. Es waren irgendwie keine normalen Blicke, sie waren ekelhaftige Blicke, die er auf meine Mutter warf.

Richterin: Wie war denn Deine Mutter so?

Zeugin: Hmmm... für mich war sie nett zu meinen Onkeln, zu  mir und uns. Sie war hilfsbereit und sie hat immer für uns gekocht, was wir wollten, ging einkaufen. Immer wenn ich etwas wollte, hab ich sie gefragt und dann hat sie „ja“ gesagt. So war sie für mich.

Richterin: Lass uns nochmal über die Zeitehe reden. Du hattest ja schon erzählt, dass Deine Mama so eine Zeitehe hatte. Hast Du mit ihr einmal darüber gesprochen oder hast Du irgendetwas mitbekommen,dass sie auch eine richtige Hochzeit geplant haben?

Zeugin: Ich glaube, die hatten auch eine richtige Hochzeit vorgeplant, aber erst nachdem sie die Wohnung gehabt hätten…

Richterin: Hast Du mit deiner Mama mal drüber gesprochen?

Zeugin: Nein.

Richterin: Also es ist eher so eine Vermutung, dass sie richtig heiraten wollten?

Zeugin: Ja.

Richterin: Hast Du mitbekommen, dass deine Mutter mit deinen Onkeln über die Zeitehe oder eine richtige Hochzeit einmal gesprochen hat?

Zeugin: Nein.

Richterin: Und wie war das so allgemein mit anderen Männern? Gab es da Kontakt, haben deine Onkel irgendetwas zu Kontakten mit anderen Männern gesagt?

Zeugin: Meine Onkel haben gesagt: „Du darfst einen Mann heiraten, aber Du darfst nicht mit einem befreundet sein.“ Ich glaube, das war eine Lüge, damit meine Mutter es ihnen sagt, mit

wem sie zusammen ist. Meine Mama hat gesagt: „Warum darf ich keine Männer sehen?“

Richterin: Also deine Mutter hätte jemanden heiraten können, aber sollte keine Freundschaften haben?

Zeugin: Ja.

Richterin:

Haben die noch mehr gesagt dazu?

Zeugin:

Nein nur das.

Richterin: Kannst Du dich daran erinnern, dass deine Mama einmal öfter oder länger weg

war? So eine Nacht oder mehrere Nächte?

Zeugin: Meine Mama? Nein, sie ist öfter immer bei uns geblieben.

Richterin: War sie mal eine Nacht weg?

Zeugin: Eine Nacht war sie nicht weg. Sie hat uns nie alleine gelassen.

Richterin:

Weißt Du, ob Deine Mama mal im Krankenhaus war?

Zeugin: Sie war einmal im Krankenhaus. Sie hatte einen Unfall.

Richterin: Einen Unfall?

Zeugin: Ja. Aber es war nichts Schlimmes. Ihr ging es gut.

Richterin: Weißt Du, wann das war?

Zeugin: An diesen Tag kann ich mich nicht erinnern.

Richterin: Ist das schon länger her oder war das im letzten Jahr? Oder war das in diesem Jahr, oder ist es noch länger her?

Zeugin: Ich glaube, es war in diesem Jahr. Nein, das war letztes Jahr!

Richterin: Weißt Du, was das für ein Unfall war?

Zeugin: Ein Autounfall.

Richterin: Und weißt Du noch, wie lange sie da im Krankenhaus im war?

Zeugin: Sie war zweimal im Krankenhaus… Einmal, weil meine Onkel sie den ganzen Tag unter Druck gesetzt hatten im Hotel „President“. Nachts wurde sie so nervös und ist auf einmal umgefallen und ohnmächtig geworden. Dann haben wir den Krankenwagen gerufen und sie kam ins Krankenhaus… Die Ärzte haben gesagt, dass sehr viele Dings psychisch seien, sie also Gehirnprobleme haben. Sie mache sich zu viel Druck und so. Dann hat sie Medikamente bekommen.

Richterin: Sie war also zweimal im Krankenhaus, einmal wegen des Unfalls - und einmal weil sie umgefallen ist?

Zeugin: Ja…

Richterin: Und woher weißt Du, warum sie umgefallen ist? Habt ihr einmal darüber gesprochen?

Zeugin: Nein, weil ich dabei war an den Tag. Meine Onkel haben mit meiner Mutter gesprochen und wir wurden dann kurz rausgeschickt. Als wir dann wieder reinkamen, habe ich sie gefragt, was meine Onkel gesagt hätten. Sie hat gesagt, dass sie über das Thema geredet hätten, dass sie keinen Freund haben darf. Soe sollen gesagt haben:“Wenn ich Dich erwische, dass Du einen Freund hast, dann werde ich mich … „ Ja, sie so bedroht!“

Richterin: Deine Onkel haben deine Mama bedroht?

Zeugin: Ja!

Richterin: War das bevor sie umgekippt ist oder danach?

Zeugin: Bevor sie umgekippt ist, das ist dann am Abend passiert.

Richterin: War sie dann eine Nacht im Krankenhaus und hat dort geschlafen?

Zeugin: Ja. Wir sind dann zu ihrer Freundin und haben bei ihr geschlafen mit den drei Kindern. Sie wohnt ja imselben Heim.

Richterin: Weißt Du, wieviele Nächte?

Zeugin: Nur eine Nacht war sie weg.

Richterin: Und als sie den Autounfall hatte? War sie da auch eine Nacht im Krankenhaus?

Zeugin: Ich glaub schon, ich bin mir nicht sicher...

Richterin: Ist nicht schlimm, wenn Du das nicht mehr weißt, ist alles gut.

Zeugin: Hmhm. Aber ich glaube, dass war nur eine Nacht. Mehr als eine Nacht hab ich sie

sonst nie nicht gesehen. Sie war mal eine Nacht im Krankenhaus und kam morgens oder mittags glaube ich, zurück.

Richterin: Du hattest ja gesagt, dass deine Onkel ihr gedroht hätten. Kannst Du mir nochmal sagen, was sie da genau gesagt haben? Hast Du das gehört?

Zeugin: Nein, ich habe nichts gehört, sie hatte es mir erzählt.

Richterin: Ach so!

Zeugin: Sehr viel hat sie mir nicht davon erzählt. Ich weiß nicht wieso, aber sie hatte mir nur

gesagt, dass meine Onkel zu ihr gesagt hätten, dass sie, wenn sie meine Mutter mit einen Jungen sehen, dass sie vielleicht umgebracht wird. Da hat sie Angst bekommen. Und sie hat hat mir nur das hier erzählt, ich denke zumindest, dass das eine Drohung ist.

Richterin: Okay. Und weißt Du, wann das war? Also mit der Drohung und dass sie umgekippt

ist?

Zeugin: Das war auch im Hotel „President“, aber es ist sehr lange her: so drei oder vier Jahre glaube ich…

Richterin: Okay, es gibt keine Fragen mehr. Ich hab auch keine mehr und dann beenden wir die Vernehmung. Und Du bist als Zeugin heute entlassen.

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