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Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Erste Klage abgewiesen

Gabriele L. sitzt oben ohne auf der Liegewiese eines Wasserspielplatzes. Ihr sechsjähriger Sohn spielt. Plötzlich erscheint der Sicherheitsdienst des Berliner Bezirkes Treptow- Köpenick, in dem der Wasserspielplatz liegt. Sie solle etwas überziehen und ihre Brust bedecken oder gehen. Als sich L. weigert, holt der Sicherheitsdienst die Polizei. Der Hinweis der Frau, dass einige Männer mit nacktem Oberkörper auf dem Spielplatz sogar herumliefen, lassen die Beamten nicht gelten. Gabriele L. geht, sieht sich als Frau diskriminiert und klagt. Seit dem 21.06. 2021 ist im Land Berlin bis heute bundesweit einmalig ein Antidiskriminierungsgesetz in Kraft. Die Klage von Gabriele L. ist das erste bekanntgewordene Verfahren, dass eine Gleichbehandlung einfordert nach dieser Rechtsnorm, in dem Fall die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann. Hat sich das Berliner Antidiskriminierungsgesetz bewährt in diesem Verfahren?

Was war passiert?

Gabriele L. hatte sich am Tattag, einem Sonntag, dem 20. Juni 2021 mit einem Freund und dessen vierjährigem Sohn auf dem Wasserspielplatz "Plansche" im Plänterwald im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick verabredet. Sie -oben ohne. der freund -oben ohne- saßen mit ihrem sechsjährigen Sohn und dem Sohn des Freundes auf einer Decke auf der Liegewiese. Plötzlich kam der Sicherheitsdienst des Bezirksamtes. Gabriele L. solle sich die Brüste bedecken. Keiner der mit nacktem Oberkörper herumlaufenden Männer war dazu aufgefordert worden. Eine klare Diskriminierung, sagt neben Gabriele L. auch deren Rechtsanwältin Leonie Thum:Nachdem Gabriele L. sich weigert, ihre Brüste zu bedecken, wird die Polizei vom Sicherheitsdienst dazugerufen. Der Bezirk erklärt viel später, dass die Wachleute ganricht zuständig waren dafür, lediglich das Einhalten der Coronabestimmungenen sei ihre Aufgabe gewesen. So sagt es auch der Vertreter des Landes Berlinim Prozess um die mögliche Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes, **Rechtsanwalt Eike Heinrich Duhme**:

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Gabriele L. hat die Situation anders erlebt: sie saß da, halbnackt, rundherum stehende bekleidete Männer in Uniform. Ihr Sohn habe sie fragend und peinlich berührt angeschaut. Die Polizei kenne er als Freund und Helfer und so habe er Partei ergriffen gegen seine Mama: warum sie sich denn nichts anziehe, wenn die Polizei das sage. Schließlich verlässt  Gabriele L. mit ihrem Sohn den Wasserspielplatz nach der Aufforderung der Polizisten, sich entweder etwas überzuziehen oder den Spielplatz zu verlassen. Sie fühlt sich diskriminiert. Ihre Rechtsanwältin Thum:

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Am 21. Juni 2020 tritt in Berlin das "Antidiskriminierungsgesetz" in Kraft. in §2 heißt es " Kein Mensch darf im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns aufgrund seines Geschlechts, der ethischen Herkunft, einer rassischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltsnschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkarnkung , des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden."

Berlin ist das erste und bis heute einzige Bundesland**, indem es ein solches Antidiskriminierungsgesetz gibt. Es gilt z.B. für die Berliner Verwaltung, auch für Polizei und Feuerwehr, die landeseigenen Universitäten.

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Informationen zum Berliner Antidiskriminierungsgesetz

https://www.berlin.de/sen/lads/recht/ladg/ (Si apre in una nuova finestra)

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Wer sich diskriminiert sieht, zum Beispiel von Behörden und deren Vertretern , kann sich  an die Ombudsstelle bei der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung wenden. Seit Bestehen gab es 1000 Beschwerden, 700 davon seien berechtigt gewesen. Meist gehe es um strukturelle Diskriminierungen, um Barrierefreiheit, um fehlende Gebärdendolmetscher zum Beispiel. An erster Stelle würde sich über Bezirksämter beschwert, dann folgten Schulen, Polizei und BGV, so **Pressesprecher Martin Kröger**. 

"Kein Mensch darf aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden - ist u.a. in §2 des Antidiskriminierungsgesetzes bestimmt. Aber wurde Gabriele L. nicht als Frau diskriminiert, wenn sie NICHT oben ohne sonnenbaden darf, die Männer aber schon? Rechtsanwalt Duhme vom Land Berlin sieht es aus seiner Sicht ganz klar:Seit dem Erlebnis auf dem Wasserspielplatz sei sie verstört und ihr Kind ebenfalls, so Gabriele L., die mit der unabhängigen Ombudsstelle in Berlin Kontakt aufnahm. Es ist eine Entschädigung vorgesehen, wenn Menschen nach den Vorgaben des Antidiskriminierungsgesetzes diskriminiert werden. Am 16. August letzten Jahres, knapp zwei Monate nach dem Vorfall auf dem Wasserspielplatz, spricht die "Landesantidiskriminierungsgesetz-Ombudsstelle", welch langer Name,  eine formelle Beanstandung aus: nach der hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts und nach erfolglosem Versuch einer gütlichen Streitbeilegung fordert sie zur Abhilfe auf.

Inzwischen gibt es auf dem Wasserspielplatz sogar eine Benutzungsordnung, die es bisher nicht gab. Danach ist es nun  Männern und Frauen erlaubt, oben ohne auf der Liegewiese sich zu erholen. Zitat: "Die Badebekleidung muss die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken. Dies gilt für alle Geschlechter." Die Brust ist ein sekundäres Geschlechtsmerkmal.

Doch damit ist Gabriele L. nicht zufrieden, weil es eben keine gütliche Einigung mit dem Land Berlin und Bezirk Treptow-Köpenick und der Polizei gibt. L. klagt beim Landgericht auf eine Entschädigung von 10.000 Euro. Als ihre Klage im Gericht verhandelt wird, sagt Gabriele L.:Ein paar Stunden wird verhandelt, danach ist keine Tendenz erkennbar , wie die Richterin der 26. Zivilkammer des Landgerichts Berlin urteilen wird. Die Rechtsanwältin der Klägerin, Leonie Thum, findet eine Entschädigung für ihre Mandantin wichtig aber auch, dass Bezirk und das Land Berlin zahlen müssen.Das Urteil am Abend des Verhandlungstages ist eindeutig: "Die Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu." heißt es wörtlich. Erst Tage später ist die Urteilsbegründung zu lesen: Unter anderem steht da zu lesen: "Eine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes lasse sich weder im Hinblick auf die Mitarbeiter des bei der Plansche tätigen Sicherheitsdienstes noch in Bezug auf das Verhalten der Polizeibeamten feststellen."    

 U.a. sieht die Richterin die Rechtfertigung einer möglichen Ungleichbehandlung, die auch im § 5 des Antidiskriminierungsgesetzes vorgesehen ist, wenn es einen hinreichenden sachlichen Grund dafür gibt. Es heißt wörtlich im Urteil: 

"Hierbei wiederum ist zu bedenken, dass die in der Gesellschaft anerkannten Regeln eines gedeihlichen Zusammenlebens der Menschen die schutzwürdigen Interessen der Einzelnen wahren sollen und dass hierzu auch das geschlechtliche Schamgefühl des Menschen gehört. Mag dieses sich allgemeingesellschaftlich im Laufe der Zeiten gewandelt haben, gehört das Präsentieren eines nackten weiblichen Oberkörpers doch noch zu einem Verhalten, das an Orten, an denen dies nicht unbedingt zu erwarten ist, dazu führen kann, dass andere Besucher sich aus moralischen, religiösen und sonstigen Gründen belästigt und unwohl fühlen. Dass die Klägerin, wie sie meint, vor diesem „subjektiven Scham- oder Sittlichkeitsgefühl“ Dritter zu schützen sei und dieses umgekehrt sie nicht an der Ausübung ihrer Freiheit beeinträchtigen könne, geht von einem grundlegend falschen Verständnis der Grundlagen einer Gemeinschaftsordnung aus; auch die Klägerin kann ihre Grundrechte nicht schrankenlos und unter Mißachtung der Rechte Dritter ausüben. Dass sich durch ihr Verhalten 

„einzelne Nutzer in ihrem Sittlichkeitsempfinden angestoßen“ hätten fühlen können, räumt die Klägerin selbst ein." Genau das aber rechtfertige die Reaktion von Wachdienst und Polizei. Nach dem Richterspruch  nahm die **Rechtsanwältin der Klägerin, Leonie Thum**, zum Urteil Stellung:

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Ob Gabriele L. in Berufung geht gegen das Urteil zum Berliner Kammergericht, soll bis Mite Oktober 2022 nach eingehender Prüfung entschieden werden. Nach wie vor fühlt sie sich durch den Vorfall auf dem Wasserspielplatz diskriminiert, so Gabriele L. - auch wenn die dort geltenden Regeln inzwischen zuließen, dass Männer und Frauen sich dort oben ohne sonnen dürfen.

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Auszüge aus dem Urteil des Landgerichts Berlin

vom 14.09.2022; **Az.: 26 O 80/22

"...Die Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte

Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Ein Anspruch nach § 8 Abs.2 LADG besteht nicht. Denn eine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin im Sinne von §§ 2, 4 LADG lässt sich weder im Hinblick auf die Mitarbeiter des bei der Plansche tätigen Sicherheitsdienstes noch in Bezug auf das Verhalten der Polizeibeamten feststellen...

...Maßgebend ist, dass die Klägerin entgegen ihrer Ansicht auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien schon objektiv unrechtmäßig nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden ist, die Anordnungen des Sicherheitsdienstes und der Polizei gegenüber der Klägerin vielmehr auch unter Berücksichtigung der §§ 2, 4 LADG rechtmäßig, jedenfalls gemäß § 5 LADG gerechtfertigt waren...

...Dass die Sicherheitsmitarbeiter die Klägerin vor die Wahl stellten, ihre Brüste zu bedecken oder das Gelände zu verlassen, diskriminierte die Klägerin ebensowenig unrechtmäßig wie die Durchsetzung dieser Anordnung durch die Polizei...

...Soweit sie sich darauf beruft, dass sie anders als Männer behandelt worden sei, die ihren Oberkörper nicht bedecken mussten, verkennt sie schon, dass bei an Art.3 GG orientierter Auslegung nicht in jedem Falle untersagt ist, geschlechtliche Unterschiede Anlass für unterschiedliche Behandlung sein zu lassen...

...es lag ein hinreichender sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Ungleichen vor. Ein – in dem Gesetz nicht konkret definierter – sachlicher Grund ist unter Berücksichtigung des Gesetzesziels und der zu ähnlichen Gesetzen entwickelten Grundsätze dann anzunehmen, wenn bei wertender Beurteilung im Einzelfall und orientiert an den allgemein geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben vernünftige einleuchtende Erwägungen sowie die Abwägung der verfasungsmäßig geschützten Rechte aller Betroffenen das Vorgehen rechtfertigen. Maßgebend ist dabei hier auch, dass der Beklagte nicht nur die Rechte der Klägerin zu berücksichtigen und zu schützen hatte, sondern dabei einen Ausgleich mit den ebenfalls zu schützenden Rechten Dritter finden musste...

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