Zeitenwende im Klimakampf: von Abwehr des Klimakollaps zu Kämpfen im Klimakollaps
1.2.2024
Liebe Leute,
als die Letzte Generation vor ein paar Tagen verkündete, sie würden ihren signature move, die “Klebeblockade” einstellen, ging ein erkennbar erleichtertes Raunen durch die Klimabewegung, einschließlich derer von Uns, die der LG weitgehend bis zum Schluss die Treue gehalten haben, weil Solidarität und so. Tatsächlich hatte ich in der Woche davor drei Gespräche mit meinen engsten Genoss*innen geführt, und der Konsens war: jede Blockade, die zum Ziel hat, den (normalwahnsinnigen) gesellschaftlichen Alltag zu stören, ist mittlerweile aus der Perspektive der Klimabewegung nettonegativ. In allen drei Gesprächen waren wir uns einig: this has got to stop. Nicht, weil es einen Unterschied im “Klimakampf” macht, der ist verloren, that ship has sailed. Sondern, weil wir so ein Bisschen Legitimität und Standing und Beliebtheit zurückgewinnen können, mit denen man zwar nicht per se irgendwelche Blumentöpfe gewinnt, die aber das Alltagserleben einer Aktivistin erheblich beeinflussen, und von großer Relevanz sind, wenn es um juristische Repression geht.
The Klebecarnival is over
D.h., letzte Woche hörten wir also mal was seltenes, nämlich good news für die Klimabewegung. Genauer: die LG ändert ihre Strategie (Störung als Hebel) und Taktik (Blockade) - jetzt sollen "Ungehorsame Versammlungen" stattfinden, um Klimasaboteur*innen "zur Rede zu stellen", und auf Orte der fossilen Zerstörung hinzuweisen.
Vor der Analyse möchte ich hier der Letzten Generation meine Bewunderung aussprechen, und ihnen danken, dass sie den Mut hatten, das "nicht mehr effektiv (evtl sogar kontraproduktiv) sein" ihrer Strategie anerkennen konnten, was nicht jede*r kann. Vor allem ang. des äußeren Drucks (der zu waggoncircling führt): impressive, well done.
Strategische longue duree: wo sind die Hebel?
Zweitens möchte ich diese "neue" Strategie analysieren, und erklären, was sie über den Zustand der Klimabewegung aussagen. Sie besteht aus zwei Teilen: Einerseits will die LG “Orte der fossilen Zerstörung” aufsuchen: das war die Strategie der Klimabewegung post-Kopenhagen (COP15 2009).
The idea was: wir hatten aus den antineoliberalen Gipfelprotesten der späten 90er und Nuller hatten wir gelernt, dass multilaterale politische Institutionen für uns ressourcenschwache und außerinstitutionelle Akteure ein seltener Weg waren, auf der globalen Scale Effekte zu haben ("Globalität (Si apre in una nuova finestra)”).
Wer einen neoliberalen Gipfel aufhielt, konnte so kapitalistische Landnahmeprozesse auf der ganzen Welt verlangsamen oder gar verhindern. That was amazing, weil es nach dem Jahrzehnt des resistance is futile/end of history& der Globalisierungsdebatte zeigte: we're not over.
Als die global justice Bewegung dann gegen Ende der Nuller die Klimafrage entdeckte, dachten wir: kennen wir - globaler Prozess (Kapitalismus/Erderhitzung) wird allüberall produziert, auf überall haben wir keinen Zugriff, also gehen wir an die Machtaggregationsorte Gipfel.
Klimakrise ≠ Neoliberalismus
Natürlich unterscheiden sich Neoliberalismus und Klimakrise in einem zentralen Punkt: wer eine neoliberale Policy abwendet, schwächt/verlangsamt den Neoliberalismus. Wer eine Klimapolicy abwendet oder verlangsamt, erreicht damit gar nichts, weil Klimapolitik effektfrei ist.
Die UNFCCC war, ist und wird klimatechnisch irrelevant bleiben, also gingen wir von den Gipfeln in die Gruben (im Kohleland Deutschland - andernorts in die Ölreviere, etc), an die "Orte der fossilen Zerstörung", um diese Orte zu skandalisieren & zu delegitimieren (durch Blockaden).
Der Beginn des Klimakampfzyklus
2010 fand das 1. Klimacamp in Deutschland statt (Fußnote: das wirklich *allererste* war 2008 das Klima-und-Antira-Camp in Hamburg, und auch in anderen reichen Ländern gingen die Klima(gerechtigkeits)bewegungen an die "Orte der fossilen Zerstörung." Nochmal: nicht wirklich, um diese zu blockieren, sondern, um zu zeigen, "hier gibt's nen Konflikt, schaut mal hin".
Diese Strategie funktionierte sehr gut, sie war sogar so effektiv, dass nicht nur der Hambi& mehrere Dörfer verteidigt wurden,sondern die Regierung sich gezwungen sah, die Kohlekommission (Kommission für Wachstum und Strukturwandel) einzuberufen, um den Konflikt zu befrieden.
Aber: weil wirklicher Klimaschutz halt zu teuer und anstrengend ist, konnte die bloße ethische Skandalisierung nicht genügend Druck aufbauen, um echte Veränderung zu erreichen. Es zeigte sich: minoritäre Proteststrategien zur Erreichung ges. Meinungsänderungen reichen nicht.
Weil die Klimaproblematik eben Resultat mikroökonomischer kapitalistischer Entscheidungen & Routinen ist, auf die wir nicht wirklich Zugriff haben. Also reicht es nicht aus, Leute davon zu überzeugen, dass die Klimafrage ein Problem ist, und deswegen wird was passieren.
But in the immortal words of Maggie Smith to Ian McKellan: "didn't work, did it?" Keine Strategie, die die "öffentliche Meinung" als Hebel nimmt (schon auch sehr bürgerlich: "hey, our better argument will win!"), hatte ausreichend Effekte.
Interessanterweise lassen sich Menschen ungern an Sachen erinnern, die sie verdrängen wollen, also fühlte die Mehrheitsgesellschaft sich nicht nur gestört, sondern beschämt, & they would like to lock climate activists in jail, rather than tackle the problem.
Wie schon gesagt: Scham ist & macht Menschen scheiße*, was dazu führte, dass der *damals richtige & *einzig verbleibende* Move im Schachspiel Klimabewegung - Verdrängungsgesellschaft von un- zu kontraproduktiv mutierte.
(*: ja, es gibt Ausnahmen, aber nur *ganz* wenige*)
Die “neue” Strategie markiert das Ende des alten Klimakampfes
D.h.: das 1. Element der neuen Strategie des de facto (mit Umfeld: Scientist Rebellion, Parents vs. Fossil Fuels, etc...) einzig erweitert handlungsfähigen Akteurs der Klimabewegung (der mithin die Klimabewegung ist) ist eine, die schon vor fünf Jahren krachend gescheitert ist.
Das 2. Element der neuen Strategie der LG/Klimabewegung ist ein Import aus den USA, von Climate Defiance,, denn schon lange haben die traditionell taktisch führenden Länder Deutschland und UK diese Leadership an Frankreich und die USA übertragen: sie stören öffentliche Auftritte von Klimaprofiteuren.
Das find ich erstmal richtig & applaudiere ich, weil es das zentrale Problem der LG-Strategie (pissing *everybody* off) auflöst, und die Profiteure angreift. Ich frage mich aber schon: wo ist hier der "Hebel"? Wer jetzt sagt "Delegitimierung" lügt sich in die Tasche, denn das spannende am (fossilen) Kapitalismus ist, dass er *relativ unabhängig* von dem funktioniert, was die Leute von ihm halten (vgl. Marx & Althusser), und wer glaubt, dass ein Bisschen öffentliches Shaming die Geschäftssmodelle des profitabelsten Wirtschaftssektors ändert…
Diese neue Strategie ist deswegen nicht falsch, sie verfolgt aber ein VÖLLIG anderes Ziel, als alle alten Klimabewegungs-Strategien: diese waren designed, zur Emissionsreduktion beizutragen. Die neuen Strategien... was sollen die eigentlich erreichen?
Sie sind im Grunde die ersten "kollapsadäquaten" Strategien der Klimabewegung: - sie geben nicht vor, das Problem abzustellen, sie fokussieren auf die, die von der Zerstörung der Welt profitieren, und sagen: "hey, these people are criminals and fucking evil, let's punish them."
Was einerseits wie eine Strategie der Ohnmacht klingt, ist in Realität ein Eingeständnis unseres schuldlosen Scheiterns im Antifossilen Kampf: wir haben als Kreisligaclub das Spiel unseres Lebens gemacht, aber der Gegner bestand aus Barca, den Bayern& ManU, da ging nie was.
Zusammengefasst: der LG-Move sagt aus, dass:
alle strategischen Moves re: Mitigation (Emissionsreduktion) schon gemacht wurden, & gescheitert sind.
alle neuen strategischen Moves andere, nämlich kollapsadäquate Ziele verfolgen müssen.
(apologies): I told you so.
Der alte Zyklus der Kämpfe ist also vorbei, jetzt sind wir erstmal im Holding Pattern. Mal schauen, was danach kommt, aber 2024 wird kein gutes Jahr fürs Klima.
Bis bald,
Euer Tadzio