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Wie dein Gehirn entscheidet, was du isst

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: Wie dein Gehirn entscheidet, was du isst – und was nicht.

In meiner aktuellen Serie dreht sich alles um eine Erkenntnis: Vorgänge im Gehirn sind mit verantwortlich dafür, wenn wir zu viel essen. Welche Vorgänge sind das? Wie werden sie in Gang gesetzt? Und vor allem: Was können wir dagegen tun? Hier findest du alle bisherigen Ausgaben (Si apre in una nuova finestra) dieses Newsletters.

Stell dir zwei Roboter an einem Autofließband vor. Eine Autotür nach dem anderen wird das Fließband entlang geschoben und Roboter 1 macht immer das gleiche: Er besprüht die Tür mit schwarzer Farbe. Roboter 1 benötigt nicht viel Rechenleistung, er hat nur eine Aufgabe, eine Fähigkeit und somit keine Entscheidungen zu treffen. Easy.

Roboter 2 kann mehr. Er kann die Türen entweder schwarz oder rot ansprühen. Wie entscheidet Roboter 2, was er macht?

Dieses sehr grundlegende Problem wird Selection Problem genannt. Es tritt immer dann auf, wenn mehrere Optionen um die gleiche gemeinsame Ressource konkurrieren. Um sich zu entscheiden, braucht Roboter 2 einen sogenannten Selector, oder auch: einen Entscheider. Eine Art Funktion, die entscheidet, welche Farbe am besten für die jeweilige Tür geeignet ist.

Jetzt heißt dieser Newsletter nicht Das Leben der Autoindrustrie, auch wenn sich damit sicherlich mehr Geld verdienen ließe. Es geht aber um unser Gehirn. Denn unser Gehirn ist jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und manchmal jede Sekunde vor Entscheidungen gestellt. Unser Körper und unser Gehirn haben nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Und ständig müssen wir wieder entscheiden, wofür wir diese Ressourcen verwenden – und wofür nicht. So, wie du dich jetzt entscheiden musst, ob du diesen Newsletter weiterliest (unbedingt!) oder nicht. Oder so, wie du dich jeden Tag entscheiden musst, was du frühstückst, zum Mittag und Abendbrot isst.

Wenn wir verstehen wollen, warum so viele Menschen übermäßig viel und übermäßig ungesund essen, müssen wir verstehen, wie wir diese Entscheidungen treffen. Darum geht es heute.

Sind wir dem Neunauge so überlegen?

Also: Wie entscheidet das Gehirn, welche Option die beste ist? Welcher Option es die Ressourcen zur Verfügung stellt? In einer bahnbrechenden Forschungsarbeit (Si apre in una nuova finestra), die 1999 veröffentlicht wurde, argumentieren die Forscher:innen: Es gibt im Gehirn eine Gruppe von Strukturen, die sich darum kümmert, die Basalganglien.

Eines der Dinge, die Säugetiere von den meisten anderen Lebewesen auf der Erde unterscheiden, ist die enorme Komplexität unseres Nervensystems. Es ermöglicht uns, bemerkenswert intelligente Entscheidungen zu treffen (auch, wenn uns das manchmal überhaupt nicht so vorkommt). Das ist sehr komplex, deshalb schauen wir uns das ganze mal in einer stark vereinfachten Version an.

Die Forscher Sten Grillner vom Karolinska-Institut und sein ehemaliger Doktorand Marcus Stephenson-Jones haben etwas Ungewöhnliches getan. Sie haben das menschliche Gehirn mit dem von Neunaugen verglichen. Neunaugen sind quasi lebende Fossilien, die sich seit 500 Millionen Jahren kaum verändert haben. Hier eine Zeichnung:

Quelle: Wikipedia

Grillner und Stephenson-Jones verglichen (Si apre in una nuova finestra) vor allem den Aufbau und die Funktionsweise der Basalganglien. Und belive it or not: Obwohl zwischen uns und den aalartigen Fischwesen 500 Millionen Jahre Evolution liegen, sind sich unsere Basalganglien erstaunlich ähnlich. Sie enthalten dieselben Regionen, die auf dieselbe Weise organisiert und verbunden sind. Innerhalb der Basalganglien liegen Neuronen mit denselben elektrischen Eigenschaften, die über dieselben chemischen Botenstoffe miteinander kommunizieren. Deshalb macht es Sinn, sich kurz anzugucken, wie Neunaugen Entscheidungen treffen. So erklären es Grillner und Stephenson-Jones:

Wie Neunaugen Entscheidungen treffen

In den Basalganglien des Neunauges befindet sich eine Schlüsselstruktur namens Striatum. Das Striatum empfängt Informationen aus allen möglichen Hirnregionen, sogenannte Bids. Diese Bids kann man sich so vorstellen: Eine Region des Gehirns flüstern dem Striatum zu: „Achtung! Ein Raubtier!“ Eine andere: „Du solltest dich mal wieder paaren.“ Oder: „Saug doch mal wieder an einem Felsen!“ Und das Striatum legt fest, welche Aktion der Körper ausführen soll. Es ist also zuständig für die Motorik.

Jetzt gilt für Neunaugen das gleiche wie für Menschen: Alles gleichzeitig zu machen, ist eine schlechte Idee. Deshalb halten die Basalganglien die verschiedenen Regionen des Gehirns in Schach. Verschiedene Regionen flüstern dem Striatum ständig zu, dass es ein bestimmtes Verhalten auslösen soll, und das Striatum sagt standardmäßig immer „Nein!“. Man kann sich das Striatum wie einen Türsteher vorstellen, der auswählt, welches Verhalten Zugang zu den Muskeln erhält. Der Rest kommt hier nicht rein.

Viele der Bids stammen aus einer einzigen Region des Neunaugengehirns, dem sogenannten Pallium, von dem man annimmt, dass es an der Verhaltensplanung beteiligt ist. Eine Funktion dieser Region ist es, relevante Informationen über die Umgebung und den inneren Zustand des Neunauges zu sammeln. Diese Informationen bestimmen, wie stark die Bids an das Striatum sein werden.

Wenn beispielsweise ein Feind in der Nähe ist, werden Nervenzellen, die „Fliehe vor dem Raubtier“ repräsentieren, ein sehr starkes Bid an das Striatum senden, während das Bid „Sauge an einem Felsen“ schwach sein wird. Die Stärke eines jeden Bids gibt an, wie wertvoll dem Organismus das betreffende Verhalten zu diesem Zeitpunkt erscheint, und die Aufgabe des Striatums ist einfach: Das stärkste Bid auswählen, durchführen und alle anderen Bids weiterhin ignorieren.

Ein bisschen smarter als Neunaugen sind wir dann doch

Okay, ich gebe zu: Menschen sich keine Neunaugen und die Entscheidungen, die wir treffen müssen, gehen in den meisten Fällen über „Am Felsen saugen oder nicht“ hinaus. Beim Menschen kommen die meisten Signale, die das Striatum erhält, von der Großhirnrinde, die sich aus dem Pallium entwickelt hat. Die Großhirnrinde (Kortex), insbesondere der präfrontale Kortex, ist entscheidend für komplexe Entscheidungen. Ohne ihn könnten wir zwar immer noch grundlegende Dinge tun, aber sicher nicht über einen Kredit oder die nächste Bundestagswahl entscheiden.

Wie sich herausstellte, sendet der Kortex nicht nur Informationen an die Basalganglien, sondern empfängt auch welche. Viele Regionen im Kortex haben so Schleifen oder Loops mit dem Striatum gebildet. Nicht nur Regionen, die für Bewegungen zuständig sind (fliehen oder nicht?), sondern auch solche, die Emotionen, Motivation oder Moral zugeordnet werden.

Gehen die Basalganglien ins Restaurant …

Zurück zum Essen: Wie trifft das Gehirn so komplexe Entscheidungen wie die, ob du dir etwas kochst oder in ein Restaurant gehst? In seinem Buch „The Hungry Brain“ stellt Sephan J. Guyenet dar, was die seiner Forschung nach gängige Hypothese unter Neurowissenschaftler:innen ist:

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