Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz
Seit März 2019 gilt in Österreich nicht mehr die Mindestsicherung, sondern das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Über die Unterschiede zwischen Mindestsicherung und Sozialhilfe haben wir hier (Si apre in una nuova finestra) schon berichtet. Die Sozialhilfe hat nicht mehr das Hauptziel, den Lebensbedarf zu decken. Außerdem ist sie kompliziert und intrasparent geregelt. Dadurch ist sie natürlich auch schwerer zu verstehen. Weshalb wir uns dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz heute etwas genauer anschauen und versuchen, ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten.
Wer ist eigentlich für die Sozialhilfe zuständig?
Die Sozialhilfe wird einerseits auf Bundesebene im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz geregelt. Für die Umsetzung über sogenannte Ausführungsgesetze sind die Bundesländer zuständig (die Unterschiede zwischen den Bundesländern sehen wir uns demnächst in einem eigenen Beitrag an). Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gibt – wie der Name schon sagt – gewisse Grundsätze vor, die dann von den Ländern (nicht einheitlich) umgesetzt werden müssen. Die Länder haben dabei einen großen Gestaltungs- und Interpretationsspielraum. Das führt zu unterschiedlicher Handhabe je Bundesland und wird zurecht seit Einführung der Sozialhilfe heftig kritisiert.
Welches Ziel hat das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz?
Die Mindestsicherung hatte als klares Ziel die Sicherung des Lebensbedarfs über Mindeststandards. Die Sozialhilfe funktioniert anders. Sie dient vorrangig integrationspolitischen, fremdenpolizeilichen und arbeitsmarktpolitischen Zielen. Sie soll auch den Lebensunterhalt und Wohnbedarf unterstützen - allerdings nicht unbedingt sichern.
Wie setzt sich die Sozialhilfe zusammen?
Sozialhilfe besteht aus Geld- oder Sachleistungen. Dabei werden einerseits der allgemeine Lebensunterhalt (60%) und andererseits der Wohnbedarf (40%) berücksichtigt.
Allgemeiner Lebensunterhalt: Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, sonstige Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.
Wohnbedarf: Miete, Hausrat, Heizung, Strom, sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
Sachleistungen: Mietbeihilfe, Krankenversicherung (Rezept- und E-Card-Gebührenbefreiung), direkte Zahlungen an Vermieter:innen.
Leistungen für den Wohnbedarf sind allerdings – sofern nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig – in Form von Sachleistungen zu erbringen.
Wer hat Anspruch auf Sozialhilfe?
Grundsätzlich haben Rechtsanspruch auf Sozialhilfe: alle österreichischen Staatsbürger:innen oder diesen Gleichgestellte, Asylberechtigte und dauerhaft niedergelassene Fremde (mit mind. 5 Jahren Aufenthalt in Ö) mit tatsächlichem Lebensmittelpunkt in Österreich.
Ausnahmen:
Subsidiär Schutzberechtigte erhalten nur noch Kernleistungen, die das Niveau der Grundversorgung nicht übersteigen
Personen ohne tatsächlichen Aufenthalt in Österreich
Asylwerber
Ausreisepflichtige Fremde
Personen, die eine Haftstrafe von zumindest 6 Monaten verbüßen für die Dauer der Haft
Die Länder können allerdings ergänzende Regelungen erlassen. Sie kann Personen(gruppen) temporär oder dauerhaft aus der Bezugsberechtigung ausschließen.
Welche Voraussetzungen müssen Antragsteller:innen erfüllen?
Um Sozialhilfe zu bekommen, muss man nachweisen, dass man in einer Notlage ist und bereit ist, diese zu überwinden. Man muss auch zeigen, dass man seinen Bedarf nicht selbst decken kann und bereit ist zu arbeiten. Außerdem muss man mögliche sonstige Ansprüche auf sozialstaatliche Leistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pflegegeld, etc.) sowie “einbringliche” Forderungen gegenüber Dritten geltend machen (z.B. Unterhaltsforderungen).
Wann solche Forderungen als „einbringlich“ einzustufen sind, wird allerdings im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nicht definiert.
Wie lange und wie oft bekommt man Sozialhilfe?
Sozialhilfe wird ab dem Antrag gewährt und kann normalerweise für bis zu 12 Monate bewilligt werden. Danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit kann sie auch länger gewährt werden. Die Auszahlung erfolgt monatlich - 12x pro Jahr.
Es gibt im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz keine Regelung über einen Mindestzeitraum, für den die Sozialhilfe zugesprochen wird. Es kommt häufig vor, dass (auch aufgrund der regelmäßig nötigen Kontrollen) nur für 3 Monate zugesprochen wird. Dann muss wieder ein neuer Antrag gestellt werden.
Wie wird die Sozialhilfe berechnet?
Die Sozialhilfe wird nicht für Personen, sondern für Haushaltsgemeinschaften zuerkannt. Eine Haushaltsgemeinschaft besteht aus den Personen, die in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft leben.
Ausnahmen:
wenn eine gemeinsame Wirtschaftsführung gänzlich oder teilweise ausgeschlossen werden kann
zielgruppenspezifische betreute Wohnformen, wenn diese wesentlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (z.B.: therapeutische Wohneinheiten, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Frauen, Jugendliche oder Wohnungslose)
Je nach Zusammensetzung der Haushaltsgemeinschaft wird anhand der Richtsätze der Gesamtanspruch berechnet. Der maximal mögliche Höchstbetrag für eine alleinstehende Person wurde für 2024 mit 1.156 € festgelegt.
Die tatsächliche Richtsatzhöhe ist allerdings je nach Bundesland anders. Denn es ist im Sozialhilfegrundsatzgesetz lediglich festgelegt, dass die 60% für den Lebensunterhalt in Geldleistung erfolgen MUSS.
Bekommt man Sozialhilfe wenn man Einkommen oder Vermögen hat?
Das kommt darauf an. Einkommen (Gehalt/Lohn, Renten, Unterhalt, sonstige Sozialleistungen) wird grundsätzlich abgezogen, Vermögen (Ersparnisse, Wertpapiere, Immobilien, etc.) muss verwertet werden. Es gibt allerdings Ausnahmen:
Der Vermögensfreibetrag wurde für 2024 mit 6.935,04 € festgesetzt.
Besteht nach Abzug von Einkommen und verwertetem Vermögen eine Notlage, so wird der Haushaltsgemeinschaft die Sozialhilfe entsprechend zuerkannt. Zusätzlich gibt das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz den Ländern aber vor, dass Leistungen für Haushaltsgemeinschaften gedeckelt werden.
War das schon alles?
Nein. Die Bundesländer haben die Möglichkeit zusätzliche Leistungen zur Deckung außergewöhnlicher Kosten zu gewähren. Diese dürfen allerdings maximal 30% des Richtsatzwertes ausmachen. Auch Alleinerziehende können höhere Leistungen bekommen.
Diese Zuschläge sind in Art und Höhe in jedem Bundesland anders geregelt und werden nach Ermessen gewährt.
Es gibt viele Unterschiede zwischen den Bundesländern, was oft zu Problemen für die Betroffenen führt. Euch ist vielleicht aufgefallen, dass in diesem Beitrag einzelne Textstellen farblich hinterlegt wurden. Diese Textstellen zeigen die Bereiche der Sozialhilfe, die je Bundesland unterschiedlich und/oder in sogenannten “Kann-Bestimmungen” geregelt sind.
Genau diese Bereiche beleuchten wir demnächst in weiteren Beiträgen genauer. Wir befassen uns mit den Unterschieden je Bundesland und den daraus resultierenden Konsequenzen für Betroffene. Außerdem wird es demnächst hier die Zahlen der Sozialhilfe-Bezieher:innen 2023 geben und wir beschäftigen uns auch mit Sozialhilfe in Zusammenhang mit Krankheit/Behinderung/Alter/Alleinerziehen.
Quellen:
Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: Gesamte Rechtsvorschrift (Si apre in una nuova finestra)
Sozialleistungen: Sozialhilfe in Österreich (Si apre in una nuova finestra)