Frauen an die Macht: Wie wird aus Teilzeit-Republik Gründerinnen-Land?
#08 Die Verteidigung einer starken Gründerinnen-Dynamik
Dies ist die achte Ausgabe von 4. Mio+ , dem wöchentlichen Briefing von Cathi Bruns. Diese Woche:
Von Teilzeit-Republik zu Gründerinnen-Land?
Ein paar Fragen an Tischlermeisterin Johanna Röh zu ihrem Engagement und Mutterschutz für alle
Und warum Unternehmertum die wahre Emanzipation ist
Hi.
Es ist 2024 und wir stellen fest: Frauen gründen immer noch seltener als Männer ein Unternehmen, sie übernehmen immer noch mehr der Haus- und Familienarbeit und sind als Chefinnen immer noch unterrepräsentiert.
Gut, könnte man sagen, wenn sie nicht wollen, bzw. etwas anderes wollen und der Tag halt nur 24 Stunden hat, dann ist das eben so. Und ich sag es ganz offen: Bisher habe ich mich mit Geschlechterdebatten nicht besonders beschäftigt. Mein Thema ist Unternehmertum. Und dass wir alle zusammen für den unternehmerischen Aufbruch im Land sorgen müssen, ist ja eigentlich klar.
Also, fast. Oder eigentlich auch nicht. Denn die Zahl der selbstständigen Frauen ist hierzulande niedrig. 2023 nicht mal 6 Prozent (Si apre in una nuova finestra), laut Mikrozensus, wenn man sich ihren Anteil unter erwerbstätigen Frauen insgesamt anschaut.
Man braucht sich gar nicht in Geschlechterfragen zu verheddern um zu verstehen, dass mehr Gründerinnen auch mehr Vielfalt in die Wirtschaftswelt bringen und mehr Unternehmertum, auch mehr Unabhängigkeit für die Einzelne bedeutet. Für mich war die Entscheidung zur Selbstständigkeit ein Aufbruch, der das ganzes Leben verändert hat. Mir war gar nicht klar, welch kleiner Minderheit ich damit angehören würde.
Schauen wir uns also an, was Frauen auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit anders machen, welche Vorteile die Selbstständigkeit für Frauen hat, was sie gegenwärtig ausbremst und warum wir sie und ihre Ideen auch als Gründerinnen, Unternehmerinnen und Macherinnen so dringend brauchen.
Darum geht es heute: Die Verteidigung einer starken Gründerinnen-Dynamik.
Warum muss uns das beschäftigen?
Trotz der großen politischen Bemühungen der letzten Jahre, zig Förderprogrammen extra für Frauen, mehr Fokus auf MINT-Förderung, weniger Geburten, Gleichstellungsbemühungen und generell größeren Freiheiten als noch bei einer Generation zuvor: Frauen gründen seltener als Männer. Sie studieren weniger Ingenieurs- und mehr Sprach- und Literaturwissenschaften, sie arbeiten in anderen Branchen, sie erzielen dadurch weniger Einkommen und verlangen zudem geringere Honorare. Und sie arbeiten anders. Jede zweite erwerbstätige Frau (Si apre in una nuova finestra) in Deutschland arbeitet in Teilzeit. Ein wahnsinnig hoher Anteil.
Das heißt aber nicht, dass sie auch weniger arbeiten. Und wenn nach der Arbeit die Kinder im Bett und alle satt sind, machen sich einige noch an ihre selbstständigen Projekte.
Gründungen im Nebenerwerb sind weiblich geprägt, während die Vollzeitnorm in der abhängigen Beschäftigung männlich dominiert ist. Auch wenn es da keine Kausalität gibt, für viele Frauen funktioniert die Arbeitswelt der abhängigen Beschäftigung nicht mehr so gut, wenn Kinder ins Spiel kommen. Aber Sorgearbeit ist nur einer der Gründe, warum Frauen ihre Erwerbsarbeit (Si apre in una nuova finestra)auf Teilzeit reduzieren. Laut Statistischem Bundesamt (Si apre in una nuova finestra) werden genauso oft der „Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung“ oder „andere Gründe“ angegeben.
Wenn Frauen selbst ohne Familienverpflichtungen der Erwerbsarbeit Grenzen setzen, ist der alte Arbeitswelt-Drops vielleicht echt gelutscht und die Frage ist gar nicht, ob sie per Quote in den alten Vorstand aufrücken, sondern wer eigentlich die Unternehmen von morgen baut.
Was brauchen Frauen, damit sie die Chancen der Selbstständigkeit entdecken und wahrnehmen?
Wer Unternehmertum fördern will, der muss attraktive Rahmenbedingungen schaffen. Um die zu nutzen, muss allerdings erstmal ein generelles Interesse an der Unternehmensgründung bestehen.
Bei Rosemarie Kay, IfM Bonn, erfährt man: „Frauen entwickeln weitaus seltener als Männer überhaupt ein Gründungsinteresse. Ist ein solches erst einmal vorhanden, setzen Frauen ihre Gründungspläne genauso häufig um wie Männer und verbleiben mit ihren Unternehmen letztlich auch fast genauso lange am Markt wie Männer.” (Quelle: Rosemarie Kay, Daten und Fakten Nr. 34. Zur Unterrepräsentanz von Frauen im Unternehmertum. IfM Bonn, 2023, S.22) (Si apre in una nuova finestra)
Die Selbstständigkeit ist so vielfältig wie die Lebensentwürfe, aber weil hierzulande niemand auf Chancen, sondern alle nur auf die Versicherungen schauen, wird über Arbeit jenseits der abhängigen Beschäftigung nicht genug diskutiert. Eine Kröte hält die aber bereit: Sie verlangt Anpassung an die Normvollzeit. Oder das Hinnehmen von weniger Chancen, weniger Rente und mehr Abhängigkeit von Partner oder Staat. Es ist vielleicht romantisch, aber nicht selbstständig, sich bei der Vermögensbildung allein auf den Lebenspartner zu verlassen. Und es ist ununternehmerisch, bei der eigenen Absicherung allein auf den Staat zu bauen.
Eine starke Gründerinnen-Dynamik könnte die neue Unabhängigkeitsbewegung sein. Der Aufbruch in eine neue Arbeitswelt, in der Vereinbarkeit besser möglich und Teilzeit keine Kategorie ist. In der Selbstständigkeit kennen wir diesen Begriff nur, weil die Krankenkasse und der Staat alles nach Festanstellungsnorm einordnen und prüfen will. Aber eigentlich arbeiten wir, wie wir wollen.
Ich habe nie verstanden, warum wir uns endlos über alle möglichen „Gender-Gaps” beklagen, anstatt das Alte zu verabschieden und bessere Strukturen zu bauen. Ich jedenfalls verstehe mich nicht als Reparaturbetrieb einer Arbeitswelt, die nur mit dem alten Deal von Vollzeit noch halbwegs gut funktioniert und in der trotz (oder wegen?) 1000 Versicherungen keiner mehr richtig Bock hat, überhaupt aufzubrechen.
Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung und höhere Einkommen sind laut KfW-Gründungsmonitor 2024 (S.3 (Si apre in una nuova finestra)) die dominierenden Motive um sich für eine Selbstständigkeit zu entscheiden - unabhängig von Geschlecht.
Wenn man nach vorne raus schaut sieht man, es ist viel Neues möglich. Aber dafür ist entscheidend, dass wir selbst gründen.
Die Lage
Da für Frauen die alte Arbeitswelt weniger passt, liegt bei ihnen auch die größte Chance zur persönlichen Potenzialentfaltung durch neues Unternehmertum. Und ein Hebel zur Dynamisierung der Wirtschaft insgesamt.
Der Anteil der Gründerinnen betrug im letzten Jahr 44 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht gestiegen. (Quelle: KfW Gründungsmonitor 2024 (Si apre in una nuova finestra))
Frauen gründen mehrheitlich in den Freien Berufen und sind dort sogar öfter Chefinnen, als die Herren. Über die Hälfte (2023: 54,9 Prozent) der freiberuflichen Gründungen, wird laut IfM Bonn von Frauen vollbracht. (Quelle: IfM Bonn (Si apre in una nuova finestra))
Ganz anders sieht es bei Startup-Gründungen aus. Hier liegt der Frauenanteil laut dem Startup-Monitor 2024 bei nur 18,8 Prozent (im Vergleich zum Vorjahr bei 20,7 Prozent). Gründerinnen sind dort weiterhin deutlich unterrepräsentiert. (Quelle: Startup-Monitor 2024 (Si apre in una nuova finestra))
Insgesamt ist die Gründungstätigkeit von Frauen auf niedrigem Niveau. Die oben erwähnte Studie des IfM Bonn zeigt, dass Frauen auch in anderen EU-Ländern unter ihren unternehmerischen Möglichkeiten bleiben: „Unterrepräsentanz ist ein langanhaltendes internationales Phänomen”. (Kay 2023, IV) (Si apre in una nuova finestra)
Die OECD stellt fest: „Die überwiegende Mehrzahl der „fehlenden“ Unternehmer in der EU und den OECD-Ländern sind Frauen.” (Quelle: OECD/European Commission (2023), The Missing Entrepreneurs 2023: Policies for Inclusive Entrepreneurship and Self-Employment, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/230efc78-en (Si apre in una nuova finestra))
Der Global Women’s Entrepreneurship Report stellt für Europa „einige der niedrigsten Anteile unternehmerischer Aktivitäten“ für Frauen fest, „durchschnittlich die niedrigste Intention für Gründungen, die schwächste Startup-Aktivität und das größte Startup Gender Gap, im Vergleich zu anderen Regionen der Welt.“ (Quelle: GEM 2022/23 Women’s Entrepreneurship Report: Challenging Bias and Stereotypes, S. 69 (eigene Übersetzung) (Si apre in una nuova finestra)
Woran mag das liegen?
In Deutschland glauben wir ja immer, wenn Frauen beruflich etwas nicht tun, Männer aber schon, dann liegt es an struktureller Benachteiligung oder fehlender Absicherung.
Wer über die Selbstständigkeit im Zusammenhang mit Frauen redet, landet daher klischeemäßig direkt in der Mutterschutz-Debatte. Gut, dass wir darüber reden, denn Mutterschutz ist in Deutschland ein typisches Angestelltenprivileg. Für Arbeitnehmerinnen beinhalten die Regelungen auch den besonderen Kündigungsschutz, ein Beschäftigungsverbot und Mutterschutzlohn, der allein von Arbeitgebern finanziert wird (Umlage U2). All das ist nicht mit der Selbstständigkeit vereinbar.
Eine weitere Untersuchung des IfM Bonn weist darauf hin, dass „die derzeitige Absicherung von Mutterschaftsleistungen selbstständig erwerbstätige Frauen nicht in größerem Maße davon abhält, Kinder zu bekommen.“ (Quelle: Rosemarie Kay, Mutterschaftsleistungen für selbstständig erwerbstätige Frauen. Daten und Fakten Nr. 35, IfM Bonn, 2024, S. 14 (Si apre in una nuova finestra)).
Aber hält es vielleicht alle anderen Frauen davon ab, sich selbstständig zu machen?
Derzeit wird der Mutterschutz für Selbstständige von Aktionsbündnissen, Verbänden und fast allen Parteien diskutiert. Um mir das erklären zu lassen, habe ich Johanna Röh befragt. Sie ist Tischlermeisterin und 1. Vorsitzende vom Mutterschutz für Alle! e.V. (Si apre in una nuova finestra)
Das Gespräch
Liebe Johanna,
du engagierst dich für bessere Mutterschutzregelungen für selbstständige Frauen. Warum siehst du politischen Handlungsbedarf?
Johanna Röh: Ich habe erfolgreich meine eigene Tischlerei gegründet und dann etwas gemacht, das so nicht vorgesehen scheint: Ich habe als selbstständige Handwerkerin ein Kind bekommen. Für mich war nicht klar, ob ich meinen Betrieb halten kann, wenn ich nicht noch hochschwanger große Baustellen abschließe.
Das Problem ist, dass das Kranken(tage)geld für Selbstständige derzeit die einzige Möglichkeit ist, die persönlichen Lebenshaltungskosten abzusichern. Es ist aber aufgrund zahlreicher Ausschlusskriterien kein geeignetes Instrument dafür. Die Absicherung von Betriebskosten ist derzeit nur bei wenigen Versicherungen für eingeschrängte Branchen und lediglich für schwangerschaftsbedingte Krankschreibungen möglich.
Das Risiko einer Schwangerschaft ist so unkalkulierbar - viele entscheiden sich deshalb zu recht dagegen. Sie umgehen die Problematik, indem sie im Vornherein wählen, ob sie sich selbstständig machen oder eine Familie gründen wollen. Wenn sie doch versuchen, beides zu vereinbaren, geht es für nicht wenige um die Existenz.
Wir beklagen den Fachkräftemangel und werben für diversere Gründungen. Gleichzeitig gehen wir stillschweigend davon aus, dass in Kombination mit der Selbstständigkeit keine Kinder geplant sind. Also zumindest bei der weiblichen Hälfte der Bevölkerung nicht. Solange diese Baustelle nicht gelöst ist, brauchen wir nicht über einen horizontalen Wettbewerb oder eine Chancengerechtigkeit in der Selbstständigkeit sprechen.
Die Vielfalt der Selbstständigkeit bedeutet auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse: Ein generelles Beschäftigungsverbot ist mit der Selbstständigkeit nicht vereinbar. Eine niedergelassene Tierärztin braucht ggf. eine ganz andere Absicherung als eine freie Programmiererin. Wie stellst du dir den idealen Mutterschutz für selbstständige Frauen in der Praxis vor?
Johanna Röh: Die Vermeidung von gesundheitlich gefährdenden Tätigkeiten im gesamten Verlauf der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt muss bei jeder Erwerbsform und in allen Branchen möglich sein – und zwar ohne existenzielle finanzielle Benachteiligung. Pauschale Arbeitsverbote sind beim Mutterschutz für Selbstständige weder sinnvoll noch von irgendwem erwünscht. Es müssen Maßnahmen entwickelt werden, mit denen die Schwangeren und deren Betriebe so handlungsfähig wie möglich bleiben.
Die Bereitstellung oder Kostenübernahme einer Betriebshilfe für selbstständige Schwangere kann dafür eine Lösung sein. Die Ausführung der praktischen Tätigkeiten durch eine Vertretungskraft würde gleichermaßen die persönliche Einkommensabsicherung sowie die betriebliche Handlungsfähigkeit sicherstellen. Wo dies keine Hilfe ist, braucht es andere Maßnahmen zur Absicherung des Einkommens und der Fixkosten.
Wenn man sich die Forderungen eures Vereins „Mutterschutz für Alle! e.V." anschaut, so geht das über bessere persönliche Versicherungsmöglichkeiten weit hinaus. Die Rede ist von einer Absicherung, die bei Bedarf „Betriebshilfen" vorsieht oder das „persönliche Einkommen und Fixkosten" kompensiert. Wo soll gespart werden, um das zu finanzieren?
Johanna Röh: Die typische Angestelltensicht auf die Absicherung von werdenden Müttern ist sehr oft das Problem bei der Diskussion. Aber wir wollen nicht das haben, was Angestellte haben.
Wir brauchen Wettbewerbsgerechtigkeit mit werdenden selbstständigen Vätern und kinderlosen Freiberufler*innen. Bei selbstständigen Schwangeren nur über die persönliche Absicherung zu sprechen und die Betriebe zu ignorieren, verkennt die Lebensrealität und den Bedarf der selbstständigen Schwangeren völlig.
Und die Frage ist auch nicht, wo gespart werden soll, sondern wer denn jetzt gerade den Mutterschutz der Selbstständigen bezahlt.
Laut einer Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung bekommen etwas weniger als 27.000 Selbstständige im Jahr ein Kind. Die Kosten des Mutterschutzes, also die persönliche Absicherung, werden für die Kernzeit der 14 Wochen auf 149 bis 229 Millionen Euro geschätzt. 229 Millionen Euro, umgelegt auf 3,9 Millionen Selbstständige, ergibt einen Betrag von durchschnittlich 58,72 Euro pro Jahr und Betrieb/Selbstständige für die Absicherung des ausgefallenen Arbeitseinkommens.
Bleibt das Risiko wie bisher für die meisten individualisiert, entstehen jeder Schwangeren durchschnittliche Kosten in Höhe von 8481,48 Euro, die sie selbst tragen muss. Die Frage ist also nicht, wo gespart werden muss um das zu finanzieren, sondern wie diese Kosten solidarisch verteilt werden können, damit der Kinderwunsch der selbstständigen Frauen kein teures Hobby bleibt und alle Selbstständigen auch auf der Grundlage Ihres eigenen Gewinns dazu beitragen, dass schwangere Frauen abgesichert sind.
Und natürlich ist es etwas komplizierter aber wir reden nicht über Unsummen. Die Ausweitung der Umlage U2 auf Selbstständige zur Finanzierung des Mutterschutzes ist eine gute und schnell umzusetzende Möglichkeit, die unseres Erachtens auch einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. November 2003 zur Finanzierung von Mutterschutzleistungen entspricht und leicht umzusetzen ist. Demnach begründet Art. 6 Abs. 4 GG keine Pflicht des Staates, die Kosten des Mutterschutzes allein zu tragen.
Zudem: Wir wollen und können nicht warten, bis das System an sich reformiert ist und alle anderen Baustellen für Selbstständige gelöst sind. Wenn wir dafür plädieren, erst andere Abgaben zu senken, bevor wir selbstständige Schwangere absichern, fechten wir den Streit um zu hohe Steuern und Sozialabgaben der Selbstständigen auf dem Rücken der Frauen aus. Ohne eine Absicherung in der Schwangerschaft haben werdende Väter und Kinderlose einen krassen Wettbewerbsvorteil.
Die Absicherung der Betriebe könnte mit Steuermitteln ergänzt werden, da der Staat ein gewisses Interesse daran haben sollte, die Infrastruktur und Arbeitsplätze zu sichern.
Was ist dein Rat an selbständige Frauen mit Kinderwunsch, für den Fall, dass die Politik hier nicht handelt?
Johanna Röh: Ich will es nicht beschönigen: Ich rate in manchen Branchen, gerade im Handwerk dazu, nicht zu gründen, bevor die Familienplanung nicht abgeschlossen ist. Wer dennoch beides angehen möchte: Geld für die Fixkosten zur Seite legen, Kranken(tage)geld absichern, ein Jahr lang richtig, richtig gut verdienen, im nächsten Jahr schwanger werden und das Kind bekommen. Das kann auch bedeuten, mit den Kindern warten, bis es eventuell zu spät ist. Viel Erfolg…
Wie ist der Stand der Dinge aktuell?
Johanna Röh: Mona Neubaur (Anm.: Wirtschaftsministerin Land NRW, Bündnis 90/Die Grünen) hat im März 2024 eine Bundesratsinitiative zum Mutterschutz für Selbstständige eingebracht, die positiv entschieden wurde.
Im Wirtschafts- und Familienministerium werden derzeit immernoch Ideen gesammelt und Maßnahmen diskutiert. Wir tun alles, um hier zu unterstützen und unsere Perspektive aus der Praxis einzubringen. Wir haben dafür unter anderem ein Bündnis für den Mutterschutz für Selbstständige gegründet und eine „Gemeinsame Erklärung” erarbeitet, die schon von über 30 Verbänden unterzeichnet wurde. Wichtig ist für uns zu sehen, dass parteiübergreifend Einigkeit herrscht, dass Handlungsbedarf besteht.
Vielen Dank, liebe Johanna Röh
...Ok, und jetzt?
Dass in der Sache etwas passieren soll, darüber herrscht bei Verbänden und Parteien Konsens. Die Frage ist nur wie. Denn natürlich muss die Finanzierungsfrage stimmig für alle Selbstständigen beantwortet werden. Wer da an keiner anderen Stelle Kosten sparen will, der landet schlicht bei Mehrbelastung.
Nicht wenige Selbstständige schätzen zudem die Möglichkeit sich individuell zu versichern und eben nicht alles solidarisch absichern zu müssen. Die Debatte um neue Umverteilungsprojekte darf man daher durchaus kontrovers führen. Etwaige Wettbewerbsnachteile, die durch persönliche Entscheidungen zustande kommen, solidarisch ausgleichen zu müssen, wird nicht jeden als Argument für Gerechtigkeit überzeugen. Zum Unternehmertum gehört die grundsätzliche Bereitschaft Risiken selbst zu tragen und die Lebensplanung nicht von der Versicherung abhängig zu machen.
Noch mehr Pflichtbeiträge und mehr Bürokratie (natürlich bringen Umlageverfahren Bürokratie..), noch höhere Sozialversicherungsbeiträge und zusätzliche Steuerbelastung dürfte mehr Leuten die Selbstständigkeit verhageln, als fehlender Mutterschutz Frauen von der Gründung abhält.
Über die Hälfte der Selbstständigen (59% laut Statistischem Bundesamt (Si apre in una nuova finestra)im Jahr 2019) und davon mehrheitlich die Frauen, sind gesetzlich krankenversichert (vgl. Kay 2024, S.5) (Si apre in una nuova finestra). Sofern sie freiwillig gesetzlich versichert sind, nehmen sie eine Ungleichbehandlung gegenüber Angestellten sowohl in der Beitragsbemessung, als auch bei verschiedenen Leistungen bisher hin. Sie können aber den Anspruch auf Mutterschaftsgeld mitversichern. Eine Reform der Höhe und des Umfangs, ist Bestandteil der aktuellen Debatte.
Laut IfM Bonn haben nur die Hälfte der selbstständigen Frauen im relevanten Alter überhaupt Muttschaftsleistungen in ihrer Krankenversicherung mitversichert, nur ein Viertel hat tatsächlich Leistungen bezogen (ebd (Si apre in una nuova finestra)., S.14).
Das größte Problem scheint mir bei Ausfall durch Schwangerschaft tatsächlich nicht in der individuellen Absicherung der Frau zu liegen, sondern in der fehlenden Absicherung ihres Betriebs.
Nun kann man spekulieren, ob generell mehr Frauen gründen würden, wenn bei möglichen Schwangerschaften auch das Geschäft bei Ausfall abgesichert wäre. Das wiederum betrifft aber nur bestimmte Gründungen und Betriebe.
Und mit solchen Annahmen wäre ich vorsichtig.
Wir sehen es in der MINT-Förderung. Dort sind Frauen - trotz aller politischen Anstrengungen - weiterhin unterrepräsentiert (Si apre in una nuova finestra). Auch ob mit besserem Zugang zu Risikokapital plötzlich mehr Startups von Frauen gegründet werden, ist nicht gewiss. Das heißt nicht, dass in der Richtung nichts geschehen muss. Die weiblichen Präferenzen scheinen aber bei anderen Gründungsformen zu liegen und das ist nichts, was man beheben müsste. Das Ziel muss sein, Unternehmertum in jeder Form zu normalisieren. Darum ist es wichtig, dass wir diese Debatten führen.
Wenn Deutschland es weiterhin versäumt Entrepreneurship Education in den Bildungsweg (Si apre in una nuova finestra) zu integrieren, wird jedes Hinterherbessern nur ohnehin gründungsaffigen Frauen helfen, aber Selbstständigkeit nicht grundsätzlich selbstverständlich machen.
Wenn man sich die mauen Gründungsstatistiken der letzten Jahre anschaut, den Frauenanteil sieht, die schwache Geburtenrate (Si apre in una nuova finestra) dazu nimmt und die ausbaufähige Frauenerwerbsbeteiligung (Si apre in una nuova finestra), dann wird jedem klar, dass Deutschland - Land der Umlageverfahren - ein Interesse an mehr Kindern und an mehr Gründerinnen haben muss. Aber um beides zu haben, muss man die fehlende Gründungsneigung von Frauen in den Blick nehmen. Frauen können Mütter sein, aber sie können vor allem auch sein, was sie wollen. Gesellschaftliche Rollenbilder und die von mir so oft benannte fehlende Kultur der Selbstständigkeit, sind etwas, das man über den eigenen Lebensentwurf verändern muss.
Wenn man will.
Wie wird aus Teilzeit-Republik Gründerinnen-Land?
Nur wenn Frauen sich selbst dazu entscheiden. Und die Marktwirtschaft als Freiheits-Projekt entdecken. Wir müssen uns in diesem Land mal darauf verständigen, ob Unternehmertum generell cool ist und nicht immer nur neue Sozialversicherungen besprechen.
Der größte Vorteil der Selbstständigkeit für Frauen dürfte in der Möglichkeit liegen, den Lebensentwurf und die Arbeit stimmig selbst zu gestalten und „Gleichstellung” selbst zu erreichen. Kinder müssen nicht das Ende des beruflichen Aufstiegs sein, man kann sich in jede Richtung weiterentwickeln, muss an keinem Chef vorbei, es gibt keine Einkommensgrenzen, auch nicht wenn man weniger als 40 Stunden arbeitet und man kann sich zur Expertin einer Sache machen, für die man sich wirklich interessiert. Arbeit muss kein Job sein und die Chancen, sich aus alten Strukturen herauszuarbeiten, sind heute vielfältig.
Frauen brauchen aus meiner Sicht keine spezielle Gründungsförderung.
Mit dem Argument fehlender staatlicher Absicherung, müsste man generell von der Selbstständigkeit abraten.
Wenn wir Frauen uns von den Umständen so sehr abhängig machen, dann braucht sich über die Teilzeit-Republik und Pay-Gaps niemand wundern. Und wir überlassen weiterhin das ganze Business den Männern.
Was Frauen also auf jeden Fall gebrauchen können sind Vorbilder, Vorbilder, Vorbilder. Leute, die an sie glauben, damit sie an sich selbst glauben. Wer diesen Effekt aus dem eigenen Leben kennt, der weiß, welchen Unterschied es macht.
Und sie brauchen Interesse an unternehmerischem Know-How. Dazu gehört das Wissen um gute Geschäftskonzeption, Positionierung, Finanzbildung, Investitionen, Vorsorge und Steuern. Diese Themen spannend zugänglich zu machen, kann einen Beitrag dazu leisten, Gründungslust zu wecken.
Unternehmerisches
—-WERBUNG—NEUES FORMAT—-
(Si apre in una nuova finestra)Apropos Steuern, Positionierung und Geschäftskonzeption: Für den Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg habe ich mich mit Jens Henke, Steuerberater und Vizepräsident des Verbands, zusammengetan und ein Podcast-Format umgesetzt.
In dem Podcast unterhalten wir uns über aktuell heiß diskutierte Steuer-Themen und besprechen alles Wichtige rund um Steuern und Unternehmertum. Das Format bringt wertvolles Wissen für alle, die unternehmerisch tätig sind und wachsen wollen und sich für Geschäftsentwicklung, Unternehmertum und SteuerUnternehmertum interessieren.
Zu Gast ist je ein ausgewiesener Steuer-Experte um über ein Thema aufzuklären, das die Öffentlichkeit bewegt und vor allem, um Unternehmer, Freiberufler und Selbstständige schlauer zu machen.
Das Know-How der Branche mit dem Drive des Unternehmertums. So geht ZusammenWachsen.
Wir freuen uns über viele Hörerinnen und Hörer, Feedback und eine rege Debatte! Hör mal rein!
https://open.spotify.com/show/35H81IUI7MQrCvPAFxVCQl (Si apre in una nuova finestra) (Si apre in una nuova finestra)Zahl der Woche
(Si apre in una nuova finestra)Politisches
(Si apre in una nuova finestra)Für den Newsletter und das „Logbuch der Zukunft" von mfm-future at work habe ich einige Fragen zur Ampel-Politik und zur Selbstständigkeit beantwortet, zB. die Frage „Was spricht für die Selbstständigkeit?"
Vielen Dank an Isabella Pfaff, für die Chance und den Austausch zu einem Thema, das mich seit bald 15 Jahren beschäftigt. Der unternehmerische Lebensentwurf ist Motor für alles Neue, wenn eine Gesellschaft den Anspruch an die Selbstständigkeit aufgibt, verliert sie Freiheit.
Wir sind dabei es zu vergessen. Das ganze Interview kann man bei mfm lesen:
Die Stärkung
Was gibt diese Woche Schub?
Ein neues Format zu launchen begeistert mich jedes Mal und immer noch genauso sehr, wie zu Beginn meiner Selbstständigkeit. Die unternehmerische Arbeit und Chance mit den richtigen Menschen an tollen, selbst erdachten und selbstgemachten Projekten zusammenzuarbeiten - ist trotz der Ungewissheiten auf dem Weg dorthin - eine immerwährende Tankstelle und gibt mehr Energie, als sie entzieht. Dankbar!
Zum Gründen gehört es groß zu träumen - zum Erwachsenwerden, die Selbstständigkeit. In diesem Sinne - nicht aufhalten lassen!
Bis nächste Woche!
Cathi ✌️
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