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Qualität statt Quantität: Wie Unternehmen nachhaltig wachsen können

In diesem Newsletter erfährst du, wieso sich das Raumschiff Erde aktuell im Zerstörungsmodus befindet und was es mit unserem Wachstumsstreben als auch der Kritik daran auf sich hat. Außerdem werden alternative Formen aufgegriffen, um neue Perspektiven und Alternativen aufzuzeigen.

Das Raumschiff Erde befindet sich aktuell im Zerstörungsmodus

Die Forschungsgemeinschaft ist sich darüber einig, dass die menschengemachte Klimaerwärmung Langzeitschäden verursachen wird bzw. bereits verursacht hat. Wie genau die Folgen der Klimakrise auf die Erde in Zukunft aussehen können, hält das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in seinem Bericht „Summary for Policymakers“ fest. Wer mehr dazu erfahren möchte: Im März habe ich einen LinkedIn-Artikel (Opens in a new window) zu den Erkenntnissen des aktuellen IPCC-Berichts verfasst.

Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden ein „Safe Operating Space“ und „planetare Leitplanken“ definiert und diese visualisiert.

Diese Grafik zeigt das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen an. Für die Erde sind sechs ökologische Bereiche definiert, bei denen ein Überschreiten der Grenzen Folgen für die Menschen hätten. In vielen Bereichen sind die Belastbarkeitsgrenzen nicht definiert, unter anderem bei neuen Substanzen und modifizieren Lebensformen, Ozonverlust in der Stratosphäre, Aerosolgehalt der Atmosphäre oder der funktionellen Vielfalt.

Die Bereiche, in denen die Menschen im sicheren Handlungsraum sind, sind die Versauerung der Meere und die Süßwassernutzung. An der Grenze zum Überschreiten ist die Menschheit beim Bereich Klimawandel und Landnutzungswandel.

Ein hohes Risiko mit Folgen für die Menschheit liegen in den Bereichen genetische Vielfalt und biogeochemische Flüsse, mit sowohl Phosphor als auch Stickstoff.

Es wurden Schwellenwerte für die Erde festgelegt. Deren Überschreitung wird zu tiefgreifenden Veränderungen führen, bei denen die Möglichkeiten der Menschheit zur Anpassung begrenzt sind. Wie in der Abbildung zu erkennen, werden neun Steuerungsvariablen dargestellt: Klimawandel, Ozean-Versauerung, Ozon-Abbau in der Stratosphäre, atmosphärische Aerosol-Belastung, biogeo-chemische Strömungen (Phosphor- und Stickstoff-Kreisläufe), globale Süßwassernutzung, Veränderungen der Flächennutzung, Verlust der Artenvielfalt sowie chemische Umweltverschmutzung. Das heißt, dass zwar die Klimakrise in aller Munde ist. Es gibt allerdings auch weitere besorgniserregende Bereiche, die oftmals in der Diskussion unter den Teppich gekehrt werden. Die grüne Fläche in Abbildung 1 stellt den sicheren Bereich unterhalb der Grenzwerte dar, gelb zeigt die Zone der Unsicherheit mit zunehmendem Risiko auf und rot verdeutlicht die Hochrisikozone.

In den meisten Bereichen existieren hinreichende Informationen, um die Schwellenwerte des Erdsystems zu identifizieren sowie Risiken und Unsicherheiten zu analysieren. In Untersuchungen wurde herausgefunden, dass vier Dimensionen die planetaren Grenzen bereits überschritten haben. Diese umfassen den Klimawandel, den Verlust der biosphärischen Integrität, die Überlastung von Nährstoffkreisläufen und die Überschreitung von Landnutzungsveränderungen (vgl. Palzkill-Vorbeck, 2018, S. 20; vgl. Rockström et al., 2009, S. 20 ff.; vgl. Steffen et al., 2015a, S. 15). Warum ist das relevant? Bei Überschreitung dieser Grenzwerte wird es immer schwieriger bis unmöglich die Folgen umzukehren. Und was hat uns denn genau in diese Situation gebracht? Und wie können Unternehmen und Organisationen wirklich dagegen angehen ohne nur auf Greenwashing zu setzen?

Muss es immer Wachstum sein?

Wir sehen, die letzten Jahrzente hat der Mensch einen immensen Einfluss auf die Erde gehabt. Eine Ursache kann in unserem Streben nach "Mehr" und dem stetigen Wachstum liegen. Ich verstehe zwar, wie dies historisch gewachsen sein kann. Allerdings kann ich weniger nachvollziehen, dass wir uns weiter auf diesem Weg befinden ohne diesen wirklich in Frage zu stellen.

Aktuell widmen sich eine Vielzahl von Forscher:innen der Kritik am stetigen Wachstum. Als Vertreter treten Schneidewind in seinem Buch Die große Transformation oder Paech in Befreiung vom Überfluss auf. Schmelzer und Vetter haben viele der existierenden Kritikansätze in die folgenden sieben Argumentationsstränge eingeteilt: Ökologische, sozial-ökonomische, Kulturelle, Kapitalismus-, Feministische, Industrialismus- und Nord-Süd-Kritik. Sie alle vereinen die Kritik an der Haltung, dass Wirtschaftswachstum grundsätzlich positiv zu werten sei (vgl. Schmelzer & Vetter, 2019, S. 69–141).

Welche Alternativen zum aktuellen Wirtschaften haben wir?

Postwachstum vereint auf der einen Seite die Kritik an bestehenden Wachstumssystemen und auf der anderen Seite die Gestaltung von Visionen. Solche Zukunftsvisionen in Form von utopischen Politikmaßnahmen sowie Real-Utopien zielen auf Veränderungen in Hinblick auf die in der Frühindustrialisierung entstandenen Wachstumsgesellschaft ab.

Der Ursprungsbegriff „Décroissance“ wurde von dem französischen Philosophen Latouche Anfang der 2000er Jahre geprägt. Während sich in der englischsprachigen Literatur der Begriff Degrowth durchgesetzt hat, finden in Deutschland sowohl Diskurse zu Degrowth als auch Postwachstum statt (vgl. Kopfmüller et al., 2016, S. 46; vgl. Latouche, 2015; vgl. Schmelzer & Vetter, 2019, S. 12).

Auf Grundlage der unterschiedlichen Ausrichtungen sind entsprechend orientierte Definitionen des Begriffs Postwachstum aufgestellt worden. Erste Begriffsbestimmungen charakterisierten ihn als gerechte Reduzierung von Produktion und Konsum, bei der das Wohlergehen der Menschen und die ökologischen Faktoren verbessert werden (vgl. Schneider, Kallis & Martinez-Alier, 2010, S. 108 f.). Gegenwärtige Vorschläge stellen beispielsweise den Transformationsprozess in den Vordergrund (Burkhart et al., 2017, S. 108 f.):

Degrowth steht für einen Transformationspfad hin zu Formen des Wirtschaftens und der gesellschaftlichen (Selbst-)Organisation, in denen das Wohlergehen aller im Zentrum steht und die ökologischen Lebensgrundlagen erhalten werden. Dies schließt eine grundlegende Veränderung der alltäglichen Praxis im Umgang miteinander und einen umfassenden kulturellen Wandel ebenso ein wie eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise mit ihren Wachstums-, Wettbewerbs- und Profitzwängen.

Gleichzeitig bündelt der Postwachstumsdiskurs zahlreiche Konzepte, Begriffe und Vorschläge auf unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft und Politik (vgl. D’Alisa, Demaria & Kallis, 2016; vgl. Schmelzer & Vetter, 2019, S. 146). Zum einfacheren Verständnis unterteilen Schmelzer und Vetter die postwachstumsorientierten Vorschläge basierend auf den sieben Kritikformen in fünf Strömungen: institutionenorientiert, suffizienzorientiert, commonsorientiert, feministische sowie Kapitalismus- und globalisierungskritisch. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind in der Tabelle abgebildet.

Es handelt sich um eine Tabelle der fünf Strömungen mit den Kernaussagen aus dem Text.

Welchen Beitrag kann Suffizienzorientierung Leisten?

Auf Basis ökologischer, kultureller und Industrialismuskritik formt sich die spannende Bewegung um suffizienzorientiertes Postwachstum. Strategien der Suffizienz zielen auf einen Eingriff in Konsum und Lebensstile, in dem eine Nachfrageminderung von vor allem ressourcenintensiven Gütern und Dienstleistungen angestrebt wird (vgl. Palzkill-Vorbeck, 2018, S. 22; vgl. Hennicke et al., 2021, S. 25).

Das Ziel der suffizienzorientierten Postwachstumsströmung liegt in der radikalen Verminderung des Ressourcenverbrauchs mithilfe von Entkom- merzialisierung oder veränderten Gewohnheiten. Diese umfassen Verhaltensänderungen abseits einer von Konsum getriebenen, kapitalistischen Ökonomie (vgl. Schmelzer & Vet- ter, 2019, S. 153 f.). Sie verfolgt u.a. den Ansatz, den durch Ressourcenplünderung entstandenen übermäßigen Wohlstand der Menschen zu reduzieren und das Fremdversorgungsniveau diverser Märkte rückgängig zu machen. Dabei geht es im Wesentlichen darum die Selbstversorgung der Individuen und regionale Wirtschaft mit kurzen Lieferketten zu stärken sowie den Umfang der weltweiten, kapitalistischen Wirtschaft zu reduzieren. Seiner Argumentation legt er vor allem ökologische Grenzen zugrunde. Soziale Fragen werden dabei weniger berücksichtigt. Themen wie Machtverhältnisse und Verteilungsfragen sogar komplett ausgeschlossen.

Fazit

Auch wenn sich für uns der Ansatz nach weniger Wachstum befremdlich anhört. So neu sind die Ansätze dann doch nicht. Es gibt so viel mehr Werte in Bereichen, die wir bisher nicht monetarisieren. Wir wissen, dass nachhaltige Unternehmen resilienter in Krisen funktionieren. Außerdem machen Vorbilder wie zum Beispiel Patagonia, Vaude oder WeTell es vor: Unternehmertum mit einem ernstgemeinten Fokus auf soziale und ökologische Faktoren funktioniert ganz wunderbar. Daher abschließend meine Top- Erkenntnisse für dich und dein Unternehmen:

💡 Qualität statt Quantität: Legt wert auf qualitativ hochwertige Produkte. Schaut euch genau an, woher die Ressourcen kommen und unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten. Transparenz herstellen hilft im ersten Schritt, um sich einen Überblick zu verschaffen.

💡 Ressourcenverschwendung entgegenwirken: Wo können Materialien in eurer Produktion wiederverwertet werden? Wie können sie zurück in den Kreislauf gelangen anstatt im Müll zu landen? Hier kann es auch Sinn machen sich die gesamte Customer Journey anzusehen und die Verantwortung nicht nur auf die Kund:innen abzugeben.

💡 Alte Gewohnheiten hinterfragen: Seid mutig und hinterfragt die eigenen Prozesse, Geschäftsmodelle usw. Was muss ggf. angepasst werden, um zukunftsfähig zu bleiben? Welche Maßnahmen sind erforderlich, damit Unternehmen aufzeigen, wie nachhaltiges Wirtschaften funktioniert.

💡Nicht die Augen verschließen: Machtverhältnisse und Verteilungsfragen sind zentrale Themen in der sozialen Nachhaltigkeit. Es hilft sehr, sich die eigenen Privilegien (Mann, cis, weiß, hoher akademischer Grad, aufgewachsen im globalen Norden, etc.) bewusst zu machen, um Raum für einen Diskurs im Rahmen der Diversität und sozial benachteiligter Gruppen zu schaffen.

💡 Seid liebevoll zu euch: Auch wenn ihr bereits intrinsich die Welt verbessern wollt, kommen jetzt und in Zukunft viele neue Regularien auf uns zu. Die Komplexität zu verstehen und zu überwinden braucht Zeit sowie Aufmerksamkeit. Wir können nicht alles von heute auf morgen verändern.

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Titelbild von Isaac Smith (Opens in a new window) auf Unsplash (Opens in a new window)

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