Normal. Aber gefährlich.
.png?auto=compress&w=800&fit=max&dpr=2&fm=webp)
Hi,
wenn man gerade auf die politischen Trends blickt, sieht man: Nach dem ersten Bürgermeisteramt und dem ersten Sieg bei einer Landtagswahl hat die AfD offenbar die nächste Stufe erreicht. Sie ist derzeit in Umfragen stärkste Partei - in ganz Deutschland.
Es ist längst ein realistisches Zukunftsszenario: eine in Teilen gesichert rechtsextreme AfD, die, sollte sie bis dahin nicht verboten werden, 2029 Regierungsverantwortung übernimmt. Die also nicht mehr am Rand steht, sondern mittendrin ist, das Land lenkt und nach ihrem Ideal umbaut.
Was da gerade geschieht, beschäftigt uns - und dich vermutlich auch - sehr. Deshalb wollen wir uns heute ansehen, wie es die Partei geschafft hat, so “normal” zu werden, dass “eine relevante Minderheit es für normal und akzeptabel hält, eine Partei zu wählen, die aus rassistischer Motivation Millionen Menschen außer Landes schaffen will, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Demokratieförderprojekte einschränken beziehungsweise beenden möchte und Klimaschutzmaßnahmen für unnötig hält”. So hat es der Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow beschrieben, den wir in der heutigen Ausgabe noch öfter zitieren.
Er hat, eine Leseempfehlung an dieser Stelle, weil es so gut zum heutigen Thema passt, gemeinsam mit Matthias Quent das Buch “Rechtsextrem, das neue Normal? (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” herausgegeben.
Warum passend: Weil wir uns heute den plakativen Begriff des “Normalen” anschauen wollen, den ja auch die AfD aggressiv für sich beansprucht hat. Nur: Was die AfD “normal” nennt, sollte es besser niemals werden.
Herzliche Grüße und bleib achtsam!

Wie immer gilt: Wenn du unsere Arbeit unterstützen möchtest, dann kannst du ganz leicht Mitglied werden - und den Newsletter auch als Podcast (beispielsweise via Spotify (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) hören.
Das geht ab 1,50 Euro / Ausgabe und sichert unsere Arbeit finanziell. Wir freuen uns natürlich über jede:n Unterstützer:in!
Um was gehts?
“Die AfD ist erstmals die nach Umfragen stärkste Kraft in Deutschland! Mit 25 % liegen wir einen Prozentpunkt vor CDU/CSU.”
Das hat AfD-Chefin Alice Weidel diese Woche bei X geschrieben.
Sie bezog sich auf eine Umfrage von Ipsos (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die fragte: “Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?”
Und da antwortete jede:r Vierte: AfD.
Und klar, es geht hier um einen Prozentpunkt, den die AfD vor der Union liegt, und ja, die Unsicherheit bei solchen Umfragen ist größer als das. Aber: Es ist seit Wochen klarer Trend, dass die AfD hinzugewinnt, während die Union verliert. Ob die AfD die Union mittlerweile überholt hat oder nicht - die Umfrage ist dennoch ein wirkmächtiges Signal: Für die AfD zu sein, ist normal geworden.
Oder wie es verschiedene Medien in den vergangenen Wochen geschrieben haben:
“Wenn das Radikale schleichend normal wird (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).”
“AfD-Erfolg im CSU-Land: Deutschland, ganz normal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).”
“Nach Wahlerfolg: Ist die AfD für viele eine normale Partei? (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”
“Es ist normal geworden, die AfD cool zu finden. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”
Für die AfD dürfte neben den Umfrageergebnissen vor allem das ein Grund zum Feiern sein. Dass sie als “normal” wahrgenommen wird und das viele auch so schreiben. Denn genau darauf hat die Partei seit Jahren hingearbeitet.
Indem sie beispielsweise den Wahlslogan “Deutschland. Aber normal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).” getextet hat.
Nur, die AfD ist nicht “normal” und wenn sie selbst von “Normalität” spricht, ist das kein neutraler Zustand, sondern längst ein Kampfbegriff. Welches Verständnis die AfD von Normalität hat und wie die Partei den Begriff strategisch einsetzt, darum geht es diese Woche.
🚩Das Extreme wird sagbar
Warum “normal” so erstrebenswert für extrem rechte Akteure ist, hat der Soziologe Wilhelm Heitmeyer schon vor Jahren für den Tagesspiegel aufgeschrieben. In seinem Essay (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erklärt er, dass immer das “Extreme” skandalisiert, das gemeinhin “Normale” aber weder problematisiert noch hinterfragt werde. Wahrscheinlich, weil Normalität Sicherheit verheiße und man sich im Normalen in Übereinstimmung mit dem Selbstverständlichen wisse.
Das Ziel extremer Akteure ist es deshalb, als normal zu gelten und ihren Extremismus zu der “von der Mehrheit eines Gemeinwesens geteilten Auffassung” zu machen - damit er nicht mehr ausgegrenzt werden kann. Gelinge das, dann sei, so drückt es Heitmeyer aus, das “Destruktive schwerer zu entdecken als das offen liegende Extreme”.
Und Heitmeyer macht es konkret. Für ihn geht es vor allem um zwei “basale Normen dieser Gesellschaft, die nicht verhandelbar sind - und doch immer wieder bedroht werden durch Normalitätsverschiebungen. Es ist erstens die Gleichwertigkeit und zweitens die psychische und physische Unversehrtheit von allen Menschen, die in einer Gesellschaft leben”.
Doch wie gelingt es extrem rechten Akteuren, genau diese grundlegenden Normen zu unterlaufen - und das Destruktive als harmlos erscheinen zu lassen? Eine zentrale Rolle spielt dabei das, was Götz Kubitschek als “emotionale Barriere” bezeichnet. Sie ist die Grenze, die zwischen dem Normalen und dem Extremen verläuft. Laut Kubitschek handelt es sich um ein “Bauwerk”, hingestellt vom “politisch-medialen Komplex der Alteliten”, das zwischen den “Normalbürgern”, also den Wähler:innenmassen, und ihrer Hinwendung zur extremen AfD steht.
Wirkmächtiger als jedes Verbotsverfahren soll diese Barriere laut Kubitschek sein und sich in der folgenden Frage bei den Wähler:innen ausdrücken: “Ist man sich ganz sicher, daß man das noch immer Unkalkulierbare wählen will, das vielleicht doch Böse, Häßliche, Rückwärtsgewandte, Intolerante, zu recht Verteufelte?”
Denn das ist der Deutungsrahmen, in den der “politisch-mediale Komplex” laut Kubitschek die eigentlich harmlose AfD gepresst hat. Um deshalb nicht mehr böse, hässlich, rückwärtsgewandet, intolerant zu wirken, um also die “Barriere” einzureißen, hat Kubitschek drei Methoden in der Sezession (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) beschrieben. Und natürlich, aus heutiger Perspektive ist keine davon neu, sie alle wurden wieder und wieder analysiert. Aber es ist zumindest erstaunlich, dass Kubitschek das alles so offen ausgebreitet hat - und das schon vor vielen Jahren.
Raumgewinn durch Provokation: Durch gezielte Grenzüberschreitungen sollen neue Denk- und Sprachgewohnheiten etabliert und normalisiert - das Unsagbare sagbar gemacht werden. Kubitschek erklärt es so: “Die Sprache erweitert sich um neue Begriffe, das Argumentationsrepertoire um neue Verknüpfungen, die Wahrnehmung um neue Benennungsmöglichkeiten.” Auch Wilhelm Heitmeyer beschreibt in seinem Essay genau diese Methode. Er erklärt, dass normative Grundvorstellungen zuerst über den Sprachgebrauch ausgelöst und so neue Normalitätsstandards etabliert werden sollen: “Der generelle Mechanismus von Rechtspopulist:innen ist der aggressive Sprachstil, der immer neue Eskalations- und Provokationselemente enthalten muss, damit Medien aufgrund ihrer Marktlogik für die nötige Vervielfältigung sorgen.”
Verzahnung mit dem Diskurs der Mitte: Provokante Positionen müssen immer wieder durch Verweise auf etablierte Stimmen oder gemäßigte Mitstreiter:innen abgesichert werden, um Widerspruch zu erschweren und Anschlussfähigkeit herzustellen. Kubitschek schreibt: “Verzahnen bedeutet auch: eine provozierende Sache nie ungeschützt zu unternehmen und nie alleine zu weit vorzustoßen.” Warum das funktioniert, erklärt Heitmeyer. Er schreibt, dass “Distanzierung vom Extremen relativ einfach ist, weil sie schnell über moralische Attitüden erreicht werden kann, um auf der ‘richtigen Seite’ zu stehen.” Ungleich schwieriger sei die Distanzierung von gefährlichen Normalitäten. Und genau darauf hat es Kubitschek abgesehen, auf eine Verzahnung von AfD mit radikalen Ausfällen, die es auch in demokratischen Parteien immer wieder gibt und auf die man sich beziehen kann.
Selbstverharmlosung: Um emotionale Abwehrreaktionen beim Publikum abzubauen, muss sich die AfD als harmlos und systemkompatibel darstellen. Kubitschek formulierte es ausdrücklich so, dass für dieses Vorhaben “der Begriff ‘Selbstverharmlosung’ eingeführt werden könnte”. Dahinter stehe der Versuch, die Vorwürfe des Gegners durch die Zurschaustellung der eigenen Harmlosigkeit abzuwehren. Dass es sich hier um Maskerade handelt, um bewusste Strategie, zeigt noch die Warnung, die Kubitschek hintenangehängt hat. Er warnt ausdrücklich davor, dass die “Selbstverharmlosung” nicht von einer Methode “zur zweiten Haut” werden dürfe und man deshalb aus der eigenen Harmlosigkeit nicht mehr herausfinde.
Heute lässt sich natürlich sagen: Die AfD hat sich nicht in ihrer gespielten Selbstverharmlosung entradikalisiert. Und: Die Methoden waren erfolgreich.
Die Bundes-AfD ist eine teilweise gesichert rechtsextreme Partei (Forschende lassen längst das “teilweise” weg (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) und die AfD feiert ihre größten Erfolge dort, wo sie gesichert rechtsextrem ist - in Thüringen beispielsweise unter Björn Höcke. Es ist ihr offensichtlich gelungen, ihre radikalen Positionen zu normalisieren.
Oder, wie es Wilhelm Heitmeyer schon vor Jahren vorhergesagt hat: Das Destruktive wird normal, wenn es schleichend in den Alltag einsickert - mit der Zeit verankern sich so ausgrenzende Einstellungen in der gesellschaftlichen Mitte, werden nicht mehr als extrem wahrgenommen und dadurch weniger bekämpft.
🫳Normalität als Ausgrenzung - wer nicht dazugehört, stört
Wie genau sieht sie aus, die vermeintliche “Normalität” der AfD - und wer wird darin als “unnormal” markiert? Einen Einblick gibt der Wahlkampf 2021, bei dem die Partei ihr eigenes Normalitätsverständnis öffentlich inszenierte.
Die Kulturwissenschaftlerin Sophie Schmalenberger hat damals für Belltower News (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) die ganze Kampagne analysiert. Sie nannte als ein zentrales Ziel “politisch Andersdenkende als Gefahr für das ‘normale’ Leben der Deutschen” darzustellen.
Konkret heißt das also: Die AfD-gedeutete Normalität wird so zum ausgrenzenden Kampfbegriff. Wie genau, beschreibt Schmalenberger anhand eines Wahlkampfvideos, das die AfD damals zum Slogan veröffentlicht hat. Darin werden zuerst politische Forderungen der AfD nach “sicheren Grenzen” oder einer ethno-national definierten deutschen Heimat als “normal” deklariert.
Und dann wird die Frage “Ist nicht ‘normal’ genau das, was uns heute fehlt?” mit Bildern von jungen Klimaaktivist:innen, linker Protestierender und Szenen, die die Auswirkungen der Covid-19-Restriktionen zeigen, kombiniert. Die Interpretation ist keine schwierige: Progressive gesellschaftliche Bestrebungen, Klimaschutz oder die Rücksichtnahme auf besonders gefährdete Menschen in einer Pandemie werden als Störung der vermeintlichen AfD-Normalität dargestellt.
Und für Schmalenberger geht es noch weiter. Sie schreibt, dass die “Normalität einer strukturell rassistischen, den Klimawandel leugnenden und die Gefahren rechtsextremer Gewalt verharmlosenden Gesellschaft” nicht nur zum Ideal konstruiert, sondern sogar als “kostbar, gefährdet und schützenswert” überhöht wird.
Damit wolle die AfD mobilisieren, um ihre angeblich bedrohte AfD-Normalität gegen die “unnormalen” politischen Gegner:innen und “progressive gesellschaftliche Strömungen” zu verteidigen.
Der Sozialwissenschaftler und Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hat die Normalitätsvorstellungen der AfD einmal so beschrieben, dass sie “der Bundesrepublik der 1950er-Jahre” ähneln: “schrankenfreie industrielle Produktion auf fossiler Grundlage; nationalstaatliche Souveränität; eigene Währung; geschlossene Grenzen”. Es gehe beispielsweise um Angriffe auf den Feminismus und die Geschlechtergleichstellung, um die Re-Etablierung heteronormativer Geschlechter- und Familienarrangements, um die Zurückdrängung sichtbar gelebter sexuelle Vielfalt und um eine Verfolgung der politischen Linken.
Zusammengefasst heißt das: Die AfD framt als “unnormal”, wer aus ihrer Sicht nicht dazugehört: Migrant:innen, queere Menschen, Feminist:innen, Linke. Sie werden als Bedrohung gekennzeichnet für das, was sie “Deutschland. Aber normal.” nennt. Die AfD nutzt Normalität als identitär aufgeladenes Ordnungsprinzip und inszeniert sich als Bewahrerin eines vermeintlich natürlichen Zustands - alles, was von diesem Bild abweicht, wird markiert, angegriffen, lächerlich gemacht oder kriminalisiert.
Und das geschieht bereits jeden Tag. Denn es bleibt längst nicht mehr bei Sprache. Das ausgrenzende “Normal” der AfD hat eine brutale Kehrseite - eine, die man fast schon nicht mehr bemerkt,
Am Montag, 7. April, blieben in Duisburg zahlreiche Schulen geschlossen. Eine Schule hatte zwei Schreiben mit “bedrohlichen und rechtsradikalen Äußerungen” erhalten. Der Absender kündigte darin Straftaten an, von “Säuberungen” war die Rede. Betroffen waren 14 Schulen, fast 18.000 Schüler:innen.
Am Dienstag, 1. April, wurde in Berlin ein 28-Jähriger rassistisch beleidigt und bedrängt. Der mutmaßliche Täter zeigte auf der Polizeiwache den Hitlergruß.
Am Mittwoch, 26. März, rief ein Mann in Kassel antisemitische und volksverhetzende Parolen. Eine Frau, die sich ihm entgegenstellte, wurde leicht verletzt.
Das ist nur ein winziger Ausschnitt dessen, was “normal” geworden ist. Die Beispiele sind Ausschnitte aus der “Chronik des Hasses (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” - eine längst nicht vollständige Sammlung rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland, wie sie jeden Tag passiert. Die Chronik zeigt: Es gibt längst ein rechtsextremes Grundrauschen. Und wir haben uns daran gewöhnt.
💪Was also tun?
So wirksam die Normalisierungsstrategie der AfD ist - sie funktioniert, weil andere sie geschehen lassen. Wir wollen deshalb an dieser Stelle ganz kurz die Perspektive einiger Expert:innen einnehmen und was sie empfehlen.
Professorin für Politische Theorie Paula Diehl schreibt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) zunächst, dass die “Spirale von Normalisierung und Radikalisierung” keine natürliche Katastrophe sei, sondern inmitten der Zivilgesellschaft geschehe, sie Gegenstand der Politik sei und via Massenmedien in die Öffentlichkeit gelange.
Für Diehl ist zentral, dass es dringend weiterhin Stimmen gibt, die sich gegen “antidemokratische Gedanken, Diskriminierung und Rassismus” erheben - und dass sie, genauso wichtig, auch Gehör finden. Das Problem sei allerdings, dass dies zu oft nicht geschehe, weil diese Stimmen nicht die “Aufmerksamkeitslogik” bedienten. Diehl betont deshalb, dass sich die Massenmedien ihrer Gatekeeper-Rolle wieder bewusster werden müssten und daraufhin entscheiden, was auf ihren “Bühnen” eigentlich gespielt werde und dass es doch eigentlich viel öfter diese Gegenstimmen gegen die Normalisierung des Extremen sein müssten.
Dieses Argument stärkt auch der Journalist Michael Kraske (der auch uns schon ein Interview gegeben hat (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) in einem Text für den Journalist (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Darin schreibt er, dass es sehr wichtig sei, in den Medien auch “die Folgen der Normalisierung des Rechtsextremismus zu zeigen”. Was er damit - etwas überspitzt - meint: Medien sollten nicht nur Rechtsextreme zu Sommerinterviews einladen und auf Titelseiten platzieren, stattdessen sollten sie die Erfahrungen marginalisierter Gruppen durch eben die extremen Akteure stärker berücksichtigen. Denn jedes Mal, wenn jemand von der AfD in einer Talkshow sitzt, fehlt dieser Platz für eine Betroffenen-Perspektive.
Und dann sind da noch die demokratischen Parteien. Sie tragen die wohl größte Verantwortung zurzeit, die AfD nicht noch größer zu machen. In einer Analyse (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) für das Deutsche Institut für Menschenrechte schreibt der Jurist Hendrik Cremer, dass die politische Abgrenzung zur AfD von “zentraler Bedeutung” für den Schutz der Demokratie sei. Die anderen Parteien, so Cremer, müssten auf allen Ebenen “eine klare Linie der Abgrenzung zur AfD praktizieren” - auch wenn das parlamentarisch unbequem sei. Keine gemeinsamen Anträge. Keine Ämter für AfD-Mitglieder. Keine Normalisierung im Diskurs. Keine Kooperation - nirgends.
Aber genau das passiert. Und zwar immer häufiger. Friedrich Merz stimmt im Bund mit der AfD ab, Jens Spahn verweist darauf, wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt hätten und dass man mit der AfD doch so umgehen sollte, wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch, in Thüringen wird erstmals ein AfD-Kandidat in ein hohes Amt am Landes-Verfassungsgericht gewählt, auch mit Stimmen der demokratischen Parteien und in Sachsen fordert ein CDU-Kreisverband direkt das Ende der Brandmauer zur AfD.
Anstatt mit der AfD gemeinsame Sache zu machen und die AfD weiter zu normalisieren, fordert Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow deshalb eine Umorientierung der demokratischen Parteien - hin zu einer “gerechtigkeitsorientierten Politik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”. Diese Politik müsse dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum ebenso ernsthaft begegnen wie der Kinderarmut und der defizitären Situation in Kitas und Schulen. Es gehe darum, Idee und Praxis von Demokratie wiederzubeleben und entsprechende Selbstwirksamkeitserfahrungen schon in jungen Jahren ermöglichen. Und: Diese Politik müsse kontinuierlich für Menschenrechte eintreten, Menschenrechte auf Alltagskonstellationen beziehen und Normalitätsvorstellungen pluralisieren.
Was wir also brauchen, ist nicht die Normalität der AfD - sondern eine Normalität, die Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als gesellschaftliche Realität anerkennt und diese auch verteidigt.
→ Dir hat unser heutiger Newsletter gefallen und / oder du hast was dazugelernt? Dann unterstütze uns gern und werde Mitglied (das geht ab 1,50 Euro / Ausgabe). Damit hilfst du uns und sicherst die Zukunft von Wie Rechte reden - vielen Dank 🫶
Um hinter die Paywall zu gelangen, musst du Mitglied werden - ab 1,50 Euro / Ausgabe.
Zur Mitgliedschaft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Déjà membre ? Connexion (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)