Passer au contenu principal

VH25 Krisenjahr 1923, VI. Teil. Hugo Stinnes und der Sturz Stresemanns nach nur 51 Tagen im Amt

Elmer Bushnell, A new deal, Bellingham Herald, 15. Oktober 1923

Reichskanzler Stresemann hatte seit seinem Amtsantritt Mitte August verzweifelt versucht, Frankreich im Gegenzug für einen deutschen Abbruch des Ruhrkampfes zumindest einige Zugeständnisse abzuringen. Aber der französische Ministerpräsident blieb hart: Poincaré ließ sich auf keine Kompromisse ein. Sein Verständnis von Sicherheit sah eine dauerhafte Schwächung Deutschlands - des "Erzfeindes" und potentiell immer noch mächtigsten Staates in der Mitte Europas vor.

Angesichts der Haltung Poincarés und seiner verzweifelten finanziellen Lage - die Hyperinflation schritt weiter fort - blieb Berlin damit nur die bedinungslose Kapitulation - die zweite nach der Niederlage im Weltkrieg fünf Jahre zuvor. Am 26. September 1923 verlautbarten Reichspräsident und Reichsregierung in einer offiziellen Erklärung:

"Das Wirtschaftsleben im besetzten und unbesetzten Deutschland ist zerrüttet. Mit furchtbarem Ernst droht die Gefahr, daß bei Festhalten an dem bisherigen Verfahren die Schaffung einer geordneten Währung, die Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens und damit die Sicherung der nackten Existenz für unser Volk unmöglich wird. Diese Gefahr muß im Interesse der Zukunft Deutschlands ebenso wie im Interesse von Rhein und Ruhr abgewendet werden. [...] Um das Leben von Volk und Staat zu erhalten, stehen wir heute vor der bitteren Notwendigkeit, den Kampf abzubrechen."

Aber auch nach diesem "zweiten Versailles" kehrte Paris nicht an den Verhandlungstisch zurück. Der Historiker Volker Ullrich sieht dahinter "das Kalkül, das Chaos in Deutschland noch zu verstärken und auf diesem Wege den separatistischen Bestrebungen im Rheinland weiteren Auftrieb zu geben." Statt mit der deutschen Regierung zu sprechen, verhandelten die Franzosen lieber direkt mit den Vertretern der Ruhrindustrie - und die repräsentierte damals ein Mann: Hugo Stinnes, Großindustrieller und politisch äußerst einflußreich.

Stinnes, der "Inflationskönig", galt als reichster Mann Europas. Nebenbei war er noch (DVP-)Reichstagsabgeordneter; mit der Deutschen Allgemeinen Zeitung verfügte er zudem über ein wichtiges mediales Sprachrohr. Seit Ende September arbeitete der Tycoon auf verschiedenen Wegen daran, die Große Koalition in Berlin zu unterminieren. Für die Großindustrie hatte die Regierung mit dem Abbruch des passiven Widerstand offensichtlich ihren Zweck erfüllt.

Der Hebel zum Sturz der Koalition war die Forderung der Stinnes-DVP (die "Monarchisten" in der Karikatur) nach einer Abschaffung des Achtstundentages (den Stinnes ironischerweise mit dem historischen Stinnes-Legien-Abkommen im November 1918 erst ermöglicht hatte). Während sich die SPD-Minister kompromissbereit zeigten, lehnte die SPD-Reichstagsfraktion eine Erhöhung der Arbeitszeit kategorisch ab. Stresemann hatte damit keine Mehrheit mehr im Reichstag: Nur eine Woche nach der Beendigung des Ruhrkampfes und nach gerade einmal 51 Tagen im Amt informierte er Reichspräsident Ebert am 3. Oktober 1923 über den Rücktritt der Reichsregierung. Stinnes schien - wieder einmal - gewonnen zu haben.

__

Verweise / Links

Volker Ullrich, Deutschland 1923. Das Jahr am Abgrund, München 2023.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Allgemeine_Zeitung_(1919%E2%80%931945) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Sujet Geschichte

0 commentaire

Vous voulez être le·la premier·ère à écrire un commentaire ?
Devenez membre de Visual History - Geschichte, Politik und KARIKATUR et lancez la conversation.
Adhérer