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Schreiben mit allen Sinnen

Im letzten Writing Prompt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) habe ich angeregt, dich einmal mit deiner Fähigkeit, Orte zu beschreiben, zu beschäftigen. Die konkreten Handlungsorte einer Geschichte gleichzeitig so plastisch zu beschreiben, dass die Lesenden sich dorthin versetzt fühlen, und diese gleichzeitig nicht mit seitenlangen Beschreibungen zu quälen, ist eine große Kunst. Dabei ist es wichtig, die Balance zu finden. Oft stecken Autor:innen viel Arbeit in die Handlung und die Dialoge, vergessen aber leider, das ganze räumlich zu verorten und nennen nur lapidar “das Büro” oder einer “Lichtung”. Darunter kann sich aber alles und nichts verbergen. Man spricht dabei vom “White Room Syndrom”: Die Figuren sitzen sozusagen in einem leeren, weißen Raum. Wenn man es geschickt anstellt, kann man aber über die Ortsbeschreibung sehr viel transportieren: Von einer bestimmten Atmosphäre über die Gefühle der Figuren bis hin zu ihrem Charakter oder Details, die die Handlung vorantreiben oder Spannung erzeugen. Es macht eben einen Unterschied, ob auf dem Schreibtisch des Detektivs ein Familienfoto steht oder eine Flasche Wodka.

Wenn ich Teilnehmer:innen in einem Schreibworkshop bitte, einen Raum zu beschreiben, tun sie dies in der Regel, indem sie erzählen, was man darin sehen kann, etwa Aktenregale, Glastüren, volle Aschenbecher oder zerbrochene Fenster, um beim Beispiel des Detektivs zu bleiben. Wenn du eine lebendige Atmosphäre schaffen willst, reicht dies jedoch nicht - denn wir nehmen so viel mehr wahr, als wir sehen. Eine gute Beschreibung nutzt mehrere Sinne:

Was kann man in der Situation hören?
Ein knarzender Fußboden kann die Spannung erhöhen, während das Geräusch fallender Kirschblüten deinen Leser:innen zu Tränen rührt. In einem Club ist die Musik vielleicht so laut, dass man sonst nichts mehr wahrnimmt. Und hört sich das Schlagen von Wellen am Strand nicht irgendwie nach Glück an?

Riecht es nach etwas?
Gerüche transportieren Gefühle, aber auch Erinnerungen – denk nur an das Parfum einer geliebten Person, dessen schwacher Rest noch in einem alten Kleidungsstück hängt, oder den Duft von frischgebackenem Apfelkuchen. Andererseits können Gefühle auch Ekel auslösen. Starke Gerüche können die Atmosphäre eines Ortes verdeutlichen, wie etwa der Geruch nach Desinfektionsmitteln in einem Krankenhaus, oder den Charakter einer Person beschreiben (z.B., wenn jemand ungepflegt ist).

Gibt es etwas, was man spüren oder ertasten kann?
Diese Art der Wahrnehmung ist in der Regel mit einer Handlung verbunden: Wenn eine Person geht, könnte der Boden unter ihr sich weich anfühlen, sie könnte darin versinken oder kleine Steine in ihre Fußsohlen piksen. Nimmt sie ein Getränk entgegen, könnte das Glas sich erfrischend kühl anfühlen, vielleicht auch feucht oder sogar glitschig.

(Wenn es passt) Kann man etwas schmecken?
Dieser Sinn lässt sich nicht immer einbauen, aber wenn, solltest du die Chance nutzen. Wir wissen doch schließlich alle, dass Schwimmbad-Pommes noch mehr schmecken als Kohlehydrate und Frittierfett, nicht wahr?

Wie oben schon angedeutet, gilt es auch hier, die Balance zu finden: Du musst nicht alle Sinne einbeziehen (zwei genügen schon). Vor allem aber musst du dich beschränken: Du musst nicht jede Kleinigkeit beschreiben, sondern nur die, die für deine Geschichte wichtig sind. Was weder die Handlung vorantreibt noch für die Charakterisierung einer Figur wichtig ist, darf getrost gestrichen werden. Dieser Rat gilt im Übrigen nicht nur bei Beschreibungen – dazu zu anderer Gelegenheit mehr.

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