Sahra, Frieden und Rechtsrocker
Guten Abend etwas später heute,
bekommt ihr bei "Für Vernunft und Gerechtigkeit" auch solche "Deutschland. Aber normal."-Vibes? Das letzte war der Wahlkampfslogan der AfD bei der Bundestagswahl 2021. Das erste ist das Motto von Sahra Wagenknechts neuer politischer Formation. Ich muss zugeben, ich bin ein wenig enttäuscht von Wagenknecht und Fans. Okay, ein Millionär, aber sonst nur ihre bekannten Unterstützer*innen aus der Linken. Einige aus Nordrhein-Westfalen, und hier zum Teil an verantwortlichen Stellen aktiv. Im Landtag war die Linke hier zwei Jahre, von 2010 bis 2012. Dass es danach nicht geklappt hat, liegt bestimmt nicht nur an Sahra und ihren Fans. Aber Erfolg sieht anders aus. Was jedenfalls bei der Vorstellung des Wagenknecht-Projekts nicht dabei war: Überraschungen. Keine spannenden Personen, keine massenhaften Umbenennungen, Wechsel oder Abspaltungen von Landtags- und Ratsfraktionen oder Kreisverbänden. Das ist schwach.
Und in der Linken atmet man auf. Im WDR erzählt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) sogar ein Mitarbeiter von Andrej Hunko, dass er froh, ist dass sein Chef und die anderen die Partei verlassen haben. Ich habe über die Linke zwar nichts geschrieben, mit ein paar Menschen gesprochen habe ich aber schon. Um ein vorsichtiges Bild zu zeichnen, die Linke verändert sich. In den ersten Tagen haben sich Aus- und Eintritte in die Partei ungefähr die Waage gehalten. Mir gegenüber sprach jemand von einer "Metamorphose" der Linken. Man wird schauen müssen, ob dieses Bild auch in ein paar Wochen noch stimmt. Ich bin jedenfalls überrascht, dass Menschen nur weil Sahra Wagenknecht und Co. ausgetreten sind, schon in die Partei eintreten. Ich hätte gedacht, dafür müsse eine inhaltliche Neuausrichtung schon klarere Formen angenommen haben.
Zur Lage der Linken mag ich euch einen Text von Benjamin-Immanuel Hoff (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) empfehlen, den ich eh für einen der klügsten Menschen in dieser Partei halte, und den ich tief in mein Herz geschlossen habe, als er vor Jahren einen Parteitag mit den Worten "Im Zweifel sollt ihr aufstehen und eine Müllsammlungsbewegung gründen." beendet hat. (Es ging wirklich darum, dass die Delegierten ihren Müll einpacken sollten.)
Funktionäre einer Ein-Personen-Partei, sogar der Sohn des Gründervaters persönlich, haben sich letzte Woche an der Organisation einer Anti-Israel-Demonstration in Düsseldorf beteiligt. Die Rede ist vom "Team Todenhöfer". Wundert das jemanden? Mich nicht. Um abstruse Kleinparteien soll es hier auch nicht weiter gehen, sondern um eine Demo von 7000 Menschen, denen es um nicht weniger ging als Hass auf Israel auszudrücken. Ausführlich habe ich das ganze im nd beschrieben:
Einen Tag später sollte es in Köln dann um Frieden gehen. Aufgerufen hatten "Jüdische und palästinensische Freund*innen". Nun, das Wetter war schlecht, und für Frieden demonstrieren ist offensichtlich nicht so reizvoll wie gegen Israel auf die Straße zu gehen. Trotzdem sind 500 Menschen, meist aus dem undogmatisch-linken Spektrum, gekommen. Keine einseitige Parteinahme und sich gegen Polarisierung auszusprechen war ihnen ein Anliegen.
Ich finde dieses Anliegen berechtigt. Und Menschen, die für Frieden protestieren und es schaffen, sich gegen die Hamas zu positionieren, sind mir weitaus lieber als die Grusel-Linken, die bei Israel-Hass-Demos auch noch die Anpeitscher (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) spielen. Aber diese Forderungen nach Waffenruhe oder Frieden haben einen entscheidenden Knackpunkt. Was ist mit Israel? Das Land hat sich in der Vergangenheit immer wieder auf Waffenruhen eingelassen und den Schutz seiner Einwohner*innen verstärkt. Der 7. Oktober hat aber alles verändert. 1400 ermordete Menschen und 200 Geiseln, das kann sich kein Staat gefallen lassen. Israel braucht Friedensperspektiven. Die Hamas kann und will sie dem jüdischen Staat aber nicht liefern. Darüber habe ich einen längeren Kommentar geschrieben.
Mein drittes Thema in den letzten Tagen hat auch mit fanatischen Antisemiten zu tun. Am Freitag gab es in sechs Bundesländern und auf Mallorca Hausdurchsuchungen bei Neonazis, denen vorgeworfen wird, strafbare "Tonträger" produziert und vertrieben zu haben. Die Staatsanwaltschaft Celle (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) teilte im Anschluss mit, dass ein Beschuldigter verhaftet wurde, gegen vier ein Vermögensarrest verhängt wurde und mehrere zehntausend Schallplatten und CDs sichergestellt wurden. Rechtsrock erreicht nun nicht die Massen, ist für die Naziszene aber ziemlich wichtig. In der letzten Ausgabe des antifaschistischen Magazins "Der Rechte Rand", gib es ein ausführliches Interview (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) mit dem Rechtsrockexperten Thorsten Hindrichs, das ich euch wärmstens empfehlen kann. Von mir gibt es nur einen kurzen Kommentar zu den Durchsuchungen.
Hier noch ein paar andere Dinge, auf die ich euch hinweisen mag. Mit der Hilfe von "Frag den Staat" hat jemand die Dienstanweisung zum Einsatz von Tasern (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) bei der Polizei NRW, frei geklagt. Die ist ziemlich dünn, sagt der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes. Einige wichtige Dinge fehlten, etwa wird kein Wort zum Umgang mit Menschen in ein psychischen Ausnahmesituationen gesagt. Freilich, die Dienstanweisung ist nicht mehr aktuell. Aber die nächste gibt es bestimmt auch bald, bei "Frag den Staat".
Die wöchentliche Meldung aus dem Rheinischen Revier gibt es diesmal nicht, dafür einen 45-minütigen Doku-Tipp (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Im Rheinland fragen sich ja viele Leute wie es nach den Kohlelöchern weitergeht. Seen sind die versprochene Lösung. Und in Imagefilmen sieht das auch alles ganz wunderbar aus. Die Realität, etwa in Cottbus ist aber nicht ganz so schön. Da entsteht in einem alten Kohleloch der Ostsee (was für ein blöder Name). Nun ja, jetzt ist schon nicht genug Wasser für die Flutung da, so dass die sich verschiebt. Und so richtig stabil sind die Ufer auch nicht. Ob das also so ein zukunftsweisender Plan für das Rheinland ist, ich bezweifele es.
Ganz zum Schluss, noch der Hinweis auf meine nd-Kollegin Eva Roth. Die hat sich die Kürzungen im Ampel-Haushalt genauer angeschaut (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)und auch aufgeschrieben, wer dagegen aus welchem Grund protestiert. Schaut euch das ruhig mal an.
Bis bald
Sebastian
P.S.: Lob, Kritik, Anregungen? Immer her damit!