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Kein Jahresrückblick

Hallo,

die Betreffzeile ist eine Lüge. Zumindest folgt hier jetzt ganz kurz der Werbeblock für meinen Rückblick auf die Klimagerechtigkeitsbewegung. Der geht es überhaupt nicht gut. Niederlagen, Repression und Debatten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) heißt der Text im nd. Damit ist eigentlich genug gesagt. Für alles andere, was einen irgendwie emanzipatorischen Anspruch hat, sah es 2023 auch nicht besser aus.

Ich habe mich diese Woche noch ein ganz kleines bisschen mit Nordrhein-Westfalens Böser Wölfin Gloria (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) beschäftigt. Und kündige hiermit schonmal eine Wolfsreportage für das kommende Jahr an. Ich glaube, da kann man auf echt spannende Menschen und Meinungen treffen.

Das hier ist leider nicht das Gespenst des Kommunismus, sondern “das Gespenst des Fehlkaufs”. Das ist ein O-Ton des Gespensts. Das Gespenst ist die Frau und der Fehlkauf ist meine Schuld. Wir sprechen unsere Weihnachtsgeschenke jedes Jahr ab. Also nur grob. Es werden Produktkategorien ausgewählt, die wir uns gegenseitig schenken. Das klappt sehr gut, eine tolle Mischung aus Erwartungsmanagement und Spannung.

Ihre Aufgabe in diesem Jahr: Neue Handtücher. (Mit einem davon, in Tannengrün, werde ich in der Sauna nach der Wolfsjagd nicht auffallen.) Meine Aufgabe: Neue Bettwäsche. Ihr seht sie oben. Der Fehler: sie ist viel zu groß. Mir war wirklich nicht bewusst, dass es Bezüge für Decken in unterschiedlichen Größen gibt. Bei den Bettlaken, war mir das klar. Trotzdem bin ich im Wuppertaler Kaufhof beinahe verzweifelt. Der schließt nämlich zum Jahresende und haut jetzt alles raus. (Was auch das tannengrüne Handtuch erklärt.) Bei den Bettlaken war die Auswahl, als ich eine Woche vor Weihnachten im Kaufhof war, wirklich, sagen wir interessant. Es gab fast nur noch hellrosa und rot im praktischen Zwei-mal-zwei-Meter-Format.

Für Dinge wie Handtücher oder absurde Küchenutensilien wie Tortenheber oder Nudelsiebe, die nicht aus Plastik sind, war der Kaufhof ja noch ganz praktisch. Aber ansonsten hat sich das Konzept Großkaufhaus wohl erledigt. Der Kaufhof im Endstadium war allerdings ein Erlebnis. Der Elberfelder Kaufhof ist ein imposanter Bau, mit spannender Geschichte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), und wirklich groß. Immer wenn ich in den vergangenen Jahren da war, um so etwas wie ein Nudelsieb zu kaufen, war er beinahe menschenleer. Beim Kaufhof-Fleddern (man konnte sogar Teile der Inneneinrichtung kaufen) waren aber alle dabei. Schlangen an den Kassen, die sich einmal quer über die ganze Etage zogen, inklusive. Mit dem Kindheits-Kaufhof, mit Steiff-Bären und -Löwen in Lebensgröße und der Ecke, an der man neue Nintendo-Spiele ausprobieren konnte, hatte das aber nicht mehr viel zu tun.

Mir fällt nun keine wirklich schön gestelzte Formulierung ein, und ich will das hier zu Ende schreiben. Also, einmal grob. Ich glaube, die Schließungswelle bei Kaufhof wird noch einmal ganz hübsch an der Gefühlswelt der Menschen in diesem Land rütteln. Für die Westler*innen waren die Kaufhäuser, gerade in den kleineren Großstädten, ziemlich identitätsstiftend. Im Osten haben sie manchem vermittelt, dass man es geschafft hat, ein Stück Kapitalismuswunderland ist in die eigene Stadt gekommen. Jetzt schließen die Dinger. Für die Leerstände gibt es vielerorts keine tollen Ideen. Und staatlich geförderte, kreative Zwischennutzungen sind auch nicht die Lösung für jedes Problem.

Die leeren Kaufhäuser wird man lokal als weiteren Beweis dafür wahrnehmen, dass “hier alles den Bach runter geht”. Die Schuld daran werden viele Menschen dann bei der Ampel suchen, und die AfD, Friedrich Merz und Sahra Wagenknecht werden ihnen versprechen, dass es mit ihnen vielleicht keinen neuen Kaufhof gibt, dafür aber ein Deutschland, das so ist wie in der goldenen Zeit der Kaufhäuser: eine Welt, in der “Ausländer” nichts zu sagen haben, in der es nur zwei Geschlechter gibt, von denen eins am besten am Herd oder höchstens in der Kurzwarenabteilung vom Kaufhof steht, und in der man nicht darüber nachdenkt, was mit diesem Planeten passiert. 2024 wird hart. Die Reaktionär*innen schreiten voran.

Ich wünsche euch, dass ihr Silvester so verbringt, wie ihr es verbringen möchtet.

Sebastian

Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:

Wer sich für nordrhein-westfälische Landespolitik interessiert, der könnte den Jahresrückblick des Rheinblick-Podcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hören.

Mir gänzlich unbekannt war, dass die Metal Hammer ursprünglich aus meiner sauerländischen Heimat kommt. Mein alter Punkerkumpel Fabse hat das aufgeschrieben. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Ganz weit von NRW entfernt ist das Erzgebirge. Schön ist es da trotzdem. Weniger schön ist allerdings, wie die extreme Rechte sich dort immer tiefer in der Gesellschaft verankert. Die taz war in der Gegend unterwegs. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)