“Der Faschismus hier in diesem Land…”
Hallo,
vielleicht erinnert ihr euch noch an das Video (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), das am Anfang der Woche viele Menschen erschrocken hat. Hunderte Menschen, von oben gefilmt, gemeinsam rufen sie “Presente”, erheben den Arm zum römischen Gruß der Faschisten. Es wurde wenig über den Kontext des Videos gesprochen. Aber der ist wichtig, auch für Deutschland.
Am 7. Januar gedenken die italienischen Faschist*innen drei junger Faschisten, die 1978 von Linken und Carabinieri erschossen wurden. In diesem Jahr haben die “Feierlichkeiten” für größere Aufmerksamkeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gesorgt. Wenig überraschend hat man in Melonis Partei viel Verständnis für das Gedenken und plant nicht, Gesetze gegen Faschisten zu verschärfen. Wenig verwunderlich, wenn der aktuelle Senatspräsident als Abgeordneter den Gruß der Faschisten noch im Parlament gezeigt hat.
Veranstalter des Gedenkens war Casa Pound (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Die Neofaschisten haben eine große rechte Lebenswelt aufgebaut. Eigene Zentren, Musik, Fußball, rechte Lebenskultur. Es gibt einen Roman über die Bewegung, den Einstieg bildet das Gedenken am 7. Januar. Die Protagonisten sind Faschisten. Ihre Welt ist das Thema.
Auf Deutsch ist der Roman vor zehn Jahren im Antaios Verlag von Götz Kubitschek erschienen. Leicht, unterhaltsam und spannend vermittelte Ideologie. Sowas gefällt Neuen Rechten. Kubitschek verlegt solche Bücher als Inspiration für junge Rechte. Eine Inspiration für Gewalt, Rassismus und ein ekelhaft mackriges Männerbild. Jemand anders, der in Schnellroda veröffentlicht und seinem Nachwuchs vermutlich Bücher wie das obige empfiehlt, ist Martin Sellner. Er steht im Zentrum eines “Geheimtreffens”, über das “Correctiv” am Mittwoch eine ausführliche Recherche (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) veröffentlicht hat. Ihr solltet das unbedingt lesen! (Die Spiegel-Recherche (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) über den Berliner Ex-Finanzsenator Peter Kurth auch.) Aber so viel Medienkritik erlaube ich mir: Der Zusammenhang zur Wannseekonferenz, weil sie nur [!] acht Kilometer entfernt stattgefunden hat, ist doch arg konstruiert und womöglich aus Sensationslust im Text gelandet.
Die Recherche wäre auch ohne dies interessant genug. Inhaltlich ist gar nicht mal so neu, was da wiedergegeben wird. Dass die “Remigrationskonzepte” der AfD keine freundlichen Angebote sind, konnte man wirklich an zahlreichen Stellen nachlesen. Spannender aus meiner Sicht ist, dass da wirklich viel Geld direkt mit sehr aktivistischen Leuten wie Sellner an einem Tisch sitzt. Vermutlich erklären solche Kooperationen auch, wieso sich der Österreicher Sellner zunehmend in die deutsche Politik einmischt, wie zuletzt bei den Bauernprotesten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Diese Mischung aus mediengeilen Rechten und Geld macht die ganze Geschichte jedenfalls besonders gefährlich. Und na ja, Teile des Geldes aus der Correctiv-Geschichte sind ziemlich Endverbraucher*innen orientiert. Und vielleicht muss man diesen Leuten nicht noch mehr Geld hinterherschmeißen. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
In der Jungle World habe ich etwas gemacht, das mir nicht nur habituell echt unangenehm ist. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Nämlich gefordert, dass sich mehr Menschen für ein AfD-Verbot einsetzen sollen. Diese Partei hat einen verdammten Lauf. Je länger sie legal agieren kann, desto besser sind ihre Strukturen und desto tiefer können sich ihre Kader in allerlei Institutionen festsetzen. Das ist verdammt gefährlich.
Harald Thomé hat auch einen Entschluss gefasst, was er tun möchte um die Demokratie zu verteidigen. Wer Harald nicht kennt: Der ist Sozialaktivist, berät Bürgergeldbezieher*innen, schreibt mit ihnen Widersprüche und schreibt auch sonst ganz viele kluge Dinge. Harald, der in Wuppertal bei Tacheles (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aktiv ist, hat sich entschieden, in die Linkspartei einzutreten. Ich hab was kurzes über seinen Entschluss geschrieben. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Einen etwas längeren Text (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) habe ich über Unstimmigkeiten zwischen dem Bundeskriminalamt und der Kölner Polizei geschrieben. Dort gibt es ziemliche Unstimmigkeiten über die Informationspolitik des BKA. Darüber, dass Terrorverdächtige eine Kirmes ausgespäht haben, wurde die Kölner Polizei gar nicht informiert. Anschlagspläne auf den Dom zum Jahreswechsel hätte das BKA der Öffentlichkeit gerne nicht mitgeteilt. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erhöht sowas natürlich nicht.
Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:
Ein Thema, das eigentlich auch ganz oben stehen sollte. Wir haben heute den 12. Januar und in Nordrhein-Westfalen sind in diesem Jahr schon zwei Menschen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen gestorben. Über die Todesumstände eines Mannes, der in Aachen im Polizeigewahrsam gestorben ist, ist wenig bekannt. Mehr weiß man aus Mülheim. Dort ist ein Geflüchteter nach einem Taser-Einsatz gestorben. Der Taser wurde in einer, nach allen Berichten, höchst dynamischen Situation eingesetzt. Das soll er eigentlich, nach einer Dienstanweisung nicht. Passiert ist es trotzdem. Welche Konsequenzen das haben wird? Wahrscheinlich keine. Mein Kollege Matthias Monroy hat neben dem Fall aus Aachen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) auch den Mülheimer Fall (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aufgeschrieben.
Der letzte Hinweis führt uns in die Sportwelt. Nein, kein Nachruf auf Beckenbauer. Der Eishockey-Weltverband IIHF hat Israel ausgeschlossen. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Der Verband begründet den Schritt mit einer “Risikobewertung”. Man wolle alle Teilnehmer*innen an Wettbewerben des Verbands schützen. (Israels Teams hätten an niederklassigen Turnieren in Serbien und Estland teilnehmen sollen.) Das ganze Gerede vom Risiko oder Schutz heißt aber nichts anderes, als dass es dem Verband einfach nicht wichtig war, dass Israel teilnimmt. Die Teilnahme israelischer Mannschaften hätte höhere Sicherheitsstandards bedeutet und damit schlicht und ergreifend mehr gekostet. Sich zu entscheiden, die potenziell Bedrohten auszuschließen, ist der leichteste Weg und in diesem Fall schlicht und einfach Einknicken vor Antisemitismus.
Immerhin, hoch über Wuppertal trocknete diese Woche ein fast 20 Jahre altes israelisches Fußballtrikot in der Sonne. Womit das seltsame Titelbild auch erklärt wäre.
Schluss für diese Woche.