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Sexismus, Keule!

Teil 1/X: Das Stereotyp der anstrengenden Frau.

Hier Audio vorlesen lassen (12:35 Minuten):

Diese Woche war es mal wieder so richtig schön kumpelig im Internet: Tausende Männer klopften sich gegenseitig gönnerhaft auf die Schultern und waren sich einig: Bestes Demo-Schild EVER!

Auf dem gefeierten Schild eines Dudes aus Hamburg stand: “Demokratie ist wie meine Frau: anstrengend. Aber auch das Beste, was mir passieren konnte.” Für die, die es auf den Smartphone-Bildschirmen übersehen haben, dahinter steht noch ganz klein: “…sagt sie....”

Anyway.

Die Likes ballerten nur so rein, mehrere große Accounts machten mit dem Bild eigene Postings und in den Kommentaren regnete es Herzen und Daumen und “wahre Worte” und “toll” und “deswegen liebe ich Hamburg”.

Ja. Wirklich, fan-tas-tisch (Ironie). Nichts schweißt so zusammen wie die gemeinschaftliche Abwertung von Frauen und die unumstößliche Überzeugung, zu den Guten zu gehören und auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Applaus für diese aufrechten Demokraten, bitte! slow-clap

Als feministische Spaßbremse, die ich nun mal bin, habe ich dann unter zwei dieser Postings kommentiert. Das eine wurde kurz darauf gelöscht und der Accountbetreiber hat sich einen Tag Zeit gelassen, um dann in seiner Story den “politisch überkorrekten” Feministinnen “frische Luft” zu empfehlen und sie zu fragen, ob sie eigentlich “bekloppt” seien. Neben dem neurechten “AfD“-Sprech und dem Ableismus hat er noch ein paar weitere antifeministische Kracher rausgehauen, aber ich will dem hier gar nicht so viel Raum geben, denn es interessiert mich eigentlich nicht.

Der andere Mario-Barth-be-alike kam mir auf einer anderen Plattform unter:

Da kommentierte dann noch einer:

Weil mich auch auf Instagram ein paar unschuldige DMs erreicht haben, in denen Leute wissen wollten, was an dem Spruch denn sexistisch sei, kommt hier nun eine Erklärung. Sie ist für alle, die keine Lust zum Googlen haben, aber auch für die, die zwar wissen, dass es sexistisch ist, aber noch mehr argumentatives Futter brauchen. Here goes:

Punkt 1/3: Die anstrengende Frau ist ein Stereotyp. Stereotype sind schädlich, weil Stereotype Schubladen von Assoziationen und Verbindungen aufmachen, die stets selbsterklärend sind. Das heißt, dass sie keine besondere Begründung benötigen, weil wir sie als naturgegeben wahrnehmen. Die Frau ist anstrengend, weil Frauen eben so sind. Die Person ist fett, weil sie faul ist. Der dahinten, der nicht weiß ist, sieht kriminell aus. Stereotype, aufgrund derer Menschen handeln, werden zu Diskriminierung. Und Diskriminierung ist nicht immer “nur” eine kleine Abwertung, ein Nachteil im Job, bei der Wohnungssuche oder im Alltag. Diskriminierung kann tödlich sein. Aber so weit will ich das Thema heute nicht öffnen.

Das Stereotyp der anstrengenden Frau führt dazu, dass niemand auf die Idee kommt zu fragen, warum die Frau denn anstrengend sei. Im Falle des Demoschilds bin ich sicher: Niemand hat den Verfasser gefragt, warum er seine Frau anstrengend findet, und kaum jemand hat sich über die Aussage gewundert. Das ist übrigens ein sicheres Anzeichen dafür, dass es sich um ein Stereotyp handelt. Wenn niemand bei einer Aussage stutzt oder sie nicht versteht – warum sollte man die eigene Frau öffentlich als anstrengend beschreiben?! – handelt es sich ziemlich sicher um ein Stereotyp, mit dem man zumindest so viel anfangen kann, dass man nicht nachfragen muss. Kennste, kennste, kennste?!

Sie kennen sie alle, die anstrengende, nörgelnde Frau, die ständig was von einem will oder ihre Tage hat. Ich hätte den Verfasser gern gefragt: Was findest du denn anstrengend an ihr? Will sie, dass du deine Socken aufhebst und in den Wäschekorb tust? Nörgelt sie, weil sie dich zehnmal daran erinnern muss, die Spülmaschine auszuräumen? Nervt sie dich mit ihren Fragen, was ihr deinen Eltern zur silbernen Hochzeit schenken sollt? Oder weil sie mit dir reden will und basic Anteilnahme an ihrem Leben erwartet? Ist es dir zu viel, dass sie abends manchmal müde ist und nichts mehr kochen will? Oder wenn sie dich manchmal bittet, ihr die Wärmflasche neu zu machen, wenn sie Krämpfe hat?

Punkt 2/3: Stereotype wirken auch dann, wenn sie nicht so gemeint sind.

Da Stereotype immer bereits existieren, bevor Leute in diese Schubladen gesteckt werden, kann man sich nicht aussuchen, ob und wie sie verstanden werden, wenn man sie verwendet. Bewusste oder unbewusste Verwendung spielt ebenfalls keine Rolle, selbst wenn man das Stereotyp gar nicht kannte. Die Existenz eines Stereotyps zu negieren, nur weil man es noch nie gehört hat, ist ein komplett absurder Move. Das ist so, als würde man jemandem auf der Straße ein rotes Lichtsignal geben, und wenn diese Person dann anhält und fragt, warum man sie angehalten hat, sagen: “Wieso, ich habe dich doch gar nicht angehalten, ich hab doch einfach nur ein rotes Licht geleuchtet.” Kann man machen, ist aber ignorant und geht an jeder Lebensrealität vorbei.

Ich bin mir davon abgesehen ziemlich sicher, dass der Verfasser das Stereotyp kennt, weil er es in seinem Plakat strategisch einsetzt. Theoretisch würde das Plakat nämlich auch ohne den Vergleich mit der Frau auskommen. “Demokratie ist anstrengend, aber auch das Beste, was mir passieren konnte.” Warum hat er das nicht so geschrieben? Oder statt “Frau” “Beziehung” oder “Ehe” eingesetzt?

Das Gemeinsamkeitsangebot (oder Identifikationspotential) über die Aussage: “Demokratie ist wie meine Ehe: Anstrengend, aber gut” hätte auch funktioniert, da Leute wissen, dass Beziehungen herausfordernd sein können. Wenn eine solche als “anstrengend” beschrieben wird, bezieht sich dies auf die physischen oder mentalen Anstrengungen, die erforderlich sind, um sie zu bewältigen. In diesem Kontext hat der Begriff “anstrengend” keine per se negativen Konnotationen, sondern wird vielmehr verwendet, um Herausforderung und Intensität zu beschreiben. Es ist ein einigermaßen neutraler Ausdruck, der darauf hinweist, dass eine Anstrengung erforderlich ist, um ein Ziel zu erreichen. Das wäre gerade in diesem Kontext – Demo für Demokratie und gegen undemokratische Strömungen – absolut passend gewesen.

Die Wahl aber fiel auf die Beschreibung der Frau als anstrengend, was sich direkt auf ihr Verhalten oder ihre Persönlichkeitseigenschaften bezieht, die als belastend, ermüdend oder schwierig empfunden werden. Sie wird als die Quelle der Unannehmlichkeiten oder Herausforderungen dargestellt, und damit richtet sich das Gemeinsamkeitsangebot des Plakats eben nicht an alle, die Beziehungen führen, sondern an heterosexuelle Männer, deren Partnerinnen ihnen auf den Sack gehen, weil sie – vermutlich – die absoluten Basics in Sachen (emotionaler) Care-Arbeit von ihnen erwarten. Danach fragt aber niemand, weil das misogyne Stereotyp alle Fragen vorwegnimmt. Das Gemeinsamkeitsangebot ist damit eines der gemeinschaftlichen Abwertung von Frauen. Herzlichen Glückwunsch.

Punkt 3/3: Dass manche Frauen das Plakat auch witzig finden, zeigt, dass auch Frauen Misogynie internalisiert haben. Negative Stereotype über Frauen machen auch vor ihnen selbst keinen Halt und sich dem Applaus für die Abwertung anzuschließen kann ein “Pick-Me”-Move sein. Das beschreibt ein Verhalten, bei dem Frauen sich absichtlich “unweiblich” geben oder unter dem Deckmantel der Selbstironie bei frauenfeindlichen Witzen mitlachen, um sich von ihren Geschlechtsgenossinnen abzuheben und bei Männern einen positiven Eindruck zu hinterlassen: “Die ist nicht so wie die anderen Frauen, die ist cooler.” Sie machen sich damit unterscheidbar von jenen “überkorrekten”, spaßbefreiten Feministinnen, die bei jeder noch so kleinen, ach so unschuldigen (Ironie) Witzigkeit mit der “Sexismus-Keule” kommen. (Über die populistischen Signale, die die Wortwahl sendet und darüber, dass einer der Kommentatoren bei einem Unternehmen arbeitet, das übersetzt “Wörter machen einen Unterschied” heißt, schreibe ich dann ein andern Mal.) Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass Mitlachen manchmal der einzige Weg ist, um unbeschadet aus einer Situation zu kommen. Viele Männer mögen nämlich keinen Widerspruch und werden überhaupt nicht gern darauf hingewiesen, dass sie sich sexistisch äußern oder verhalten. Da hört’s dann schnell mal auf mit dem Einsatz für Freiheitsrechte und Demokratie für alle.

Ach ja: Dass die Partnerin im nächsten Satz verbal aufgewertet wird – ignorieren wir mal kurz, dass dieser Teil nach eigener Aussage gar nicht vom Verfasser stammt, siehe oben – , ändert nichts an der Abwertung des ersten Teils. Wer zuerst abwerten muss, um dann etwas Positives sagen zu können, hat einfach nicht ausreichend Positives zu sagen.

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