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Kooperation und Empathie anstatt ‘teile und herrsche’-Prinzip

Für einen optimistischeren Blick in die Zukunft

Wenn die kommende Bundesregierung es nicht schaffe, die Probleme des Landes zu lösen, so der explizite Vorwurf seitens der Moderator*innen des sogenannten Quadrells (RTL-Sendung mit den 4 KanzlerKandidat*innen am 16.2.2025) an die etablierten Parteien, dann bekämen wir 2029 eine Bundeskanzlerin Alice Weidel. Wie bitte? Echt jetzt?!

Was für eine Selbstverliebtheit der Medien, was für eine Ignoranz der eigenen, jahrelangen Verantwortlichkeit, was für eine unterwürfige Kapitulation, und alles nur der Dramatisierung eines ohnehin schon reißerischen Formates willen?! Ein bisschen ‘Wer wird Millionär’ mit eingebaut, ‘Mensch ärgere dich nicht’-Fragen, die nichts zur Sache tun, und gleich im Anschluss dann eine fernsehprominent, aber nicht unbedingt kundig besetzte Talkrunde mit dem Titel: ‘Wer war am besten?’. Es ging, warum auch nicht - Quote zählt schließlich, Demokratie weniger - nicht um Inhalte, Visionen, Glaubwürdigkeit und Wahrheitsgehalte, sondern um die äußerliche und oberflächliche Wirkung, Fernsehen eben, DschungelCamp.

Der US-amerikanische Historiker Robert O. Paxton beschreibt Faschismus als eine “Form des politischen Verhaltens”, das gekennzeichnet sei “durch eine obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang, der Demütigung oder der Opferrolle einer Gemeinschaft sowie durch einen kompensatorischen Kult um Einheit, Stärke und Reinheit.” Im Kern gehe es darum, die demokratischen Freiheiten und grundlegenden Frauen- und Menschenrechte abzuschaffen. Die innere Säuberung und äußere Expansion sollen “mit einer als erlösend verklärten Gewalt erreicht werden”. In seiner Analyse 'Anatomie des Faschismus' (2006) kommt Robert O. Paxton zu dem Schluss, dass Faschisten (und ja, auch Faschistinnen) immer dann näher an die Macht kommen, wenn die konservativen Kräfte einer Gesellschaft beginnen, sich ihre Techniken auszuleihen. Und genau das passiert aktuell in der Politik wie auch in den Medien. Ungehindert. Raumgreifend. Es gab nicht einmal den Versuch, die Lügen durch einen live-Faktencheck einzudämmen - der war hinter einer Paywall anstatt ihn z.B. per Bauchbinde live einzublenden.

Wer ist Wir?

Die Wirtschaft, die Bildungsinstitutionen, Brücken und Bahnen … da waren sich Weidel, Merz und die Moderator*innen der Sendung einig: dieses Land liegt am Boden. Es geht uns wahrlich nicht darum, dass unreflektiert gefeiert werden soll, was die Bundesregierung unter Olaf Scholz erreicht hat unter gewiss außergewöhnlich schwierigen Bedingungen, aber diese "obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang", dass es einen vollständigen Neuanfang bräuchte, auf dass "wir wieder stolz sein können" auf unser Land (Friedrich Merz) - Wer ist dieses 'wir' im Detail? Was bedeutet eigentlich Stolz? Und wie soll dieses Land, seine Gesellschaft gestaltet sein, zukunftsfähig werden? -, aber darum ging es nicht. Das TV-Format des Duells soll Unterschiede betonen und Sieger ermitteln. Von diesem Konzept konnte auch Robert Habeck nicht abweichen, der immerhin einmal darauf hinwies, dass Schnittmangen hier ja offensichtlich nicht im Fokus stünden.

Diese konfrontative Art des Diskurses, die demokratischen Parteien als zutiefst zerstritten zu inszenieren und gegeneinander auszuspielen, worauf sich die AfD als Hort der “Einheit, Stärke und Reinheit” präsentieren kann, trägt schon den faschistischen Keim in sich, verstärkt, was (doch?!) eigentlich verhindert werden soll, nämlich den Aufstieg faschistischer und in ihrem Kern menschenfeindlicher Strömungen und Meinungen. Und wie die Jahre zuvor auch hat die AfD wieder reichlich Gelegenheit bekommen, sich zu zelebrieren, Themen zu setzen, auf dass die anderen sich daran abarbeiten müssen: “Ihr Unfähigen” vs. “Ich, die Retterin”. Verkehrte Welt. Denn rechtfertigen muss sich nicht, wer für Einheit, Gerechtigkeit und Respekt eintritt, sondern wer das ausdrücklich nicht tut!

Wer sich das Quadrell nicht angesehen hat, war vielleicht nebenan: parallel liefen im deutschen Fernsehen 'Mission Impossible - Fallout' oder 'Abyss - Abgrund des Todes' … auch hier die bewusste und bildgewaltige Inszenierung des dystopischen Untergangs, wie gewöhnlich verhindert durch eine meist männliche Heldenfigur.

Die Heldengeschichte

Seien es konfrontativ-inszenierte Talkformate im Fernsehen, Falschinformationen in den Sozialen Medien oder die dystopischen Blockbuster-Erzählungen aus Hollywood, es ist sicher kein Zufall, dass die Heldengeschichte auch im Kontext der Radikalisierung von Menschen als emotionales und identitätsstiftendes Narrativ dient, das ihnen das Gefühl vermittelt, Teil von etwas Größerem zu sein und auch selbst eine wichtige Rolle zu spielen. Radikalisierte Personen haben ein starkes Bedürfnis, ihrem Leben Sinn zu geben. Dana Buchzik schreibt in ihrem Buch 'Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können', dass Menschen, die sich Verschwörungstheorien und radikalen Parteien und Strömungen zuwenden, das Bedürfnis haben, ihren eigenen Lebenslauf als Heldengeschichte erzählen zu können, um ihrem Dasein Bedeutung zu verleihen.

Die konkrete Form der Heldengeschichte hängt von den persönlichen Motiven ab. Manche suchen Idealismus und landen in Gruppen, die vorgeben, Gutes in der Welt zu bewirken. Andere streben nach Zugehörigkeit oder Macht und schließen sich Organisationen an, die Gewalt oder Dominanz ausüben. Diese Heldengeschichten sind oft stark emotionalisiert und teilen die Welt in ‘Gut’ (die eigene Gruppe) und ‘Böse’ (die Anderen, meistens Angehörige von Minderheiten). Dies verstärkt die Abgrenzung und stiftet Identität innerhalb der radikalen Gruppe, die, so die Überzeugung, isoliert und allein gegen die bösen Mächte aufbegehrt. Und diese Tendenzen werden verstärkt, wenn in politischen Reden, Entscheidungen und Wahlprogrammen das Gegeneinander weiter befördert wird, wenn Gruppen gegeneinander ausgespielt und jedes Wir-Gefühl verunmöglicht wird.

schmaler Gang zwischen zwei hohen Stacheldraht-Zäunen
AI-Bild, erstellt mit artbreeder

Teilen und herrschen

Die Strategie des “Divide et Impera“ – “Teile und Herrsche“ – ist seit Jahrhunderten ein Mittel der Machtpolitik. Sie zielt darauf ab, gegnerische Lager zu spalten, um sie leichter kontrollieren oder besiegen zu können. Historische Beispiele wie die römische Außenpolitik oder die britische Kolonialherrschaft in Indien zeigen, wie effektiv diese Methode sein kann, wenn sie auf externe Gegner angewandt wird. Doch was passiert, wenn diese Strategie gegen die eigene Gesellschaft gerichtet wird?

Politiker*innen, Medien und andere Interessengruppen setzen zunehmend auf Polarisierung und Spaltung innerhalb der eigenen Gemeinschaft. Sie schaffen künstliche Gräben – zwischen Blond und Rot, Groß und Klein, Autos und Fahrrädern. Statt externe Herausforderungen zu bewältigen, stehen Spaltung und Polarisierung im Inneren im Mittelpunkt, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig gefährdet.

(Wie das ‘Divide et Impera im US-amerikanischen Wahlkampf funktioniert und seitdem die dortige Politik bestimmt, erklärt Bernie Sanders in diesem Video (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).)

Das Ergebnis ist fatal: Anstatt die Gesellschaft zu einen und gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit oder wirtschaftliche Stabilität zu finden, wird ein Atmosphäre des Misstrauens und der Feindseligkeit geschaffen. Die Frage nach dem ‘gegnerischen Lager’ bleibt dabei nebulös – wer gehört überhaupt zu wem? Die vermeintlichen Fronten sind diffus und wechseln je nach politischem Kalkül. Wenn politische Akteur*innen allerdings immer stärker auf Abgrenzung setzen, bleibt kein Raum mehr für Kompromisse – das Fundament jeder funktionierenden Demokratie.

Fast schon zynisch wirkt in diesem Zusammenhang der Text auf der Website des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, der behauptet:

“Wir setzen uns dafür ein, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und der innere Frieden gestärkt werden, für Verständigung und Integration von Individuen und aller gesellschaftlichen Gruppen…”

(S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

“Wenn drei sich streiten, freut sich die Vierte”

Das alte Prinzip “Wenn drei sich streiten, freut sich die Vierte” wird zur bitteren Realität – doch der lachende Dritte ist kein Externer, sondern der Feind im Innern, der von der Fragmentierung profitiert. (Im TV-Quadrell war es Alice Weidel, die sich wiederholt von den drei anderen Kandiaten distanzierte und deren Haltung verallgemeinernd als misslungen abstempelte.)

Die Aufgabe der Politik sollte es sein, Brücken zu bauen statt Mauern zu errichten. Ein ‘Wir-Gefühl’ ist keine naive Utopie, sondern eine essenzielle Voraussetzung für das Fortbestehen moderner Demokratien. Die Geschichte lehrt uns: Wer spaltet, herrscht vielleicht kurzzeitig – riskiert aber den Zerfall des Ganzen. Zusammenhalt, Empathie, Fürsorglichkeit und Rücksichtnahme sind essenziell für das soziale Gefüge. Politiker*innen sollten diese Aspekte im Blick haben, um eine widerstandsfähige und integrative Gesellschaft zu fördern.

Wir dürfen uns darauf nicht einlassen! Haltet an den Gemeinsamkeiten fest, nicht an den Unterschieden! Schluss mit den Schubladen!

Bunte Grüße

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Almut Schnerring & Sascha Verlan

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