Framing als Chance - so werden Geschichten interessant
Framing hat einen sehr schlechten Ruf - als etwas Böses, was nur Menschen mit einer hinterlistigen Agenda machen. Dabei ist es unmöglich, nicht zu framen. Wir tun es alle. Immer. Framing ist ok. Also, atme tief durch, entspann dich. Ich zeige dir, wie du das beste daraus machst und die richtig interessanten Geschichten erzählst.

Hallo am Montag! Nach einer vollen Woche kommt der Newsletter einen Tag später - Asche auf mein Haupt. Ich bringe ein Thema mit, was mich schon länger beschäftigt. Ausgerechnet durch Nadja Abd el Farrags Tod kam Framing für mich wieder auf.
Zuerst waren viele Menschen und ich selbst betroffener von der Nachricht ihres Todes, als ich es erwartet hätte. Dann ploppten Artikel auf, die Nadjas richtigen Namen statt Bohlens Spitznamen “Naddel” nennen. Plötzlich ist sie kein Trash mehr. Sie wird als tragisches Opfer eines ausbeuterischen Mediensystems und des Patriarchats gezeichnet.
Etwas hat sich verändert. An solchen Unterschieden wird etwas sichtbar, was sowieso immer da ist: Framing.
“To tell a story is inescapably to take a moral stance"
- Jerome Bruner, Psychologe
Was ist Framing?
So wie bildende Kunst innerhalb eines Bilderrahmens stattfindet , so schauen wir auch auf die Wirklichkeit durch einen Rahmen. Aus unserem Blickwinkel stehen bestimmte Dinge im Vordergrund, während andere im Hintergrund ihren Platz haben. Manche Sachen nehmen wir gar nicht wahr.
Deutlich wird das, wenn eine Partei von “Sozialpolitik” und eine andere über die gleiche Sache als “Bevormundung” spricht. Oder Medien die Flüchtlingsbewegung 2015 als “Flüchtlingswelle” bezeichnen, während andere von “Willkommenskultur” schreiben.
Aber eigentlich gibt es den “Blick von nirgendwo” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) nie. Eine Kamera ist immer da. Ein Mensch mit einer Geschichte, mit der er die Welt für sich einrahmt.
Wie gehen wir damit um?
Das schlimmste was man tun kann, ist so zu tun, als würde Framing nicht existieren. Oder als sei Framing etwas, was nur Andere machen. Man selbst sei natürlich objektiv.
Es bleibt nicht viel anderes übrig, als bewusst damit umzugehen. Die gute Nachricht: Damit eröffnen sich viele Möglichkeiten, kreativ und konstruktiv mit Framing zu spielen und Andere dazu einladen, Dinge zu hinterfragen.
4 Möglichkeiten, ganz bewusst zu framen
🌀 1. Unzuverlässige Erzähler
„Wir sind alle unzuverlässige Erzähler unserer eigenen Geschichte“, sagt die Therapeutin Lori Gottlieb. Das gilt auch für Storytelling: Erzählfiguren (oder Interviewpartner) liefern immer eine subjektive Version der Realität.
Was du tun kannst:
Positioniere die Per son, die erzählt als Mensch mit Fehlern, nicht als allwissender Zeuge. Sie kann mal etwas vergessen haben, oder sich irren. Er oder sie hat ihre Gründe, die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu sehen. Ein Hauch von Zweifel eröffnet neue Deutungsräume – und lässt Raum für Interpretation.
Beispiel:
In Schiffbruch mit Tiger (Yann Martel) erzählt Pi mehrere Versionen seiner Überlebensgeschichte. Was davon wahr ist, bleibt am Ende offen.
👀 2. Andere Perspektiven erzählen neue Geschichten
„We do not see things as they are, we see them as we are.“ - Anaïs Nin, Schriftstellerin
Jede Person hat ihre eigene Sicht auf ein Ereignis. Mehrere Perspektiven machen eine Geschichte oft erst vollständig – oder brechen sie auf interessante Weise auf.
Was du tun kannst:
Statt nur eine Stimme sprechen zu lassen, zeig unterschiedliche Perspektiven – vor allem unerwartete. Das sorgt für Spannung und Tiefe.
Beispiel:
In Gone Girl erzählen Ehemann und Ehefrau ihre Version der Ereignisse – beide wirken glaubwürdig, aber widersprechen sich. So entsteht ein packendes Spiel mit der Wahrheit.
📌 3. Fakten sind fix – ihre Bedeutung nicht
Ein Fakt ist objektiv – aber seine Bedeutung ist kontextabhängig.
Was du tun kannst:
Stelle Fragen wie: Was könnte dieser Fakt noch bedeuten? Wer interpretiert ihn wie – und warum? Daran lässt sich eine Erzählung auf unterschiedliche Weisen aufhängen.
Beispiel:
Baby-Feuchttücher haben vorne auf der Packung in groß „Bestehen zu 99 % aus Wasser“ aufgedruckt. Klingt super! Ideal für empfindliche Baby-Haut. Ein Chemiker würde sagen: 1 % ist eine Menge – entscheidend ist, was dieser eine Prozentpunkt enthält.
❓ 4. Was hat das zu bedeuten?
Wenn etwas passiert – z. B. jemand antwortet nicht mehr – interpretieren wir es: Ghosting? Stress? Desinteresse? Oder vielleicht ist die Person einfach verhindert?
👉 Wenn du nicht weißt, wessen Geschichte du erzählen sollst, schaue wie Menschen auf ein Ereignis reagieren und warum. Meistens sind die überraschenden Reaktionen und Interpretationen diejenigen, die erzählenswert sind.
🎭 5. Fingerübung: Genres durchgehen
Überlege dir, wie man ein und dasselbe Ereignis in verschiedenen Genres erzählen könnte: Heldenreise, Tragödie, Komödie, Liebesgeschichte.
👉 Das eröffnet dir den Spielraum bei der Wahl und Gestaltung einer Geschichte.
Mehr Sehenswertes aus dem Rabbit Hole

🎧 Der Storytelling-Podcast “Heavyweight” ist zurück (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (€)
Seit Ende 2023 war mein absoluter Lieblingspodcast auf unbestimmter Zeit in der Pause. Im Herbst 2025 geht es endlich weiter! Ich freue mich auf tränenreiche Folgen mit Baby auf dem Arm.
👉 Mehr über die Hintergründe sowie ein Interview mit dem Host Jonathan Goldstein unbedingt im Podcast-Newsletter “Oh my Pod” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) nachlesen.
🔥 Campfire - Soziales Netz für Podcasts (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Wir konsumieren Streaming-Produkte heute allein. Hier habe ich schonmal über den mir fehlenden Lagerfeuer-Effekt geschrieben. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)"Campfire (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” möchte das ändern und ich freue mich sehr darüber.
📊 Hans Rosling: Die guten Nachrichten dieses Jahrzehnts?
Apropos Framing. In einem seiner legendären Vorträge zeigt Rosling, wie dieselben Statistiken zu völlig gegensätzlichen Aussagen führen können.
👉 Tipp: Sein Buch “Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”
In diesem Sinne,
Teodora
📧 Du kannst auf diese Mail einfach antworten, mit Kritik oder Anregungen.
➡️ Ist die Ausgabe vielleicht auch etwas für Freunde und Kolleginnen, die auch ihren Espresso Macchiato mit Content und Storyetlling verdienen? Leite die Mail weiter!