Flaschenpost #132: Knochentrocken präsentiert Switch 2
Ahoi Abenteurer,
ich musste gestern die ganze Zeit über schmunzeln. Zuerst als ich am frühen Nachmittag die robotisch anmutende Pressemitteilung von Nintendo las, in der davon die Rede ist, dass man einen ersten Blick auf die neue Konsole "gewährt" und "weitere Details" so in zweieinhalb Monaten, am 2. April nachliefert. Ach ja, sie soll irgendwann 2025 erscheinen...
Das war lustig, denn es gab bis auf den über 20 mal (!) wiederholten Namen "Nintendo Switch 2" keine Infos über das, was da drin steckt. Also was die Technik oder vielleicht die Spiele, die Vision dahinter oder gar den Preis betrifft. Das las sich so, als würde man nebenbei einen DLC ankündigen, der zwar vom 25. bis 27. April in Berlin spielbar sein soll, aber über dessen konkreten Release man einfach weiter schweigt.
Warum? Weil man es anscheinend noch nicht verraten will, obwohl mit der Städtetour von Europa bis Asien alles für eine Veröffentlichung nach Ostern spricht. Und mein Schmunzeln wurde zu einem süffisanten Lächeln, als ich mir danach die Enthüllung im Trailer (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ansah, als aus der Switch eine etwas größere Switch 2 mit neuen Anschlüssen morphte, die sich in ihrem Artdesign kaum unterschied. Das sah zwar schon elegant aus, aber da fehlte nur noch ein gelangweilter Sprecher im Anzug, nein: noch viel besser wäre Knochentrocken gewesen, der Skelett-Koopa, der soetwas sagt wie:
Okay Leute, ihr wisst ja eh schon alles von Genki oder The Verge, aber ich fass mal zusammen: Alles ist jetzt einen Tick größer, ihr könnt diese zwei Scheiben zur Steuerung an der Seite anders reinstecken, so dass es anders klickt. Außerdem gibts ein neues Mario Kart, natürlich mit mir als Fahrer. Ach so: Nicht jedes alte Switch-Spiel wird darauf spielbar sein. Aber alles kein Grund zur Veranlassung, bitte zappelt auf Social-Media nicht so hektisch rum, wartet wie geduldige Untote drei Monate auf die Fakten zur Hardware, den konkreten Termin, den Preis und Spiele, die vielleicht keine 9 oder 10 im Namen tragen.
Das klingt vielleicht negativer als ich es meine. Denn es ist schon köstlich, wie der japanische Publisher in eigenwillig charmanter Bescheidenheit sein Kronjuwel präsentiert. Immerhin geht es um den Nachfolger einer der erfolgreichsten Konsolen, die sich weltweit über 145 Mio. mal verkaufen konnte. Und der wird so unaufgeregt enthüllt, als wäre es irgendein Zubehör, auf dem man dann Mario Kart bald mit 24 statt 12 Fahrern auf etwas größerem Bildschirm erleben kann...
Wen interessieren da schon GPU, TeraFLOPS oder 8K-Auflösungen? Nintendo bleibt sich damit auf seine Art treu. Satoru Iwata sagte ja mal: "Wir sehen uns in erster Linie als Spielehersteller. Wir glauben, dass andere Unternehmen (auf dem Konsolenmarkt) sich in erster Linie als Technologieunternehmen sehen." Und dieser Weg führte nicht nur zu wirtschaftlichem Erfolg, sondern zu einer exklusiven Sonderstellung. Allerdings gab es dabei Rückschläge und berechtigte Kritik.
Nicht wenige Spieler und Journalisten schüttelten den Kopf, denn nicht nur was die Hardware anging, sondern auch hinsichtlich der Internet-Anbindung sowie dem eigenen Netzwerk samt Shops hinkte Nintendo der Konkurrenz meist um Jahre hinterher - und verlangte trotzdem hohe Preise. Das geschah nach dem Wechsel vom GameCube auf Wii aus zwar strategischen Gründen, denn man wollte sich nicht mehr an dem Ressourcen fressenden Wettbewerb beteiligen und neue, so genannte blaue Ozeane ansteuern.
Mit der innovativen Bewegungssteuerung der Wii konnte man dann 2006 tatsächlich Millionen neue Spieler ansprechen. Aber so manches wirkte nahezu stur. Und dass 2012 ein Controller mit Bildschirm der Star sein sollte, hat nicht gezündet. Manche fragten sich: Ist das nur Zubehör oder eine neue stationäre Konsole? Mit der schlecht vermarkteten und zum Start von zu wenig herausragenden Spielen unterstützten Wii U versegelte man sich trotz einer coolen Idee in jeglicher Hinsicht, bevor die Switch als tragbare Konsole einen konsequenteren Kurs einschlug.
Und da waren sie wieder, die Verkaufsrekorde sowohl der Hardware als auch der Spiele. Daher war abzusehen, dass die neue Konsole sicher nicht Switch U heißen und dass Nintendo weniger Risiko eingehen würde, was Experimente mit der Hardware angeht. Warum auch? Schließlich ist das Konzept der Switch nicht nur über alle Erwartungen aufgegangen, sondern trifft seit 2017 den Nerv eines Zeitgeistes mobilen Spielens, der sich auch im Erfolg des Steam-Decks, des ROG Ally oder den Plänen von Microsoft und Sony zeigt, die ihm hinterher rudern wollen.
Nintendo bewahrt sich seine Eigenheiten, über die man streiten kann, aber für die ich insofern dankbar bin, als dass sie damit auch in der öffentlichen Wahrnehmung der Großkonzerne einen Kontrapunkt darstellen. Zumal sie sich auf wirtschaftlicher Ebene, vor allem was den Umgang mit dem eigenen Personal angeht, angenehm klar gegen den asozialen Trend von Hire & Fire stellen und den Wert kreativer Mitarbeiter schätzen. Das darf man nicht überbewerten, es geht natürlich auch Shuntarō Furukawa um Gewinne, aber seine Firma hat sich - auch aufgrund der Kriegskasse - eine gewisse Gelassenheit bewahrt.
Dabei dürfte es in der Chefetage des sechsten Präsidenten von Nintendo in den letzten Wochen alles andere als ruhig gewesen sein. Zwar konnte man das Halbleiter-Problem lösen, um im ersten Jahr der Switch 2 bis zu 20 Millionen Konsolen ausliefern zu können. Aber hinter einigen verschlossenen Türen dürfte es gekracht haben - zumindest juristisch bei Genki auf der CES in Las Vegas. Man munkelt, dass Anwälte von Nintendo den japanischen Zubehörhersteller dort aufsuchten, weil deren CEO Eddie Tsai schon fast soetwas wie eine exklusive Enthüllung der Switch 2 für die Presse veranstaltete.
Man konnte ja in den letzten Wochen das Gefühl bekommen, dass die neue Konsole einfach so an Nintendo vorbei veröffentlicht wird: Das Logo kursierte ebenso wie die Hardware als 3D-Modell sowie Infos zu den Controllern, die angeblich magnetisch daran haften und den Joy-Con-Drift dank Hall-Effect vermeiden, weil der Strom über das Magnetfeld fließt und sich keine Komponenten berühren. Es wurde nicht nur über Mausunterstützung der Joy-Cons spekuliert, sondern auch über Teraflops auf dem Level des Steam-Decks. Und es hört nicht auf: Gerade eben kursierten als Termin der Juni und als Preis 450 bis 500 Dollar.
Oder anders: Der Druck auf Nintendo wurde nicht nur aufgrund der ungewöhnlich vielen Leaks, sondern auch aufgrund der Dritthersteller immer größer, die natürlich sowohl ihre Hardware als auch ihre Spiele für die Switch 2 schon für das zweite Quartal 2025 in Stellung haben. Sie warteten nur darauf, die Vorbestellungen über Amazon & Co endlich offiziell starten zu können...
Also reagierte Nintendo knochentrocken, sagte so knapp wie möglich "Feuer frei" und siehe da: in meinem Posteingang stellen Hersteller wie Nacon heute ihre Silikon-Gloves, Schutzcases sowie Joy-Con-Lenkräder vor und die digitalen Produktpaletten dürften in den kommenden Wochen ebenso überschwappen wie Meldungen zu Switch-2-Umsetzungen.
Ich bin natürlich neugierig, was die Konsole am 2. April tatsächlich zu bieten hat. Und ich bin gespannt, ob Nintendo ohne eine bisher offensichtliche Innovation, sondern mit einer eher unspektakulären Erweiterung der Konsole, die nicht mal komplett abwärtskompatibel ist, erneut so erfolgreich sein kann.
Aber letztlich fiel meine Kaufentscheidung schon im Juni 2024, als Metroid Prime 4: Beyond angekündigt wurde. Sobald Samus ihren Power Beam zündet, bin ich ohnehin dabei. Und was die Spiele betrifft, bin ich mir sicher, dass Nintendo zum Start noch die eine oder andere Überraschung parat hat.
Ich bedanke mich für die Unterstützung, wünsche lange Spielzeit und angenehme Bosse
Jörg Luibl
AKTUELLES
Shuhei Yoshida kritisiert Live-Service-Strategie: Mittlerweile ist Shuhei Yoshida nicht mehr für Sony tätig. Ich habe sein über 30-jähriges Schaffen in der Flaschenpost #126 gewürdigt und angerissen, dass es intern Differenzen über die Live-Service-Pläne gab; unter Ex-Chef Jim Ryan wurden zwölf Spiele bis 2026 angekündigt. Im Interview mit Kinda Funny Games erklärt Yoshida, dass er das nicht befürwortet hätte und deutete an, dass er vielleicht deshalb in die Indie-Förderung versetzt wurde.
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Bloodborne nur mit Hidetaka Miyazaki: Im oben erwähnten Interview wurde Shuhei Yoshida auch danach gefragt, warum Sony trotz der Rechte bisher nichts Neues mit Bloodborne gemacht hat, obwohl weltweit Fans danach rufen. Yoshida bestätigte die Nachfrage und vermutet, dass die PlayStation Studios nur mit Unterstützung von Hidetaka Miyazaki an diese Marke herangehen wollen, weil sie ihm sehr wichtig sei. Allerdings hätte der Chef von FromSoftware einfach zu wenig Zeit.
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Sony stoppt zwei Live-Service-Spiele: Zwar seien die Studios nicht in Gefahr, aber sowohl das geplante Spiel des Bend Studios, die 2019 Days Gone veröffentlicht hatten, als auch jenes von Bluepoint Games, die 2020 das Remake zu Demon's Souls und danach angeblich einen Online-Ableger zu God of War Ragnarök entwickelten, wurden eingestellt. Nach dem Scheitern von Concord hatte Sony strengere interne Prüfungen angekündigt. Tja, jetzt wo Bluepoint Games etwas Neues machen muss drängt sich natürlich umgehend wieder Bloodborne auf.
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Demo zu The First Berserker: Khazan: Das für PC, PS5 und XBS angekündigte Action-Rollenspiel von Nexon und Neople ist seit gestern Probe spielbar. Man kann die Spielstände der Demo in die Vollversion übertragen, die am 27. März 2025 erscheinen soll. Das in einem Zeichentrickstil auf Basis der Unreal Engine inszenierte Spiel kommt aus Südkorea, die düstere Fantasywelt beruht auf dem dort beliebten Online-Beat'em Up Dungeon & Fighter.
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Xbox Developer_Direct '25 am 23. Januar: Microsoft will ab 19 Uhr in seinem Stream ein neues Spiel ankündigen - man spekuliert über das Remake von The Elder Scrolls IV: Oblivion oder eine bekannte japanische Marke. Außerdem werden der Shooter DOOM: The Dark Ages (PC, PS5, XBS), das Action-Adventure South of Midnight (PC, XBS) und das Rollenspiel Clair Obscur: Expedition 33 (PC, PS5, XBS) gezeigt, dazu gab es eine Erkundung.
KABINENTRATSCH
Auszüge aus dem Foren-Thread "Was spielt ihr aktuell?":
Nathaniel Simon Laval über Talos Principle 2: Road to Elysium (PC, PS5, XBS):
"Bei Part drei bin ich jetzt erst mal ausgestiegen. Thematisch ist es mir zu sehr auf Athena und ihren inneren Konflikt fokussiert. Keine Ahnung, ob sich das noch ändert im späteren Verlauf, aber gebetsmühelnartige Selbstzweifel mit anzuhören, ist irgendwie nicht ganz das, was ich erwartet habe. Und die Rätsel? Zu viele Laser... Nein ernsthaft. ZU VIELE Laser."
Eugen über Prince of Persia: The Lost Crown (PC, PS5, XBS, SW):
"Was mich am meisten beeindruckt hat, waren die Bosskämpfe. Actiongeladen, anspruchsvoll und einfach spaßig. 15 Spielstunden habe ich gebraucht und werde vielleicht noch einige Stunden spielen, um die 100% anzugehen, mal sehen. Für knapp 20-30 Euro gibt es von mir eine klare Kaufempfehlung, wenn einem das Spielprinzip allgemein zusagt."
themistios über Dyson Sphere Program (PC):
"Geil ist, dass alles in Echtzeit abläuft und man immer den Mech steuert und noch geiler ist, dass man dann später einfach mit dem Mech abhebt und den Planeten verlässt und den nächsten Planeten ansteuert um da einfach weitere Produktionsketten aufzubauen. Aber am geilsten ist das Konzept, dass man dann irgendwann sogar die Sonne anzapft und quasi das Ganze Sonnensystem zu einer einzigen Fabrik ausbaut."
THEMEN AN BORD
Rezension: The Last of Us: Escape the Dark (Brettspiel)
In diesem Brettspiel führt man Joel, Ellie & Co mit Karten, Würfeln sowie Charakterentwicklung durch eine markant illustrierte Finsternis.
Schöne Aussicht: Die Labyrinthe von Mari Zand
Ihre Werke zierten schon den Times Square: Mari Zand entführt mit ihrer Voxel-Kunst in ferne Tempel, Labyrinthe und Städte.
Angekündigt: WILL: Follow the Light (PC, PS5, XBS)
Man is mittendrin im aufgewühlten Meer des Nordatlantiks, das beeindruckend gegen die Reling peitscht, auf der Suche nach seinem Sohn.
AUSGUCK
Ich spiele gerade:
Yield! Fall of Rome (PC)
Kingdom Come Deliverance 2 (PS5)
In Arbeit:
Im Gespräch: Christian Wilken, Japanologe (Podcast)
Kingdom Come Deliverance 2 (Rezension)
GEE#74 (Printmagazin)
Gerade erschienen (mehr dazu in der Vorschau):
Hyper Light Breaker (PC, Early Access), 14.01.
Ein Action-Roguelite in offener Welt von Heart Machine, die 2016 mit Hyper Light Drifter einen weltweit gefeierten Independent-Hit inszenierten.
Donkey Kong Country Returns HD (SW), 16.01.
Das Jump'n Run der Retro Studios konnte 2010 auf Wii und 2013 auf dem 3DS begeistern. Es kehrt in modernisierter Form inkl. der Zusatzlevel zurück.
Things Too Ugly (PC, PS4/5, XBS, SW), 16.01.
Ein Mystery-Adventure, das im Jahr 1986 spielt und den Spieler in einen Informatiker versetzt, der in Archiven wühlt und Firmengeheimnisse sucht.
In Sichtweite:
Yield! Fall of Rome (PC, iOS), 20.01.
Billionworlds aus Oslo versucht sich an stark komprimierter 4X-Strategie, die sich auf das Wesentliche konzentrieren und die Abläufe stark verkürzen will.
Final Fantasy 7 Rebirth (PC), 23.01.
Das Rollenspiel von Square Enix konnte im Februar 2024 auf der PS5 überzeugen, auch Ben haben Kampfsystem sowie Story gefallen.
Synduality Echo of Ada (PC, PS5, XBS), 24.01.
Futuristischer Extraction-Shooter aus der Schultersicht vom Game Studio aus Tokyo. Man kämpft mit KI-Begleitern gegen monströse Aliens.
ZITAT
„Wenn wir so weitermachen wie bisher, könnten die Menschen des Spielens überdrüssig werden."
(Satoru Iwata, ehemaliger Präsident von Nintendo)