Game Studies: Wie sind sie überhaupt entstanden?
Was denken Historiker, Soziologen, Philosophen und Kulturwissenschaftler über Spiele? Über was wird in den Game Studies diskutiert? Ich habe diese Reihe mit "Auf Abwegen - Folk horror, Videospiel und das Problem der Natur" von Daniel Illger begonnen. Mittlerweile gibt es dazu unter Berichte eine eigene Kategorie (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), in der alle Erkundungen und Podcasts über Game Studies einsortiert werden.
Aber warum heißt das eigentlich nicht Computer- oder Videospielwissenschaft, so wie der Studiengang Theater-, Film- und Medienwissenschaft? Oder ist das letztlich dasselbe? Seit wann beschäftigt sich der Mensch überhaupt mit dem Spiel auf geisteswissenschaftlicher Ebene? Antworten dazu liefert der frei verfügbare Artikel Game Studies (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Gundolf S. Freyermuth vor, Professor für Media und Game Studies an der TH Köln (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Darin geht es in einem kurzen Abriss um die Geschichte dieser jungen Forschungsrichtung, von Johan Huizingas grundlegenden Studien zum analogen Spiel in Homo Ludens (1938) über einen ersten digitalen Fokus in The Art of Computer Game Design (1984) von Chris Crawford bis hin zu den "Gründungsdokumenten" der modernen Game Studies in den beiden Aufsätzen Cybertext (1997) von Espen Aarseth und Hamlet on the Holodeck (1997) von Janet Murray. Dazu heißt es:
"In diesen beiden – teils gegensätzlichen, teils sich ergänzenden – Positionen kündigte sich die erste große wissenschaftliche Debatte der aufstrebenden Game Studies an. Um die Wende zum 21. Jahrhundert diskutierten zahlreiche Forscher das problematische Verhältnis zwischen den ludischen, d. h. rein spielerisch-mechanischen Elementen, und den narrativen, d. h. Geschichten entwerfenden Anteilen digitaler Spiele. Im Zuge dieser ebenso fruchtbaren wie unabschließbaren Auseinandersetzung gelang die institutionelle Etablierung der Game Studies."
Zwar spielt dieser Studiengang an den meisten Hochschulen und Universitäten immer noch eine Nebenrolle, aber entwickelt seit Anfang der 2000er einige Schwerpunkte, die manchmal in die drei Forschungszweige Rules, Play und Culture unterteilt werden. Ersterer blickt analytisch auf das Game Design und seine "künstlerisch-handwerkliche Praxis", Zweiterer konzentriert sich u.a. mit psychologischen und soziologischen Methoden auf die Wirkung von Games auf Spieler und Gesellschaft, Letzterer fragt mit kulturwissenschaftlichen Ansätzen nach der ästhetisch-künstlerischen Bedeutung.
"Als ästhetische Artefakte repräsentieren Games nicht nur die gesellschaftlichen und kulturellen Umstände, unter denen sie entwickelt wurden und werden. Dank ihrer Popularität üben sie heute – gewollt oder ungewollt – auch weitreichenden Einfluss auf die Individuen und Gemeinschaften aus, die sie spielen."
Game Studies, Freyermuth, Gundolf S. (Prof. Dr.), erschienen im (frei als PDF-Download verfügbaren) Handbuch Gameskultur (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (Zimmermann, Falk), 2020.