Passer au contenu principal

Der Dreiklang aller Drogen (WTF Happened to Russel Brand Teil 2)

Die Pandemie hat gezeigt, wie gefährlich Pseudowissenschaft werden kann, wie brüchig die Abgrenzung der Spiri-Szene von Verschwörungsmythen geworden ist oder vielleicht schon immer war.

Dafür gibt es viele Gründe – einer davon liegt in den Grundannahmen, die in beiden Szenen verbreitet sind. Das sagt zumindest der amerikanische Journalist, Autor und Podcast-Host Matthew Remski, der sich mit den dunklen Seiten von New Age, Yoga und Wellness-Kultur beschäftigt: Alles ist verbunden. Nichts geschieht ohne Grund. Nichts ist, wie es scheint.

»Wenn du Yoga praktizierst, werden dir diese Ideen sehr vertraut vorkommen« sagt Remski in einem Podcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) über die verschwörungsgläubige Kundalini-Yogalehrerin Guru Jagat. Wer auf diesen spirituellen Prinzipien nicht nur seine persönliche Entwicklung, sondern auch sein politisches Verständnis aufbaut, landet sehr schnell bei Strippenziehern, die hinter der Fassade einer heimlichen Agenda nachgehen. Wenn alles verbunden ist, kann ich mich entweder als einen Teil dieser Welt begreifen, als Kind des Kosmos, eingebettet in den ewig wirkenden Kreislauf des Lebens – Oder ich konstruiere Ursache und Wirkung, wo keine ist. Wenn nichts ist, wie es scheint, dann kann das bedeuten, dass ein Lied in allen Dingen schläft, die da träumen fort und fort und dass auch das größte Arschloch mal ein traumatisiertes Kind war und dass meine impulsive Deutung nicht immer richtig ist. Oder es bedeutet: Es gibt keine geteilte Wirklichkeit. Alle Zeitungen lügen. Die da oben wollen uns verarschen. 

Russel Brands großer Neustart 

Im Januar 2021 passiert dann etwas interessantes. Russell Brand veröffentlicht ein Video mit dem Titel: »The Great Reset - Conspiracy or Fact«. Das Video hat heute 1,2 Millionen Hits und ist damit deutlich erfolgreicher als die große Mehrheit der vorangegangenen Veröffentlichungen. The Great Reset (»Der große Neustart«) ist zu einem Schlagwort der Verschwörungsszene geworden, nachdem das Weltwirtschaftforum eine gleichnamige Initiative gestartet hatte, um für einen wirtschaftlichen und strukturellen Neubeginn nach der Pandemie zu werben. Titel, Aufmachung, die Rolle der Initiatoren – Alles daran ist wie gemacht für die Mühlen von Verschwörungsgläubigen und so war es absehbar, dass »The Great Reset« zur Neuauflage eines alten Mythos wurde: Eine mächtige, böse Elite habe die Covid-Pandemie orchestriert, um die Weltbevölkerung zu dezimieren und gleichzuschalten. 

Es ist eine alte Leier, bloß eben jetzt im Aufwind von Pandemie, Lockdown, QAnon, Querdenkern, Masken, Impfungen und Krieg. Diesen Aufwind spürt man auch bei Russell Brand. Drei Tage nachdem er sich noch fragte, ob an dem Mythos etwas dran sein könnte, veröffentlicht er ein weiteres Video zu dem Thema, wo er »tiefer eintauchen« will, wie er sagt. Es hat 2,7 Millionen Aufrufe. Es folgen viele weitere und man kann ihm über die nächsten Monate buchstäblich dabei zuschauen, wie der fragende Unterton leiser und die Überzeugung lauter wird: Globale Eliten ziehen die Strippen für eine groß angelegte Agenda. Plötzlich sieht er diese Agenda überall und – Es ist WAHR! Schon KURZE Zeit später beginnen die Videos, diese STRESSIGEN TITEL zu haben!!! Im März 2021 erfolgt ein Rebranding. Im September 2021 gerät er in die Kritik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), als er Hinweise gibt, wie Fans die Covid-Maßnahmen für seine Veranstaltungen umgehen können. Im Juli 2022, liefert er »Beweise«, dass der große Neustart wirklich geschieht. Zwei Monate später zieht er mit seinem primären Content auf die Plattform Rumble um, weil YouTube eines seiner Videos aufgrund von medizinischer Misinformation entfernt hatte.

Ich bin sehr müde

Ich habe inzwischen viele Stunden Material von Russell Brand geschaut und irgendwann fällt mir auf: Ich bin gestresst und desorientiert. Ich weiß nämlich immer noch nicht genau, worauf er eigentlich hinaus will. Es geht irgendwie darum, neue Wege für das Miteinander zu erschließen oder ein neues System aufzubauen. Es geht um persönliche Freiheit und Demokratisierung. Es ist ein Versprechen auf eine bessere Welt, auf ein besseres Leben oder einfach nur auf Erleichterung, aber es wird nie konkret. Wie genau das gehen soll und welche Maßnahmen er für sinnvoll hält, kann ich einfach nicht erkennen. Er bietet nichts als Scheinlösungen für eine Mischung aus Scheinproblemen und echten Problem und am Ende fühle ich mich ausgelaugt und allein. Es erinnert mich ans Trinken.

Ich bin in seinen Kaninchenbau gefallen. Ich bin stundenlang durch die Verschwörungsmythen geirrt, habe Quellen gecheckt und Time-Stamps herausgeschrieben. Ich habe mich dem Sog hingegeben, sogar kurz überlegt, ob ich trotz aller Kritik auf sein Festival fahren will, weil es doch ziemlich cool aussieht. Ich habe seit drei Stunden vor, meinen Freund zurückzurufen, aber wollte noch eben diese eine Sache checken. Als ich dann noch schnell das Video »They came after me« aus dem Juli 2022 anschaue, wird mir etwas klar: Russel Brand hat sich selbst zu einer Art Droge gemacht. Eigentlich beinhaltet das Video ein Interview, das mal wieder nicht beantwortet, wer da hinter wem her war und warum. Es ist auch egal, denn ich stelle fest: Der Inhalt ist egal. Es geht um die Form. Er beendet das Video mit dem emotionalen Dreiklang aller Drogen: Anspannung. Entspannung. Mehr. 

Er beendet das Video mit dem emotionalen Dreiklang aller Drogen: Anspannung. Entspannung. Mehr. 

Anspannung: Allein Titel und Präsentation rufen Anspannung hervor, eine Erwartung, einen Sog. Im Endmonolog fragt er: »Was denkst du über die grundlegende Idee, dass der Mainstream die Stimmen der Opposition unterdrückt?« Und noch bevor man »Weltverschwörung« sagen kann, schiebt er hinterher: »Siehst du, dass sie im Wesentlichen sagen: Wir wollen nicht, dass die Leute Zugang zu diesen Informationen haben?! [...]Denn was ist die Annahme? Du bist zu dumm, um eigene Entscheidungen zu treffen.« 

Die halten mich für dumm? Da kann man schonmal sauer werden, oder?

Entspannung: Ich hätte diese negativen Gefühle natürlich gar nicht erst gehabt, wenn Russell Brand mich nicht vorher angeschrien hätte, dass mich eine globale Elite für dumm hält, aber umso schöner ist es natürlich, dass ich auf seinem Kanal eine Art Safe Space vor der feindlichen Welt gefunden habe. Hier sitzt der bescheidene Russel Brand, auf einer Ebene mit uns –  Beinahe wie in einem Selbsthilfemeeting, bei dem er bloß zufällig gerade das Mikrofon in der Hand hat. »Der Unterschied zwischen uns und denen ist: Ich sehe die Welt aus einer spirituellen Perspektive, ich sehe uns alle als letztlich vereint und jedes Individuum als einen heiligen Ausdruck eines göttlichen Zwischenreichs.« Ich kann hier aufatmen, denn ich bin unter meinesgleichen. Russel Brand hat eine Antwort für mich und vielleicht hilft ja…

Mehr. Mehr. Mehr ist das Gesetz der Drogen. Wer ernsthaft trinkt, achtet darauf, dass immer mehr da ist als er braucht. Und irgendwann baucht man sehr viel, und hofft, dass noch ein bisschen mehr endlich die Ruhe herstellt, die der Drink einem genommen hat. »Aber lasst mich wissen, was ihr von diesem Video haltet, in den Kommentaren unten, gebt uns einen Daumen hoch, denkt daran, die Benachrichtigungsglocke einzuschalten.« Sagt Russel Brand. »Ich brauche euch an meiner Seite.« 

Und ich denke an den alten Spruch:

If you open your mind too much, your brain will fall out

– Wenn du deinen Geist zu weit öffnest, fällt dein Hirn raus.

Sujet Weekly

0 commentaire

Vous voulez être le·la premier·ère à écrire un commentaire ?
Devenez membre de SodaKlub et lancez la conversation.
Adhérer