Indie- gegen Legacy-Medien: Wer gewinnt?
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Wie die Politik neue Kanäle zu ihren Zielgruppen sucht.
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Hallo!
Es menschelt. Denn viele Menschen trauen heute zwar weiterhin Menschen, sie misstrauen aber Medien-Marken. Robert Habeck hat sich in den vergangenen Wochen via Meme-Video-Drop zum Creator entwickelt, der mit seinen Leuten an seinen Küchentisch den Vibe spüren will. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sucht sein Glück wie viele Politiker:innen im Podcasting. Gregor Gysi, Alice Weidel und Sahra Wagenknecht sind schon seit Jahren auf Youtube selbst menschliche Marken-Medien. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Ich persönlich halte das journalistische Handwerk für wichtiger denn je. Es ist trotzdem schwer zu übersehen, dass die Politik den klassischen Journalismus und seine Medien-Marken nicht mehr so recht ernst nehmen.
Wie die Politik ihre Zielgruppen erreichen will
Eine der Lehren der deutschen Politik aus dem Wahlsieg von Donald Trump scheint zu sein: Sie misst der Creator Economy, oder wahlweise den „alternativen Medien“, eine größere Bedeutung bei als bisher, um im Bundestagswahlkampf noch ausreichend viele Wähler:innen zu erreichen. Denn die klassischen Kanäle – Regionalzeitung, Nachrichtensendung, Boulevard – gehen kaputt. Den Umweg über traditionelle Medien nehmen Politiker:innen darum zunehmend ungern.
Trumps Besuche bei den Bros in der Manosphere halfen ihm, seine Kernzielgruppe der mittelalten weißen Männer, bei der rationale Argumente längst nicht mehr zogen, auf einer Vibe-Ebene zu erreichen. Nun fragen sich deutsche Politiker:innen: Wie komme ich schnell an neue Freund:innen mit vielen Followern?
Die Anbiederei wirkt teilweise einigermaßen erbärmlich. Als Dieter Bohlen mit seinen über drei Millionen Followern sich vergangene Woche Friedrich Merz als Musk-Ersatz anbot (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (Cringe), hatte dieser nichts Besseres zu tun, als sofort zurückzurufen. Ob Olaf Scholz beim Podcast „Die Lage der Nation“ aufschlägt oder Angela Merkel sich von der Comedian Hazel Brugger interviewen lässt – der Umweg über traditionelle Medien wird zunehmend ergänzt oder ersetzt durch eigene Kanäle oder Indie-Medien, die Glaubwürdigkeit und eine interessierte Community mitbringen. Der Fernseh-Marathon, in dessen Verlauf sich Christian Lindner von den großen Nachrichtensendungen nacheinander verprügeln ließ, scheint dagegen wie von gestern.
https://youtu.be/4f1e9UAxyYw?si=Dr__IeFPLKDKObqE (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Aber geht es letztendlich wie zu Schröder-Zeiten nicht immer noch um „Bild, BamS und Glotze“? Stimmt die Erzählung von der neuen Medienwelt? Wie relevant sind die neuen Medien tatsächlich? Zu dieser Frage kann ich Daten beitragen.
Der Wettlauf um digitale Abos
Einmal im Monat trägt das Medienfachmagazin „Medieninsider“ die aktuellen Zahlen den Verkauf digitaler Abos von Zeitungen zusammen, erhoben von der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern). Obwohl die Zahlen relativ statisch sind und sich nicht groß verändern, schaue ich sie mir das jeden Monat interessiert an. Denn sie zeigen, wie schwer sich die Verlagsbranche immer noch mit digitalen Abos tut, und wie groß im Vergleich dazu die Creator Economy in Deutschland bereits ist.
Das Medium mit den meisten digitalen Abos in der IVW ist erwartungsgemäß die „Bild“-Zeitung mit 776.000 verkauften Abos. Schaut man sich die Zahlen der Bild genauer an, fällt auf, dass 470.000 Abos noch nicht einmal 2 Euro kosten. Sie sind Lockangebote, während die teureren Abos nur knapp 300.000 ausmachen.
Dann folgt auf Platz zwei schon eine durch und durch generische Marke, nämlich das Redaktionsnetzwerk Deutschland, ein Zusammenschluss von mehreren Lokalzeitungen, die ihre Inhalte zentralisiert produzieren und bündeln, um eine größere Reichweite zu erzielen; die zusammengenommen auf 238.000 Digitalabos kommen. Als größte überregionale Tageszeitung folgt die „Welt“ mit 225.000 Abos, dann die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) mit 190.000 und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) mit 150.000 Digitalabos.
Indie-Medien sind schon am zweitgrößten
Und jetzt das Erstaunliche:
Würden wir die gebündelten Mitgliedschaften der Steady-Publikationen der IVW melden, wären sie das zweitgrößte Medium in Deutschland.
Im Moment haben über 245.000 Menschen eine bezahlte Mitgliedschaft bei etwa 2.000 Publikationen abgeschlossen, die mithilfe von Steady relevanten Umsatz machen. Damit lässt Steady so große Namen wie die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Welt“ locker hinter sich. Es zahlen 100.000 Menschen mehr für eine Publikation bei Steady als für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Tendenz steigend.
Ich höre schon die Einwände, und sie sind berechtigt: Natürlich vergleiche ich hier Äpfel mit Birnen. Schließlich sind bei Steady auch viele große Podcasts mitgezählt, also Audio-Medien (wobei Podcasts auch Teil vieler Zeitungs-Bundles sind). Und nicht alle großen Medien-Marken lassen ihre digitalen Abos schließlich von der IVW erfassen. Es fehlen also sicher noch große Medien, allen voran „Die Zeit“ und der „Spiegel“, die darüber liegen sollten. (Für beide finde ich Eigenangaben um die 300.000 digitale Abos, aber nichts Genaues.)
Mir geht es aber nicht um exakte Zahlen, sondern um die Tendenz, das Big Picture. Während die traditionellen Medien stagnieren, steigen unsere Zahlen weiter kontinuierlich. Es ist schlicht eine Frage der Zeit, bis die altehrwürdigen Marken die vielfältige, heterogen und chaotische Welt der Indie-Medien von hinten sehen werden.
Bis nächsten Montag,
👋 Sebastian
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