Churn frisst Wachstum
Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Was tun, wenn Churn Wachstum auffrisst?
Hallo!
Es sind frustrierende Zeiten für Membership-Medien. Der Churn – also der Anteil der Mitglieder, die kündigen – frisst seit vielen Monaten das Wachstum auf. Auch den traditionellen Plus-Abo-Medien geht es nicht besser. Es ist mitunter schwierig, die Nerven zu behalten.
Im März/April 2022 ging es los. Nach allen Zahlen, die ich kenne, hat der Ukraine-Krieg, oder vielmehr die ihm folgende Schock-Inflation, zu einer abrupten Verhaltensänderung viele Leser:innen geführt.
Warum fast alle gerade Probleme haben
Die einen durchforsten ihren Kontoauszug nach Sparmöglichkeiten und kündigen jede regelmäßige Zahlung, die nicht unbedingt notwendig ist – auch wenn sie die Publikation weiterhin für unterstützenswert halten. Jeder Einkauf im Supermarkt, jede Nachrichtensendung, jedes Mal Heizung Aufdrehen erinnert daran: Das Geld wird knapp.
Die anderen fangen gar nicht erst an, zu zahlen. Sofern sie eine Paywall mit einer Probemitgliedschaft überspringen (was ohnehin schon weniger Leute tun), kündigen viele Leute wenige Augenblicke später bereits wieder, um sicherzustellen, dass sie nicht aus Versehen Geld ausgeben.
Mein Eindruck im Frühsommer war, dass sich mit dem Abklingen der Inflation auch die Stimmung der Leser:innen bessern würde. Leider hat sich das bis heute nicht wirklich bemerkbar gemacht. Der Churn bleibt zu hoch für die niedrigere Zahl der neuen Mitglieder. Wenn jeden Monat mehr Leute kündigen als neue Mitglieder dazukommen, schmilzt der Mitgliederstamm natürlich nach und nach immer mehr zusammen.
Berechne dein Problem
Wer das mal an den eigenen Zahlen überprüfen möchte, kann folgende Rechnung aufstellen.
Herauskommen wird ein Wert, der größer als 1 sein sollte. In Monaten, in denen er unter 1 sinkt, schrumpft deine Publikation.
Das hier ist ein fiktives, aber bedauerlicherweise recht typisches Beispiel für den Mitgliedschafts-Trend, der gerade zu beobachten ist. Hier kannst du das Excel-Sheet kopieren, um deine eigenen Werte einzutragen. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Zum Glück gibt es auch viele Ausnahmen. Insgesamt gesehen wachsen die Creator Economy und das Volumen mitgliedschaftsbasierter Medien ohnehin verlässlich. Wir werden einfach immer mehr, wie auch diese aktuelle Studie des Zahlungsanbieters Stripe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) beeindruckend zeigt. Innerhalb von zwei Jahren stieg die Gesamtsummer der allein von Stripe innerhalb eines Jahres an Creators ausgezahlten Beträge von 10 Milliarden auf 25 Milliarden Euro an.
Der Wind dreht
Ich finde es wichtig, sich in dieser frustrierenden Abwart-Phase erstmal klarzumachen, dass wir auf hohem Niveau jammern. Die Situation für werbefinanzierte Medien zum einen und Print-Medien zum anderen ist viel dramatischer, teilweise existenzbedrohend.
Auch wenn der Trend dir von vorn ins Gesicht bläst, ist das kein Grund, stehenzubleiben und sich dem Schicksal zu ergeben. Du solltest allerdings deine Erwartungen an das Mögliche anpassen, weil sonst die grundsätzliche Verunsicherung einsetzt. Im Moment ist „nicht rückwärts fahren“ ein gutes Ergebnis, das jedes Abstrampeln wert ist.
Denn der Wind wird drehen. Tatsächlich dreht er bereits spürbar.
Es wird eine Weile dauern, bis die Löhne aufgeholt haben, sich auf den Konten ein Vor-Krisen-Zustand einstellt und auch die Stimmung steigt. Aber es dürfte nicht mehr unendlich lang dauern.
Was du jetzt tun kannst
Solange ist zu überlegen: Was können wir in der Zwischenzeit tun? Meine Vorschläge:
Wenn die Leute jetzt nicht zahlen, bemühe dich, ihre E-Mail-Adresse einzusammeln. Irgendwann werden sie bereit sein, und dann solltest du ihnen ein Angebot machen können. Fülle den obersten See. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Gehe auf deine bestehenden Mitglieder zu und thematisiere die angespannte wirtschaftliche Lage. Viele von ihnen zahlen, auch, um dich zu unterstützen, also sicherzustellen, dass du weitermachen kannst. Transparenz senkt den Churn.
Was bisher funktioniert hat, ist auch jetzt nicht falsch. Verlier nicht die Nerven und lass dich nicht verunsichern. Nicht von anderen, vor allem aber nicht von dir selbst. Niemand kennt sich wesentlich besser aus als du, selbst die großen Verlagshäuser befinden sich in einer ähnlichen Situation. Weitermachen.
Bis nächste Woche,
👋 Sebastian
PS:
Wer diesen Newsletter unterstützen möchte, kann gern eine Blaupause-Mitgliedschaft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) abschließen. Herzlich willkommen und ein ganz besonderer Dank geht diese Woche an Jens. Ich melde mich noch!
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