Bildung tut Not

In diesem Beitrag geht es um folgende Definition von Bildung, den Begriff, mit denen die entscheidenden Kenntnisse und Befähigungen bezeichnet werden, die notwendig sind, um aktiv und kritisch an der Gestaltung möglichst aller Bereiche der modernen Gesellschaft teilnehmen zu können. Im Kern kann Bildung als Maß der Übereinstimmung des persönlichen Weltbildes mit der Wirklichkeit verstanden werden. Doch wie steht es darum vor dem Hintergrund von Trumps Amoklauf durch die Institutionen und den rechtsradikalen Tendenzen hierzulande?
Und hier für die, die nachlesen möchten.
Wer meine bisherigen Beiträge gehört hat, dem wird nicht entgangen sein, dass ich gewisse Vorbehalte gegenüber den radikallibertären Auswüchsen unserer Wirtschaftsordnung habe. Denn wie wir gerade in den USA sehen, werden dabei die existenziellen Fragen einer Gesellschaft der Willkür, den Profit- und Machtinteressen einer kleinen Wirtschaftselite schutzlos ausgeliefert. Gerade hier wird deutlich, wie wichtig die Verteidigung demokratischer Strukturen, der Gewaltenteilung, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte für eine friedliche und solidarische Gesellschaft sind. Ebenso deutlich wird bei genauer Betrachtung auch, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Bildung und der Kultur zukommt. Doch was ist eigentlich Bildung und wie sieht es damit hierzulande aus?
Um hier niemandem überbordende philosophische Abhandlungen zuzumuten, greife ich hier einmal auf die allgemeine und auch meinem Verständnis entsprechende Definition der Wikipedia zurück. Tatsächlich sind Bildung und Allgemeinbildung unscharf und uneinheitlich definierte Begriffe, mit denen die entscheidenden Kenntnisse und Befähigungen bezeichnet werden, die notwendig sind, um aktiv und kritisch an der Gestaltung möglichst aller Bereiche der modernen Gesellschaft teilnehmen zu können. Im Kern kann Bildung als Maß der Übereinstimmung des persönlichen Weltbildes mit der Wirklichkeit verstanden werden.
Doch Bildung entsteht natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern hat ihre Grundlage in der menschlichen Kultur, die im Grunde nichts anderes darstellt als weitergegebene Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten. Und die Summe dokumentierter und vermittelter gesellschaftlicher Erfahrungen ist Geschichte.
Genau das ist der Hintergrund meines Wahlspruchs: Wer die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten will, muss die Vergangenheit kennen!
Man kann sich vorstellen, was es für die Kultur, ja für die Zukunft einer Gesellschaft bedeutet, wenn dieses faktenbasierte kulturelle Gedächtnis ausgelöscht und durch eine fiktive, elitären Herrschaftsinteressen dienende Geschichte ausgetauscht wird, so wie es derzeit in den USA der Fall ist. Und nein, Trumps wütender Krieg gegen unabhängige Wissenschaft, gegen Kultur und gegen Bildung ist nicht ein US-amerikanisches, sondern ein globales Problem und damit auch unseres.
Smithonian, Havard und andere US-Amerikanische Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen sind nicht nur weltweit vernetzt, sondern prägen die gesamte westliche Wissenschaftslandschaft in allen Fachrichtungen. Ihre Erkenntnisse, Daten und Forschungen sind in hohem Maße auch Grundlage europäischer Forschungsprojekte. Und hier findet auch der Autor, der über Geschichte, Klimawandel, Artensterben und vieles gesellschaftlich Wichtige mehr schreibt, bei seinen Recherchen gut zugängliche Informationen auf neuestem Stand, von hier kommen hierzulande wohl die meisten Fach- und Sachbücher in deutscher Lizenzausgabe und nicht zuletzt sind viele wichtige internationale Rechercheportale über amerikanische Suchmaschinen zu finden. Bis jetzt jedenfalls.
Und so ist es kein Wunder, das US-amerikanische Wissenschaftler in offenen Briefen vor der Entwicklung in ihrem Lande warnen, einige bereits das Land verlassen haben und viele Wissenschaftsinstitutionen versuchen, ihre Daten noch rechtzeitig vor der Löschung oder Manipulation durch die Trump-Administration in ausländischen Rechenzentren zu sichern, ein verzweifelter Wettlauf mit der Zeit.
Nun, auch wenn wir uns hierzulande immer als Land der Dichter und Denker feiern, diese Zeiten sind realistisch betrachtet längst vorbei und gesamtgesellschaftlich war dieses Dichten und Denken auch früher eher eine elitäre Angelegenheit. In der Breite sind wir vor allem das Land der abhängig Beschäftigten und natürlich der Fussballexperten. Und hinsichtlich Bildung steuern wir längst auf eine ähnliche Katastrophe zu, wie die USA und nur wenige Menschen registrieren das überhaupt.
Ich möchte noch einmal zitieren, um was es bei Bildung eigentlich geht: Die entscheidenden Kenntnisse und Befähigungen, die notwendig sind, um aktiv und kritisch an der Gestaltung möglichst aller Bereiche der modernen Gesellschaft teilnehmen zu können.
Um es klar auszudrücken: Bildung ist nicht in erster Linie aktuell nützliches Wissen, sondern allgemeine Kenntnisse und Befähigungen, die dem einzelnen dabei helfen, beispielsweise politische Ereignisse realistisch einzuschätzen, Zusammenhänge zu verstehen, Meinungsmanipulationen zu erkennen, soziale Strukturen zu begreifen, Kreativität zu entwickeln, selbständig zu denken und vieles mehr.
Diese Art von Bildung ist für eine funktionierende Gesellschaft existenziell, denn es verhält sich damit wie bei der Evolution. Die Natur hat in jedem einzelnen Lebewesen eine ganze Reihe von Fähigkeiten und Eigenschaften in den Genen festgelegt. Eigenschaften und Fähigkeiten, die unter normalen Umständen kaum benötigt werden. Doch bei Veränderungen der Umwelt, den Lebensbedingungen, helfen genau diese scheinbar überflüssigen genetischen Anlagen, sich anzupassen und zu überleben, Lösungsstrategien zu entwickeln. Wichtig dabei, der genetische Austausch innerhalb der Art, um die genetische Vielfalt und damit die Überlebenschancen zu sichern.
Auf Kultur und Bildung übertragen bedeutet dies: Je geringer der kulturelle Austausch, desto geringer die intellektuelle Vielfalt und damit die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Je stärker die Konzentration des Bildungswesens auf aktuell nützliches Wissen, desto geringer die gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit an Veränderungen, gewissermaßen als Ergebnis einer intellektuellen Inzucht. Und diesbezüglich sind wir offensichtlich schon ganz schön weit.
Nein, was jetzt folgt ist kein Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, wie etwa PISA und ähnliche. Die stellen immerhin fest, dass das Bildungsniveau in den europäischen Industriestaaten seit Jahren sinkt. Doch solche Aussagen sind im Grunde schwer zu bewerten, weil die Bildungsinhalte- und Strukturen sehr unterschiedlich sind und die Bewertungskriterien sich nicht zwingend an meiner obengenannten Bildungsdefinition orientieren. Und so präsentiere ich hier zunächst einmal einzelne Beobachtungen, die mir symptomatisch erscheinen.
Da gibt es beispielsweise den jungen Menschen, der sich nicht für Geschichte oder Kultur interessiert, weil ihm das für seinen Job und seinen Alltag nichts bringt oder der meint, darüber nichts wissen zu müssen, weil die ja vor seiner Zeit war. Oder die allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsfeindlichkeit, die sich in der Verachtung für Studierende ausdrückt, die ja bekanntlich zwei linke Hände haben und im Leben nichts leisten, weil sie nicht in der Fabrik, im Handwerk oder der Dienstleistung schuften. Da muss man seit einiger Zeit die Tendenz beobachten, dass eine HandwerkerInnen-Ausbildung gegen ein Studium ausgespielt wird, weil ja ein Fachkräftemangel herrscht.
Voller Stolz werden in den Medien Schulprojekte präsentiert, die den SchlülerInnen unter Beteiligung der Sparkasse den Umgang mit Geld und Geldanlagen beibringen sollen, unter dem Stichwort Medienkompetenz auf die Fallstricke beim Shoppen mit dem Smartphone hinweisen oder jungen Menschen erklären, was ein Mietvertrag ist.
Mal ehrlich wer nicht total doof ist, eine echte Schulbildung genießt, die die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen so vermitteln, dass damit auch das Verstehen nicht zu kurz kommt, braucht doch auch heute in der Regel kein Nachhilfeunterricht in grundlegenden Elementen der Lebensführung. Und dann stehen immer wieder Forderungen im Raum, den Menschen am besten schon im Kindesalter Wirtschaftskompetenz beizubringen, sprich, ordentlich zu konsumieren und das Prinzip Hauptsache Arbeit zu verinnerlichen. Und die Schule soll natürlich auch gleich auf einen späteren Beruf in der digitalen Welt vorbereiten, weshalb MINT-Fächer unbedingt Schwerpunkt in der Bildung werden müssten. Der Ausdruck MINT ist eine zusammenfassende Bezeichnung von Unterrichts- und Studienfächern beziehungsweise Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Tatsächlich gibt es einen statistischen Zusammenhang zwischen MINT-Absolventen und wirtschaftlichem Wachstum.
Keine Frage, diese produktionsnahen Fächer sind wichtig für die Wirtschaft, die immer mehr vernachlässigten gesellschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Bildungsbereiche zu der auch beispielsweise Philosophie, Soziologie und natürlich Geschichte gehört wären wichtig für die Gesellschaft und die Demokratie.
Um es klar zu formulieren: Der intellektuelle Genpool unserer Gesellschaft entwickelt sich inzestuös, und so ist es kein Wunder, dass angesichts des menschengemachten Klimawandels und Artensterbens keine Lösungen in gesellschaftlichen Strukturen gesucht werden, sondern, wenn überhaupt, ökonomisch-technologische. Das inzwischen Wirtschaftsdominierte Bildungs- und Sozialsystem bringt naturgemäß als Ergebnis des mentalen Inzests wirtschaftslibertäre Geister wie einen Merz, Spahn, Linnemann, Lindner und viele andere aus den sogenannten politischen Eliten und eine wachsende im kulturevolutionären und sozialen Sinne verarmende Masse hervor, die ihre sozialen und kulturellen Fähigkeiten zugunsten ökonomisch-technologischer Abhängigkeiten aufgegeben haben.
Abhängigkeiten: Erinnern Sie sich noch an meinen ersten Beitrag zu diesem Thema? Da hatte ich zum Prinzip unseres Wirtschaftssystems sinngemäß formuliert: Es geht darum existenzielle Abhängigkeiten zu produzieren. Auf dieser Basis lassen sich unter dem Deckmantel legaler Verträge die Bodenschätze, Menschen und Natur ausbeuten.
Das beginnt eben bei der abhängigen Beschäftigung, die die Menschen aus existenziellen Gründen annehmen müssen. Längst wird nach dem Motto, wer nicht jede Arbeit annimmt, soll in unserer Gesellschaft keine Existenzgrundlage haben, über die weitere Reduktion des Sozialstaates schwadroniert. Da steht sowohl die freie Berufswahl als auch das grundsätzliche Existenzrecht eines Menschen in unserer Gesellschaft zur Disposition. Und das ist eines der Probleme unserer Wirtschaftsordnung: Sie ist nicht aus sich heraus demokratisch und es gibt auch keinen freien Markt, denn weder bei der Beschäftigung, noch beispielsweise bei der Wohnung, bei der Energieversorgung und eben allen anderen grundlegend existenziellen Dingen stehen sich die Vertragspartner auf Augenhöhe gegenüber, können zu mindestens die sogenannten Arbeitnehmer, die Mieter oder Energiekunden eben keine freie Entscheidung darüber fällen, ob sie die Ware Wohnung oder Energie kaufen oder ob sie ihre Arbeitskraft verkaufen. Sie müssen, denn sie sind abhängig. Und inzwischen hat sich das Abhängigkeitsproblem durch die Digitalisierung unserer Lebenswelt und die wirtschaftsorientierten Bildungsstrukturen erheblich verschärft. Bei ohnehin schon eingeschränktem kulturellem Genpool haben die meisten Menschen viele ihrer persönlichen und sozialen Fähigkeiten längst verlernt und bei den Smartphone-Apps abgegeben. Wer kann heute schon noch Landkarte Lesen, wenn das Navi versagt, wer kann noch beurteilen, ob die Navianweisungen einen Sinn ergeben, an den richtigen Zielort oder ins Leere führen? Wer liest heute noch längere Texte und reagiert nicht viel lieber auf Bilder, Videos und Schlagzeilen, die der Wirkung von Fakenews Tür und Tor in die Gehirne der Konsumenten öffnen? Es ist ein einfacher Zusammenhang: Wer Kulturtechniken nicht regelmäßig praktiziert, verlernt sie.
Übrigens auch Demokratie ist am Ende eine Kulturtechnik, die zu praktizieren und am Leben zu erhalten, sich immer mehr durchaus auch beruflich qualifizierte Menschen hierzulande aus politisch generiertem Bildungsmangel verweigern. Es ist eine verheerende Mischung zwischen existenzieller Abhängigkeit und den damit verbundenen Ängsten und der Unfähigkeit, über die eigenen Lebens- und Arbeitsumstände hinauszudenken, andere Perspektiven einzunehmen. Und wer aus diesem Teufelskreis ausbrechen und sich bilden will, wird es zumindest in der digitalen Welt nach Trumps Amoklauf aus Datenlöschung, Manipulation und Fakeinformationen auch hierzulande immer schwerer haben auf verlässliche, nachprüfbare Inhalte zuzugreifen, vor allem, wenn der aktuellen Tendenz zur skrupellosen politischen Lüge insbesondere in den konservativen, libertären und natürlich faschistischen Parteien nicht endlich Einhalt geboten wird. Vor diesem Hintergrund werden wohl Bücher zu echten Schätzen, sind sie einmal gedruckt, können die einzelnen Exemplare zwar verbrannt, die Inhalte aber nicht mehr gelöscht und manipuliert werden. Doch lesen, verstehen, beurteilen und vergleichen muss man schon können, Bildung tut eben Not.
Natürlich habe ich in diesem Beitrag die behandelten Aspekte nur anreißen können. Es liegt also auf der Hand, dass ich das eine oder andere Thema im Rahmen meines Autorenkosmos ein wenig genauer betrachten werde. Etwa die angesichts des Klimawandels, Artensterbens und der zunehmenden demokratischen Demontage gesellschaftlich betrachtet unglaublich dämliche Forderung nach Technologieoffenheit, um nur ein Beispiel zu nennen.
Bis dahin mein Vorschlag: Lest mehr Bücher!
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