Vom Scheitern
Warum das Scheitern eine wunderbare Sache ist, dass es sich trotzdem richtig mies anfühlen darf und wie ich damit umgehe, wenn es so gar nicht läuft.
In meinem ersten Beitrag auf diesem Blog habe ich dir von meiner Teilnahme am “Young Storyteller Award” erzählt, einem Wettbewerb bei dem man als Teilnehmer:in sein eigenes Büchlein schreiben, gestalten und ganz offiziell mit eigener ISBN veröffentlichen konnte. Alleine dieser Schritt, mein Werk ganz öffentlich und für wirklich alle zugänglich zu präsentieren, erforderte Massen an Mut, die ich noch immer versuche auszugleichen. Und für jemanden wie mich, der sich über jedes einzelne geteilte Wort den Kopf zerbricht, ist diese Tatsache schon ein sehr guter Grund, stolz auf mich zu sein. Dann kam mein Buch nicht einmal in die Top 100 des Wettbewerbs. Ich habe zwar nicht damit gerechnet, den ersten Platz zu belegen, aber natürlich dennoch gehofft, es zumindest in die mittelgroße Auswahl zu schaffen. Diese Hoffnung hat sich aber ebenso wenig erfüllt wie die, es mit einer Kurzgeschichte in ein Literaturmagazin zu schaffen. Und in diesen Momenten der Ablehnung stehen sich zwei Arten von Gedanken in mir gegenüber. Ein Teil von mir betrachtet die Lage ganz objektiv und mit ausreichend Abstand, um sagen zu können: Das heißt nicht, dass ich nicht schreiben kann, sondern einfach nur, dass eine andere Geschichte besser zum Magazin passte und bei mehreren Tausend Einsendungen eines Literaturwettbewerbs nun mal nicht jede:r gewinnen kann. Die andere Seite, die ich liebevoll “Grübelgabi” nenne, fragt sich seitdem, warum ich mir überhaupt einbilde, eine Autorin zu sein, was ich genau falsch gemacht habe und denkt daran, das Versagerinnen-Buch aus dem Handel nehmen zu lassen, lieber nur noch für mich selbst zu schreiben und andere mit meinem Kram zu verschonen. Da habe ich doch meine Bestätigung: Niemand will lesen, was ich schreibe! In Kombination ergeben diese beiden Stimmen meine aktuelle Situation.
Wie sieht die aus? Nachdem ich genau zweimal ganz offiziell gescheitert bin als Schriftstellerin, sitze ich hier und schreibe über mein Scheitern. Und genau das ist der entscheidende Punkt: Ich schreibe. Nicht nur diesen Blog, sondern auch eine Fortsetzung des Buches, mit dem ich so furchtbar gescheitert bin. An der Stelle möchte ich dir den Podcast “How to fail with Elizabeth Day” ans Herz legen, der mich immer wieder aufs Neue inspiriert und mir zeigt: Menschen, die sich erlauben zu scheitern, werden dafür belohnt. Vielleicht ist auch ihr Buch “How to fail” interessant für dich.
Das Wunderbare am Schreiben ist ja, dass man über wirklich alles schreiben kann. Auch darüber, dass niemand lesen will, was man schreibt. Nicht zuletzt erfüllt das Aufschreiben genau solcher Situationen für mich auch einen therapeutischen Zweck und ich hoffe, dass ich dir damit ein wenig Mut schenken kann. Mut, zu schreiben und seine Werke zu teilen, obwohl man an anderer Stelle bereits abgelehnt wurde. Ich fange jetzt nicht mit der “J.K. Rowling wurde mit Harry Potter auch erst abgelehnt”-Story an, aber… Doch! Genau das tue ich. Stell dir mal vor, diese Autorin hätte aufgegeben. Mal im Ernst, was haben wir denn schon zu verlieren, wenn wir unser Geschriebenes teilen? Mir ist es auch furchtbar unangenehm, Leuten zu sagen, dass sie meinen Blog lesen oder mein Buch für stolze 18 Euro kaufen sollen, das es ja nicht einmal in die Top 100 eines Literaturwettbewerbs geschafft hat. Ich mache es trotzdem, überwinde mich immer wieder dazu, eine Story auf Instagram zu teilen, mit Links zu Blog und Buch. Fällt mir das schwer? Offensichtlich. Aber noch schwerer wiegt der Gedanke, meine Leidenschaft nicht auszuleben, nur weil mir gewisse Abschnitte auf meinem Weg unangenehm sind.
Zurück zum Scheitern. Wenn ich an einer Sache scheitere, dann springt meine innere Grübelgabi so schnell aus der dunklen Ecke, als hätte sie seit Ewigkeiten darauf gewartet, dass das passiert. Dass es passiert, ist völlig klar. Ich fühle mich wie die größte Versagerin auf Erden, denke, dass ich nichts schaffe, nichts kann und alle anderen ihren Kram so viel besser im Griff haben. Sich über sich selbst zu ärgern, weil man ja ganz offensichtlich auf ganzer Linie versagt hat, ist ein richtig mieses Gefühl, das ich nicht haben möchte und daher auch erst einmal nicht zulasse. Stattdessen schiebe ich den kompletten Fail erst einmal weit weg und widme mich etwas völlig anderem. Nachdem ich dann die Fliesen meines Badezimmers auf Hochglanz poliert, unter dem Sofa gestaubsaugt und alle Küchenschränke ausgeräumt, geputzt und wieder eingeräumt habe, schaffe ich es, meine Wut zuzulassen und lasse meine Gabi laut vor sich hingrübeln. Das macht keinen Spaß und ist wahnsinnig anstrengend. Aber wenn sie damit fertig ist, verzieht sie sich wieder in ihre Ecke und macht Platz für das “Dann mach ichs eben anders”.
Und damit beginnt der Teil des Scheiterns, der wirklich Spaß macht. Ja, das ist mein Ernst! Zu keinem anderen Zeitpunkt bin ich so motiviert und voller Energie wie nach einem in meinen Augen katastrophalen Fail und den folgenden Sessions mit Grübelgabi. Denn in diesen Momenten, nachdem eine tonnenschwere Gefühlslast von mir gefallen ist, fühle ich mich so leicht, dass ich bereit bin loszufliegen. Jedes Scheitern bringt auch den Zauber des Neubeginns mit sich – vorausgesetzt, man lässt ihn zu, ebenso wie das kräftezehrende Grübeln. Seitdem ich verstanden habe, dass mein Leben nicht vorbei ist, sobald ich an einer Sache gescheitert bin, sehe ich die Welt ein bisschen wie ein riesiges Kaufhaus, das bis oben hin voll mit Dingen ist, die ich ausprobieren kann. Dinge, die ich nicht können muss, aber tun darf. Und wenn sie auf die Art und Weise, wie ich mir das vorgestellt habe oder andere das erwartet haben, nicht funktionieren, dann kann ich entscheiden, ob ich die Sache mit einer anderen Taktik versuche oder doch lieber ein Regal weitergehe.
Nicht das Scheitern ist das Problem, wenn es nicht läuft in unserem Leben. Scheitern ist nichts anderes, als ein Wink des Universums, das uns sagt: “Hey, ab hier führt dein Weg in eine andere Richtung. Ich helfe dir, sie zu finden. Du musst einfach nur gehen.” Und wer sich jetzt denkt: “Ja, aber ich weiß ja gar nicht wohin!” Dann tu das Unvorstellbare und mach einen Schritt zurück. Mit ein wenig Abstand hast du einen viel besseren Überblick und siehst nicht nur die Mauer direkt vor deiner Nase, sondern erkennst, dass es nur ein paar Schritte weiter vielleicht eine Leiter gibt oder ein Flugzeug, das schon auf dich wartet. Den Kurs zu wechseln und auch mal in eine andere Richtung zu schauen, heißt nicht, dass man seinen Traum aufgibt. Im Gegenteil! Wer sich auf neue Wege einlässt und sich immer wieder eine Chance gibt, der ist näher dran an seiner Erfüllung als jemand, der immer wieder denselben Weg nimmt und erwartet irgendwann woanders anzukommen oder einfach stehen bleibt.
Vor Kurzem erst hörte ich einen Ted Talk, in dem der Speaker darüber sprach, dass man sich sowieso lieber keine Ziele setzen sollte. Nicht aus der Angst heraus zu scheitern und sie nicht zu erreichen, sondern weil man seinen Erfolg dadurch selbst begrenzen würde. Man setze sich ja meist nur Ziele, die für einen selbst erreichbar scheinen und sei gar nicht dazu in der Lage, sich vorzustellen, was darüber hinaus alles möglich wäre. Dazu gibt es sicher verschiedene Ansichten, aber was ich damit ausdrücken möchte ist, dass es nie nur einen Weg gibt. Man hat immer eine Wahl. Man kann einen Weg gehen, es sich an der Stelle gemütlich machen, an der man nicht weiterkommt und sagen: “Hier ist mein Weg zu Ende.” Aber man kann auch ein paar Schritte zurückgehen, den Kurs ändern und sehen, wo die anderen Wege hinführen.
Zu scheitern bedeutet, dass du dich aus deiner Komfortzone heraus gewagt hast – und das ist verdammt mutig. Vielleicht kannst du ja beim nächsten Mal daran denken, wenn du den Job, den du dir so gewünscht hast, nicht bekommst oder ein kreatives Projekt nicht den Anklang findet, den du dir erhofft hattest. Erlaube dir, traurig oder wütend zu sein, lenke dich eine Weile ab, wenn dir danach ist und freue dich dann darauf, mit etwas weniger Ballast weiterzugehen. Wohin? Das werden wir schon sehen…
Bis nächste Woche!
Alles Liebe
deine Sarah