Merz und das kommende Chaos
Merz wurde nicht zum Kanzler gewählt, und ich meinte zu Henning: “Das sind solche Weimar-Vibes” und Henning meinte: “Nur, dass keine Kommunist:innen in den Straßen demonstrieren.” Ich hab genickt und gemerkt, wie mich das auseinandernimmt. Carla meinte, dass sie vor allem überrascht sei, dass noch irgendwer überrascht ist, aber ja, es schockiert mich immer noch, wie schnell das geht: der Zerfall aller bekannten Strukturen.
Es lässt sich ja relativ gut voraussagen, wie es jetzt weitergeht: CDU und SPD misstrauen sich vom Start. Das belastet diese kleine Koalition, die vom ersten Tag unter unendlich großen Druck steht, noch mehr. Bald fangen sich beide Parteien an, gegenseitig die Schuld zu geben für ihr Versagen. Die Regierung zerbricht, wie es der vorigen auch passiert ist.
Eben meinte ich zu meinem Mitbewohner in der Küche, dass es wahrscheinlich in zwei Jahren Neuwahlen geben wird. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist das eine Schätzung aus der alten Welt. Wahrscheinlich wird es noch schneller gehen und die AfD freut sich darüber. Sie ist die vermeintliche “Alternative” zu diesem System, das nicht mehr liefert, weder auf materieller noch auf sinnstiftender Ebene. Weimar, Weimar, Weimar.
Die Grünen warnten gestern nach dem ersten Wahlgang vor “Chaos” und irgendwas daran kam mir so falsch vor, dass es mich wieder auf Spur brachte.
Die Grünen, eine vermeintlich progressive Partei, bedauerte es, dass ein Millionär nicht zum Kanzler gewählt wurde, statt es als Chance zu begreifen. Das kann man ihnen jetzt hoch anrechnen, als “verantwortungsbewusst” oder “staatstragend”, aber welche Verantwortung und welcher Staat?
Sie tragen ein System mit, das unsere Planeten systematisch zerstört, für Millionen Menschen Hunger bedeutet, während die Ungleichheit in Deutschland wieder auf dem gleichen Stand ist wie 1870. Sie tragen ein System mit, in dem jede sich selbst die nächste ist, der Gewinner alles kriegt, und die Verlierer vom Jobcenter ihr Geld gestrichen bekommen. Sie tragen ein System mit, das den Kern des Faschismus schon in sich trägt: die Idee, dass manche Menschen wertvoller sind als andere, und deshalb exorbitant höhere Löhne und andere Privilegien verdienen.
In unserer Küche steht ein Kaffee “aus Afrika” und darauf steht irgendein Text darüber, wie “nachhaltig” er produziert wird, und das Wort kommt mir nur noch bescheuert vor. Wir – und damit meine ich die links-grüne, größtenteils akademisierte Bubble – hält, mit allem was sie hat, fest an der alten Welt. Das ist moralisch verwerflich, weil sie damit zum einen bloß ihre eigenen Pfründe verteidigt und zum anderen ist es auch dumm. Die alte Welt liegt im Sterben, und wenn man sich an sie ranklammert, dann wird man unweigerlich mit ihr zusammen in den Abgrund gezogen. Und wie sagte Marcel Grauf von der AfD: “Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“
Es gibt kein zurück. Es gibt kein Klima mehr, dass wir bloß schützen können, wir werden es aktiv stabilisieren müssen. Es gibt keine Demokratie, um die wir eine Brandmauer ziehen können, wir müssen sie uns von den Konzernen zurückholen. Es gibt keine Marktwirtschaft mehr, die uns versorgt, wir müssen die Oligarchie entmachten – und dann unsere eigene Welt aufbauen.
In den vergangenen Wochen haben wir geplant, wie das Parlament der Menschen ablaufen wird, und Jascha, der es moderieren wird, meinte: Wenn man die ganze Zeit im Widerstand ist, wenn man abwehrt und zurückdrängen will, dann kann man nicht ins Gestalten.
Everything is fucked. Nichts bleibt, wie es ist. Wir müssen alles verändern – das müssen wir anerkennen. Und dann loslegen, endlich sagen, was wir wollen, unsere Ziele formulieren. Eine Revolution ist unausweichlich, denn wenn das System zusammenbricht, dann werden die Rechten die Macht versuchen an sich zu reißen. Dann übernehmen die das Militär und die Polizei. Dann machen die das Gleiche, wie Trump in den USA: Vor laufender Kamera werden Menschen aus ihren Häusern gezerrt, in Ketten gelegt und in Lager gesperrt. Wie hat Höcke mal gesagt: „Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ Die werden den Staatsstreich versuchen, und uns dann holen kommen, und die Reichen werden ihnen das Geld dafür geben. Es sei denn, wir kommen endlich aus dem Quark, und tun etwas, entwerfen unsere eigene Vision einer besseren Welt. Eine Welt, in der alle Menschen genug zu essen haben. Eine Welt, in der Platz für alle Lebewesen ist. Eine Welt, in der wir einander mit Liebe begegnen.
Eine Welt, in der Schwächen nicht ausgenutzt werden, sondern eine Einladung sind, zu helfen. In der Verletzlichkeit neue Beziehungen stiftet und wir die Schwächsten fragen: Was braucht ihr? Denn wenn sie sich sicher fühlen, sind wir alle sicher.
Gestern Abend hatten wir wieder ein Treffen unserer Neue Generation Lokalgruppe. Wir haben gemeinsam über unsere größten Protestfails gelacht, neue Ideen entwickelt und darüber gesprochen, wie es uns mit Gaza geht. Und vorher haben wir zusammen gegessen. Einer, der kürzlich dazugekommen ist, meinte: Ich bedauere es, einen Vollzeitjob zu haben, um hier nicht mehr dabei sein zu können.
Die Neue Generation ist die neue Welt. Wir probieren sie aus. Wir leben sie. Wir bauen sie. Wenn du gerade keine Zeit hast, oder es in deinem Ort noch keine Lokalgruppe gibt, aber du trotzdem etwas beitragen möchtest, schließ gerne ein Demokratie-Abo ab. Ein Euro, der Gegenwert eines Stundenlohns, ein Prozent deines Einkommens: alles hilft dabei die Welt, von der wir träumen, Wirklichkeit werden zu lassen.
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