Es war nicht immer einfach
Wenn man sagt, dass die letzten Jahre nicht einfach waren, dann spricht man in der Regel nur aus, was sicherlich über 90% der Menschen für sich und ihren persönlichen Lebenskosmos beanspruchen können. Ich habe auch noch nie jemanden getroffen, der auf Nachfrage, wie es geht, antwortete: "Die letzten Jahre waren sehr einfach". Verrückt. Das galt demnach schon zu Zeiten, als alles noch viel einfacher war. Noch verrückter. Es war nie einfacher.
In unserem Buch "Wochenendrebellen - Chaos auf Augenhöhe"
beschreiben Jason und ich auch genau diesen Erkenntnisprozess, dass ich in der perfekten Zeit geboren bin, im absoluten Privilegien-Peak. Diese Erkenntnis musste ich erst einmal sacken lassen. Und doch. Die letzten Jahre waren nicht einfach und Höhen folgten seltener den sich häufenden Tiefpunkten und Schlägen in die Magengrube, deren Überraschungseffekt oder Härte nicht immer so ganz einfach zu verarbeiten war und ist. In solchen Phasen ist es immer wertvoll, gut zu funktionieren und nachteilig, sich nicht die Zeit zu nehmen, um Erlebnisse und Ereignisse mit ein wenig Abstand zu betrachten und zu prüfen, welche Erkenntnisse man daraus ziehen könnte. Das ist irgendwie keine Zeit, um zu verarbeiten, denn der Chef des Hauses hat konkrete Vorstellungen, was der unfreie Redakteur von wochenendrebell.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) so zu leisten hat und mein Job, ja mein Job ist vielleicht noch einmal eine ganz andere Geschichte.
Ich taumelte die letzten Monate so durchs Leben. Fühlte sich vieles über viele Jahre so an als hätte man das Leben rein organisatorisch im Griff, so reichen plötzlich nicht mehr die Finger um die Löcher des Fasses zu stopfen, welches all deine Energie beinhaltet, die man eben so braucht in heutiger Zeit.
Ich meine, wer nimmt sich denn noch regelmäßig den Moment, um zu reflektieren, sich eine Meinung zu bilden und viel wichtiger, wer hat denn noch die Kraft ausreichend häufig solidarisch zu handeln und sich diesen völlig abstrusen Unfug-Diskussionen zu stellen?
Und bei all dem, was um uns herum passiert, ist es ja schon auch zynisch, von einem Moment zu sprechen und nicht von der Ewigkeit, aber wenn man eine Ewigkeit zum Reflektieren benötigt, dann bleibt keine Zeit zum Handeln. Papsi wird dieses Problem nicht lösen können.
Zack. Da war sie, meine perfekte Entschuldigung. Ich taumelte und funktionierte, weltschmerzbelastet und auch von Zukunftsängsten für mich und meinen Liebsten geplagt und lernte erst viel zu spät schätzen, was da rund um die Erzählung unserer Geschichte im Kino geschaffen worden ist.
Der Film ist herausragend geworden, da gibt es hier im Hause keinerlei Zweifel, aber die Wucht des positiven Feedbacks nach der Trailerveröffentlichung hat mich dann doch umgehauen. Ich würde nicht sagen, dass ich ein pessimistischer Mensch bin, aber der Druck im Hinblick auf den Film und sein Gelingen und damit meine ich in allererster Linie nicht den wirtschaftlichen Erfolg, sondern den Anspruch unsere Geschichte auch möglichst real dort in diesem Film wiederfinden zu können, war selbstgemacht und enorm.
Ebenfalls wichtig, vielleicht sogar am wichtigsten war sowohl Jason als auch mir, dass der Film keinesfalls der autistischen Community schadet. Es existieren ganz sicher unzählige Konstellationen aus Drehbuchautor, Regie und Produktion, aus denen am Ende ein Film rausgekommen wäre, der die Geschichte der wundersamen Heilung durch die Kraft der Seele des Fußballs erzählt.
Wir hatten die Ehre und das Glück, der dann auch eher seltenen Konstellation eines von Tag eins sehr angenehmen, für Feedback, gleich welch großen Umfangs sehr offenen und unglaublich kreativen Richard Kropfs, eines an entscheidender Stelle leidenschaftlich kämpfenden und mit klarer Vision ausgerüsteten Marc Rothemunds und mit Justyna Müsch und ihrem Team so viel geballte Kompetenz, Know-how, aber auch die Disziplin, Leidenschaft und Willen in coronagebeutelten Zeiten voll auf die Möglichkeit von Dreharbeiten im Stadion live, während des Spiels anzugehen.
Und dann war da noch Jason, der nervte und nachhakte, umfangreiche Rückmeldung in knappen Zeitfenstern gab und in der Lage war, präzise zu beschreiben, welches Drehbuchdetail oder welch gedrehte Szene nicht zu 100% in den Film passt. Ich bin unglaublich stolz auf ihn.
Wir können uns vollumfänglich mit dem gesamten Wochenendrebellenfilm identifizieren. Natürlich habe ich mit Florian David Fitz ein üppiges optisches Upgrade erhalten, natürlich ist der gesamte Cast gigantisch gut abgestimmt und Cito Andresen als Jason, meine Güte, was soll ich da sagen?
Jason und ich werden in den nächsten Wochen abwechselnd sicherlich den Film aus unterschiedlichsten Perspektiven beschreiben ohne zu spoilern, aber für Cito, mir fehlen für Cito wirklich die Worte.
Das hätte ich niemals für möglich gehalten und neben der Angst, dass uns im Kontext Autismus im Film ein Fehler unterläuft, war die größte Sorge von Beginn an, wie Jason am Ende im Film wirken wird. Welchen verfälschten Eindruck könnte man von ihm bekommen, welche Auswirkungen hat das vielleicht sogar auf Jasons Zukunft, wenn ein völlig fehlerhaftes Bild von ihm für immer als Werk in die Öffentlichkeit transportiert wird.
Als Jason und ich die ersten Casting Szenen von Cito, gemeinsam mit Florian sahen, waren wir völlig geplättet. Jason war sofort emotional in der dargestellten Originalsituation, die mittlerweile schon 8 Jahre her ist und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, weil ich Jasons strahlendes Gesicht sah.
Als der Trailer letzte Woche herauskam, fiel kein Stein mehr, auch wenn wir die ganz finale Filmversion tatsächlich bis heute nicht gesehen haben, sind wir mit dem Film sehr happy.
Das ist natürlich ein etwas scheuklappiger Blickwinkel, aber selbst als wir vor einigen Wochen die positiven Rückmeldungen von Screenings und Vorführungen für Kinobetreibern erhielten, bin ich nicht davon ausgegangen, dass Wochenendrebellen so gut ankommen würde, wie es sich auch aus den tausenden natürlich vollkommen repräsentativen Social Media Kommentaren rauslesen lässt.
Ihr solltet ins Kino gehen. Ernsthaft. Das wird richtig gut.
Grüße
Mirco