06.24
Das Designbusiness
…verändert sich, nicht nur durch die generative KI, die an den Türen der Studios rüttelt. Es geht tiefer, könnte man sagen. Bzw. sagt Michael Krohn im NEXT-Interview: “Es besteht tatsächlich die Gefahr einer Marginalisierung und Banalisierung der Designbranche.” Das Interview gleich hier unten komplett.
Schönen Juni!
Es grüßt
Armin
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1_ NEXT | Interview des Monats
„Die strategische Beratung ist oft eine Wundertüte“
Ein Interview mit Michael Krohn über KI und die Zukunft des Designbusiness.
Die Designbranche verändert sich. KI drängt von der einen Seite herein, Standardleistungen werden globalisiert, Produktionen ausgelagert und die Themen werden komplexer. Keine guten Perspektiven? Oder gerade doch?
Michael Krohn ist Mitgründer der Zürcher Agentur Formpol (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und lehrt als Design-Professor an der ZHdK in Zürich im Bereich der Nachhaltigkeit.
Eine These: Design ist heute selbstverständlicher Baustein im Entwicklungsprozess. Die frühere Sonderstellung der Designerin bzw. des Designers geht in eine „normale“ Lieferantenbeziehung über. Wie sehen Sie das?
Die „Pitchitis“, also das Ausloben von unbezahlten Wettbewerben für Designprojekte hat abgenommen. Dafür geht es heute mehr darum, ob man eine komplexe Aufgabe versteht und sich als Designer:in sinnvoll in den Prozess einbringen kann. Das hat viel mit der Unternehmenskultur des beauftragenden Unternehmens zu tun. In unseren Beziehungen ist der Designer mehr als ein Lieferant, er hat meistens mehrere Rollen: Berater, Researcher, Analyst, kreativer Vorausdenker, Kritiker, Denker in Alternativen und Optionen, Formgeber, Technologieanwender, Anwalt der Nutzer:innen usw. Aber dieses Rollenspiel beruht meist auf langjährigen Beziehungen zwischen Designer und Unternehmen in einem spezifischen Feld.
Ist das Entwerfen für sich überhaupt noch ein wirtschaftliches Erfolgsmodell?
Sie meinen wohl, ausschließlich viele Formvorschläge zu generieren? So wie wir arbeiten, ist das Entwerfen immer in ein Innovationsprojekt eingebettet. Das braucht das Verständnis des Kontextes, der Nutzer- und Unternehmenssicht, technisches und wirtschaftliches Verständnis, Steuerung eines komplexen Prozesses und Verständnis des Problems sowie des Marktes. Hier hat sich unser Berufsfeld tatsächlich stark verändert. Wir folgen also den Unternehmen, die heute weniger produzieren, aber mehr innovieren. Vor 10 oder 20 Jahren wurden hier in der Schweiz noch viele Produkte hier gestaltet und auch hier produziert. Inzwischen werden diese vielfach auf dem globalen Markt eingekauft. Dafür gibt es mehr innovative, meist in einer Nische tätige Unternehmen und Start-ups, die spezifische Designberatung benötigen.
Also ist die strategische Beratung durch Designagenturen mehr als eine interessante Ergänzung des traditionellen Geschäftsmodells?
Die „Strategische Beratung“ ist oft eine Wundertüte. Mir graust es etwas, wenn ich sehe, was versprochen wird und wer sich mit welchem Wissen, Erfahrung sowie Ausbildung auf diesem Markt umtut. Tatsache aber ist: gerade Unternehmen die ohne traditionelle Basis operieren, fragen öfters nach dem „Was“ als dem „Wie“. Designer:innen müssen also in der Lage sein, sich in Kontexte, Märkte und globale Veränderungen einzudenken, um Entwicklungen zu antizipieren. Will man glaubhaft bleiben, muss die Kernkompetenz des Designs die Grundlage einer strategischen Ausrichtung sein. Die Formgebung im klassischen Sinn ist nur ein Teil davon. Heute geht es auch um nachhaltiges Wirtschaften, um Kreislaufökonomie, um soziale und kulturelle Aspekte.
Vor 10 oder 20 Jahren wurden hier in der Schweiz noch viele Produkte hier gestaltet und auch hier produziert. Inzwischen werden diese vielfach auf dem globalen Markt eingekauft.
Die Themen werden immer komplexer und spezifischer. Kann das Design da seinen Anspruch Querschnittsdisziplin und Innovationstreiber zu sein, überhaupt aufrecht erhalten?
Innovationstreiber sicher, wenn es um stilistische und formale Aspekte geht. Sobald es technisch, digital, ökonomisch oder sozial wird, können Designer:innen Innovation begleiten, durch entsprechende Methoden und Prozesse unterstützen. Denn letztlich ist eine Innovation nur wirksam, wenn sie auch sichtbar und erlebbar ist.
Viele Unternehmen installieren wieder ein Inhouse-Design. Wie wirkt sich dieses Kompetenz-Reshoring auf Ihre Arbeit aus?
Vor dieser Veränderung haben wir nicht so viel „Angst“. Im Gegenteil, oft kann sich zwischen Inhouse-Design und externer Agentur eine sinnvolle Zusammenarbeit ergeben. Uns macht mehr Mühe, dass es immer mehr Unternehmen gibt, die aufgrund von Preisdruck und Mengen ihre Güter auf globalen Märkten einkaufen und dafür eigene Innovation sowie Produktion aufgeben. Das gilt meist für Unternehmen die mit Commodities, also standardisierter Ware handeln, weniger für hochspezialisierte Unternehmen.
Mit der generativen KI klopft derzeit ein mächtiges Tool an die Agenturtüren. Wird sich der Entwurfsprozess und der gesamte Designprozess dadurch verändern?
KI kann fantastische Bilder erzeugen und als Inspiration dienen. Ich kenne allerdings keine KI, die einen Designentwurf kunststoffgerecht konstruieren kann und dabei auch noch die DIN-Normen, Zertifizierungsanforderungen und Normteile berücksichtigt.
Das kann ja noch kommen. Wie gehen Sie in Ihrer Agentur konkret mit dem Thema KI um?
Wir nutzen KI im Sinne eines unendlichen Inspirationsspektrums. Das Wesentliche sind ja die Prompts zur Fütterung der KI. Die Ergebnisse sind dann oft erstaunlich präzise und vielfältig. Aber erst mit Designwissen lässt sich ein so von der KI erzeugter Vorschlag in ein produzierbares Produkt umsetzen.
Designer:innen müssen also in der Lage sein, sich in Kontexte, Märkte und globale Veränderungen einzudenken, um Entwicklungen zu antizipieren.
Wie groß ist denn aus Ihrer Sicht der aktuelle und künftige ökonomischen Druck auf die Designbranche?
Es besteht tatsächlich die Gefahr einer Marginalisierung und Banalisierung der Designbranche. Die entsteht aus einem ökonomischen Überangebot, aber auch aus fehlendem Qualitätsbewusstsein. Daher muss Design sich neue Bereiche in der Wertschöpfungskette aneignen, das ist zwingend für die Zukunftsfähigkeit der Branche.
Allerorten wird der Mangel an Fachkräften beklagt. Wie ist die Lage in der eidgenössischen Designbranche?
Zumindest in der Schweiz gibt es eher ein Überangebot.
2_ CHARGE
Echt
Der Wert der Einzigartigkeit in einer Welt der Kopien | Von Wolf Lotter | Ullstein 2024 | Hardcover, 224 Seiten | € 22,99
Wolf Lotter hat wieder ein Buch geschrieben. Dieses Mal geht es um ein großes Thema, das in Zeiten der KI besonders an Gewicht gewinnt, aber für Designer und designorientierte Unternehmen schon immer relevant war. Es geht um Kopie und Original in Zeiten des salonfähigen Fakes. Dafür blickt Lotter ziemlich weit zurück, als es quasi nur Originale gab, weil alles handwerklich gefertigt wurde. Erst die Industrialisierung, so Lotter, habe die Kopie plötzlich massenweise ins Spiel gebracht. Die Frage des Echtseins weitet Lotter übrigens auch sehr weit aus, auch auf die Gesellschaft: „Konformismus ist der Feind des Echten“, sagt er beispielsweise. Und das, obwohl heute alles individuell sein soll? „Scheinindiviualisierung“ nennt Lotter den konsumistischen Mitmachspirit, der aber letztlich zur Vereinheitlichung führt, in dem das Echte, Authenitische und Orginale weder Platz noch Bedeutung habe. Hat das etwas mit Design zu tun? Klar.
Hier geht es zur Leseprobe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
3_ CHARGE / 2
Maarten Baas – New Times
Monografische Ausstellung mit Arbeiten des niederländischen Designers und Künstlers Maarten Baas, mit illustrem Begleitprogramm in Winterthur.
Gewerbemuseum Winterthur | bis 27.10.2024 | www.gewerbemuseum.ch (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Foto: Hans Schürmann
Blut & Staub
Wenn schon mal in Winterthur, dann kann man gleich im Gewerbemuseum bleiben und die parallel laufende Schau besuchen, die zeigt, wie zunächst wertlose Reststoffe wieder zu wichtigen Rohstoffen werden können.
Gewerbemuseum Winterthur | bis 01.09.2024 | www.gewerbemuseum.ch (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Rethink:Design
Mit „Rethink:Design Klimarelevanz“ zeigt das Design Center Baden-Württemberg Materialentwicklungen, Produktkonzepte, Forschungsinitiativen sowie Technologien, deren positive Impacts schon heute verfügbar sind. Mit dabei sind Start-ups, Institute und etablierte Unternehmen sowie Designagenturen aus Baden-Württemberg. Eine Vielfalt, die begeistert und zum genauen Hinschauen einlädt. Mit dabei ist beispielsweise Proservation (siehe prompd 03.24).
Design Center Baden-Württemberg | bis 04.07.24 | www.design-center.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
4_ DIE WERKBANK
So, damit sind wir wieder beim Werbeblock in eigener Sache angekommen – Wegklicken geht also ok.
Obwohl… Vielleicht sind die Themen ja doch nicht ganz uninteressant, die in jüngster Zeit über meine Werkbank liefen.
Feuerwehr und Design?
Es gibt wenige Produkte, die so individuell zusammengestellt werden wie ein Feuerwehr-Fahrzeug. Statt Großserie dominiert Einzelfertigung. Wie man dennoch wirtschaftlich arbeiten kann zeigt Ziegler in Giengen/Brenz. Und welche Rolle das Design für Innovation und Produktion hat, erzählt Max Ruhdorfer, Head of Design, im Interview.
Produziert habe ich das Interview für das Design Center Baden-Württemberg, es ist kostenfrei zugänglich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Mit Wasserstoff um die Welt
Bertrand Piccard umrundete vor einigen Jahren die Erde ohne Zwischenlandung mit der photovoltaisch angetriebenen SolarImpulse. In vier Jahren will er wieder in die Luft gehen und abermals die Erde umfliegen. Dieses Mal aber mit Wasserstoff als Energielieferant.
Ein Interview mit dem Serienpionier aus der Schweiz für die VDI Nachrichten 11/24.
Rettungsdrohne
Ist momentan noch in der Pipeline, aber am 14.6. fertig gedruckt: der Bericht über das Start-up Auvilus. Das Münchner Team entwickelt ein autonom fliegendes UAV, das die Evakuierung von Verletzten optimieren soll. Das „Grille“ genannte UAV hat bereits seinen Erstflug hinter sich und soll im Herbst in die nächste große Testrunde gehen. Und zwar zusammen mit der Bundeswehr, die größtes Interesse an einer „fliegenden Krankentrage“ hat. Der Ukraine-Krieg zeigt, wie wichtig das alles sein kan
Über das, was so auf der Werkbank liegt, informiert auch mein Linkedin-Kanal (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Oder meine Website (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).