Minerva Hase/Nikita Volodin: “Es war maximal riskant zu laufen”
Minerva Fabienne Hase/Nikita Volodin haben nach zwei Grand-Prix-Siegen das Finale gewonnen, allerdings unter erschwerten Umständen, denn nach der NHK Trophy wurde Volodin krank.
Die Läufer berichten, wie sie den Wettbewerb erlebt haben.
Kurzinterview nach der Kür mit Minerva
Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Grand Prix Finales.
Minerva: Ich bin gerade mega überwältigt und erstaunt. Es war heute mega hart durch die Kür durchzukommen. Wir haben beide sehr, sehr krass gefightet.
Mehr kann ich gerade noch gar nicht sagen, ich bin einfach sehr, sehr glücklich. Dass Nikita vor allem auch mental durchgehalten hat, dass er körperlich durchgehalten hat, dass er bis zum Ende gebissen hat. Wir haben das Ding hier gemeinsam durchgestanden und uns jetzt mit so einer Goldmedaille krönen zu können ist toll.
Das war die erste durchgelaufene Kür seit der NHK Trophy.
Minerva: Wir sind noch nicht mal im Training mit Elementen gelaufen, das erste Mal heute früh im Wettkampftraining, wo wir es mit ein paar Elementen probiert haben. Also wir haben beide gemerkt, es war wirklich absolut schwer. Ich wusste, wenn wir hier zusammen durch die Kür durchkommen und uns gegenseitig helfen, werden wir es schaffen. Ich habe ihm beim Axel-Lasso geholfen, mich da hochgestemmt. In der letzten Hebung hat er den ersten Teil super gemacht. Ich hatte keinen Moment Sorge, dass er mich fallen lassen könnte und selbst wenn die Hebung runtergegangen wäre, habe ich keine Angst, dass er nicht alles getan hätte, um mich sanft abzusetzen. Wir haben, glaube ich, sehr, sehr großes Vertrauen ineinander und das hat uns heute durch die Kür gebracht.
Interview am Sonntag
Können Sie diesen Wettkampf bitte noch einmal rekapitulieren?
Minerva: Ja, also es ist anders gekommen als erwartet, also komplett. Wir sind hier angekommen und wussten noch nicht einmal, ob wir laufen. Das war so eine Last -Minute -Entscheidung, laufen, nicht laufen.
Wir wollten es auf jeden Fall probieren, hierherkommen und bis zum letzten Tag schauen. Im Kurzprogramm war es dann auch schon auf einmal fehlerfrei, wo ich kurz erst mal so war, okay, das war jetzt mit eines der besten Kurzprogramme der Saison.
Es war einfach alles sehr clean, was wir da gemacht haben. Also da war ich schon komplett verwundert und dann auch, ja, weiß ich, habe ich mit weniger Punkten gerechnet, weil ich dachte mir, okay, wir haben die ganze Zeit so 30 in der B-Note bekommen, dann haben wir da auf einmal 32 bekommen und hatten irgendwie 72 Punkte.
Das war dann so der nächste Banger, der so zu verarbeiten war. Ja, dann in die Kür sind wir auch wirklich ohne Erwartungen reingegangen. Also klar, wir wollten uns gerne auf dem Podium platzieren, aber wir waren echt froh, dass wir überhaupt laufen konnten und wollten es halt genießen und irgendwie durchkommen.
Die Kür war echt super hart zu laufen, vor allem mental und auch körperlich.
Das sind vier Minuten, das ist länger als ein KP und es sind viele Elemente.
Minerva: Sehr viele Elemente. Da war dann hinten raus schon ein bisschen die Luft raus. Ich war dann sehr glücklich, als die letzte Hebung noch hochging und durchgelaufen ist. Mit den 133 Punkten war ich auch glücklich. Zweiter Platz dachte ich mir, nehme ich. Als dann aber insgesamt die Punktzeile mit dem ersten Platz kam, da war ich komplett weg.
Ich hatte das Gefühl, nur Sie haben es verstanden. Nikita und der Trainer Dmitri Savin wirkten etwas unbeteiligt.
Minerva: Ich habe mir dann das Video angeguckt, Nikita - sitzen, gucken, gucken, gucken. Und dann irgendwann so, ah, das ist der erste Platz.
Nikita: Ich war glücklich, aber mir ging es schlecht. Ich hatte nicht an Punkte oder Platzierungen gedacht. Ich dachte, bitte, holt mir einen Arzt.
Minerva: Ich war danach einfach super happy, dass er alles so durchgezogen hat. Ich habe mir die ganze Zeit Sorgen gemacht, weil ich mir dachte, okay, es ist eigentlich nicht gesund, den Körper so etwas auszusetzen. Doch er hat durchgehalten. Respekt, dass wir es als Team geschafft haben, da können wir uns beide, glaube ich, auf die Schulter klopfen. Es ist ein sehr besonderes Event und mit einem noch besonderen Abschluss.
Wie riskant war es zu laufen?
Nikita: Es war maximal riskant und es war nicht klar, wie der Organismus auf diese Belastung reagiert. Ich lag eine Woche im Bett, ohne jede physische Belastung, mit Fieber. Ich kam am Sonntag aufs Eis und ich fühlte mich nicht gut. Wir haben nicht mal die Übergänge trainiert, einfach nur die Elemente gemacht, eins nach dem anderen. Ich hatte eine Atempause nach jedem Element. Nach dem KP (in Peking) habe ich ein wenig Luft geholt und habe daran geglaubt, dass es möglich ist. Es war sehr schwer. Irgendwo in der Mitte war ich fix und fertig, in der zweiten Hälfte bin ich nur noch mit Willenskraft gelaufen.
Ich hatte bei den Hebungen Sorge.
Nikita: Das schwierigste waren die Hebungen. Der Kopf tut weh, die Nase ist zu und der Druck kommt durch das Hochheben einer Last. Die letzte Hebung war ... (sehr schwer). Jetzt ist es klar, dass wir uns nicht umsonst auf so ein Abenteuer eingelassen haben, weil es ein Resultat gibt. Aber so haben wir nichts erwartet, wir sind einfach nur gekommen, um zu kämpfen.
Was haben die Ärzte gesagt?
Nikita: Der Arzt sagte, ich soll sehen, wie ich mich fühle. Meine Psychologie ist immer, dass man kämpfen muss, dass es vielleicht die einzige Chance in deinem Leben, zumal wir auch so gut angefangen haben, es ins Finale geschafft haben, da muss man kämpfen in jedem Fall. Und das zweite deutsche Paar hatte zurückgezogen, da mussten wir doch das Land vertreten.
Wieviel Selbstvertrauen und Kraft gibt Ihnen diese Erfahrung für die Zukunft?
Minerva: Gefühlt werden wir von Wettkampf zu Wettkampf mit den Grand Prix und mit jedem Wettkampf, den wir davor gelaufen sind, selbstbewusster in unserem Auftreten. Mittlerweile fliegen wir zu den Wettkämpfen und wissen unseren Wert. Wir wollen es uns selbst beweisen, dass wir noch besser sein können und dass wir ernst zu nehmende Gegner sind. Das habe ich am Anfang der Saison schon gesagt, so wollen wir gehandhabt werden.
Und ich glaube, so werden wir jetzt auch gesehen und angenommen, was schon mal ein echt schöner Schritt nach vorne ist. Wir lernen, mit allen Störfaktoren umzugehen. Ich bin in diesen Wettkampf reingegangen und dachte mir nimm's einfach so, wie's kommt.
Wenn ein Schnürsenkel reißt, dann ist es so, wenn was passiert, ist alles okay. Ich gehe gefühlt relaxter mit Störfaktoren um. Das hatte ich davor nicht, weil mit Nolan (Seegert) eigentlich immer alles relativ glatt gelaufen ist.
Also du lernst daraus, entspannt zu bleiben und dass du manche Sachen eh nicht beeinflussen kannst. Das nehmen wir auch hier wieder mit, dass wir es auch unter schwierigen Bedingungen schaffen können, dass wir es aber noch so viel besser machen können, also auch vor allem die Kür.
Wir sind am Ende schon ein Stück eingebrochen und das gibt uns jetzt Motivation, härter zu trainieren, vor allem im Hinblick auf die EM. Da haben wir dann die Georgier (Metelkina/Berulava) noch, die sind hier fehlerfrei gelaufen.
Das sind auf jeden Fall auch sehr, sehr ernst zu nehmende Gegner, weil sie sehr stabil sind. Von daher müssen wir jetzt nochmal ein Stück härter trainieren, dass wir zur EM fahren und noch mehr Selbstsicherheit in der Kür haben, vor allem für die ersten vier Elemente. Die werden, glaube ich, im Endeffekt entscheidend sein, wer dann vorne ist.
Nikita: Es gibt uns zu 100% Selbstvertrauen, dass wir mit so einer Vorbereitung eine solche Leistung zeigen konnten. Mir gibt das Selbstvertrauen und meiner Partnerin sicher auch. Wenn wir uns sehr gut fühlen und in einer guten Form sind, dann können wir zu 100% besser laufen, eindeutig, und die Elemente können wir mit mehr Qualität machen. Ich denke, es war für meine Partnerin sehr wichtig zu wissen, dass ich immer meinen Job mache und wir werden noch sicherer werden, auch bei den Elementen sicherer sein und sie machen, ohne zu zweifeln. Die Mädchen sind immer ein bisschen mehr nervös. Ich denke, für uns war das ein sehr wichtiger Schritt und wir gehen daraus mit mehr Selbstvertrauen hervor.
Worauf werden Sie den Schwerpunkt vor der EM legen?
Nikita: Der Akzent wird wohl auf der physischen Form liegen, damit wir uns sehr gut fühlen, das Programm ruhig durchlaufen, damit wir das Tempo der Musik halten können. Jetzt reicht es uns am Ende nicht ganz. Diesmal war es klar. In Japan war es etwas besser, aber wir wollen, dass das Ende mit Power ist und wir noch etwas Anfang mehr reinlegen. Aber dafür müssen wir eine sehr gute physische Form haben. Wir werden daran arbeiten. An den Elementen werden wir nichts mehr verändern.
Jetzt hatte ich gehört, Nikita hat eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen?
Minerva: Er hat jetzt gerade eine Fiktionsbescheinigung. Wir mussten das über den Weg machen, damit wir jetzt reisen konnten und er über den 1. Dezember hinaus auch wieder zurückkommt. Wenn wir jetzt wieder in Berlin sind, haben wir noch mal einen Termin und dann bekommt er diese Plastikkarte und den Aufenthaltstitel für drei Jahre. So lange brauchen wir sie ja hoffentlich nicht. Rein theoretisch haben wir jetzt auf jeden Fall erst mal bis Olympia keinen Stress mehr damit, nächstes Jahr wieder hinrennen zu müssen und wieder alles wieder neu zu machen. Das war am Anfang der Saison ziemlich stressig, weil wir noch nicht wussten, wann wir die Fiktionsbescheinigung bekommen. Passt es dann alles mit unseren Grand Prix und Finale und können wir dann wieder einreisen? Im Endeffekt war es dann leichter als gedacht, aber in der ersten Saisonhälfte war es noch ein bisschen stressig. Wir mussten die ganze Zeit zu gucken, wann kriegen wir den neuen Aufenthaltstitel, funktioniert das alles, können wir laufen.
Deswegen bin ich froh, dass das jetzt alles geklappt hat und wir jetzt erstmal Ruhe haben bis der Deutschtest und alles Weitere ansteht.
Es wird knapp werden (mit der Einbürgerung), das ist schon sagbar. Es wird nicht so sein, dass wir nächstes Jahr den Pass bekommen. Es wird ein knappes Ding werden, aber es ist nicht unmöglich. Aber ich glaube, dass wir jetzt schon mal vielleicht einen ganz guten Anreiz geschafft haben für Deutschland.
Nikita: Sicher motiviert das.
Minerva: Was in unserer Hand liegt, ist, dass Nikita früh genug Deutsch lernt und früh genug den Test macht. Das ist alles, was wir machen können. Und der Rest liegt nicht mehr in unserer Hand.
Nikita: Bis zum Ende der Saison lerne ich alleine Deutsch, danach mit einem Lehrer. Man muss schon richtig lernen. Wenn du das alleine machst, ist es etwas chaotisch und es ist schwer, alles zusammenzubringen. Wenn es eine Basis gibt, kannst du alleine lernen.