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Themawechsel und Pause

Smart ist das neue Doof/Die besten Lifehacks und Infos an Dein früheres ich/Bill Buford gibt nicht auf

In den hundert Tagen, die der russische Überfall auf die Ukraine nun dauert, ist meine digitale Präsenz in völlig inakzeptable Höhen geschossen. Man braucht aber Pausen, um durchzuhalten.  Darum gibt es hier heute thematische Variationen.

Zunehmend fällt mir die Verwahrlosung der ganzen digitalen Ökonomie auf – nicht jene der sozialen Netzwerke, das habe ich mir ganz gut eingerichtet –sondern jene einfachster E-commerce Praktiken wie die Buchung eines Hotelzimmers. Vor der Pandemie war das eine  Sache von wenigen Mails: Eine zur Bestellung, eine zur Bestätigung. Heute kommen allein vor der Anreise sechs bis sieben Mails mit Hinweisen zum Hotel und der Bitte, online einzuchecken. Also die Arbeit zu machen, die früher an der Rezeption erledigt wurde. Billiger wird der Aufenthalt deswegen aber  nicht. 

Völlig außer Kontrolle sind die Systeme des Hotels in Berlin, in dem ich gern bin. Da kamen über zwanzig Mails für einen Aufenthalt von 2 Nächten. Eine zeigte mir an, man habe nun meine Fundsachen hinterlegt, obwohl ich gar nichts vermisst habe. 

Ähnlich über- und durchgedreht ist die Welt des Onlinebankings. Als wir für unseren Sohn, der heute 15 wird, ein Jugendgirokonto eröffnen wollten, begann eine Zeit ebenso intensiver wie wirrer Kommunikation. Ich sollte Unterlagen nachreichen, dann fand man Ungereimtheiten in den Angaben – es dauerte und dann begann alles wieder von vorn. Dies bei einer Bank, die super smart wirbt und online only funktioniert, weswegen niemand mit niemandem spricht, niemand erreichbar ist und schon gar nicht zuständig. Wesentliche Fragen bedürfen aber nach wie vor der Schriftform, weswegen ich tagelang auf einen Brief warten musste. Wie in vielen anderen Ecken der Republik wird die Briefpost bei uns aber höchstens ein-bis zwei Mal wöchentlich zugestellt. So wird smart: ziemlich slow.

Ich hätte eine Idee für ein krasses Finanz-Startup: Ein Ladenlokal mit Kasse und Tresor. Dort sind  fest angestellte erwachsene Menschen, die ein Telefon zu bedienen wissen, rechnen können und allenfalls im Hinterzimmer nutzt jemand einen tüchtigen Computer. Das Geld wird dann in regionale Bauprojekte, Handwerksbetriebe und Genossenschaften investiert, sozial und ökologisch vernünftig.  Und so wird es auch kommen. Gut ausgebildete und stabil bezahlte Leute bringen mehr als der digitale Wahnsinn. Wenn eine Maschine mich bittet, durch Klicken auf Bildchen von kalifornischen Brücken zu beweisen, dass ich keine Maschine bin, um tun zu dürfen, was ich tun möchte, lass ich es einfach bleiben. Smart ist: doof geworden. 

Einmal in der Woche darf ich eine Lehrredaktion unterrichten und überlege mir immer, was meinem studentischen Ich genutzt hätte. Nicht unnötig langweilen ist schon mal eine wichtige Maxime. 

 Der kanadische Schriftsteller Douglas Coupland erfand mal das Konzept der rückwärtsgewandten Zeitkapsel: Was würden sie gern früheren Generationen über die heutige Zeit, ihre Zukunft, mitteilen? Heute liest sich Coupland allerdings selbst  wie alte Geschichte. Aber die studieren wir ja auch.  

https://www.wired.com/1995/11/wired-scenarios-reverse-time-capsule-douglas-coupland/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Ähnlich amüsant sind die Life Hacks, die David Brooks von der New York Times sammelt - (auch wenn ich bei einigen widersprechen möchte):

"For example, over the last few years I have embraced, almost as a religious mantra, the idea that if you’re not sure you can carry it all, take two trips.

A friend shares the advice: “Always make the call. If you’re disturbed or confused by something somebody did, always pick up the phone.”

A search around the world of online advice givers uncovers some other diamonds of practical wisdom, both prosaic and profound:

Job interviews are not really about you. They are about the employer’s needs and how you can fill them.

If you can’t make up your mind between two options, flip a coin. Don’t decide based on which side of the coin came up. Decide based on your emotional reaction to which side came up.

Take photos of things your parents do every day. That’s how you’ll want to remember them.

Build identity capital. In your 20s do three fascinating things that job interviewers and dinner companions will want to ask you about for the rest of your life.

Marriage is a 50-year conversation. Marry someone you want to talk with for the rest of your life.

If you’re giving a speech, be vulnerable. Fall on the audience and let them catch you. They will.

Never be furtive. If you’re doing something you don’t want others to find out about, it’s probably wrong."

aus:

https://www.nytimes.com/2022/06/02/opinion/david-brooks-life-hacks.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Meine Life Hacks: Öfter mal kleine Pausen machen, Dr Bronner Flüssigseife im Haus haben und sich sonntags zuhause bleiben & etwas Gutes kochen. 

Einige Wochen habe ich es durchgehalten, nichts zum Thema Sonntagshuhn zu posten, darum gehen wir heute einmal in die Tiefe mit Bill Buford. Der sympathische Brite tut sich immer schwer mit der Zubereitung von Poulet (Mein Großvater hätte nun unweigerlich bemerkt, dass es den Engländern leichter fiel, Jeanne d Arc zu grillen) jedenfalls ging er einmal für den New Yorker in die Tiefe des Themas:

https://www.newyorker.com/culture/kitchen-notes/perfecting-roast-chicken-the-french-way (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Kopf hoch, 

ihr

Nils Minkmar

PS: Über dreitausend Menschen erhalten heute diesen Newsletter, der vor etwas über einem Jahr mit wenigen Dutzend startete. Danke. 

Es kommen immer wieder nette Anregungen, diesen Newsletter mit Anzeigen profitabel zu machen oder ihn unter die Fittiche einer Medienmarke schlüpfen zu lassen – aber das passt nicht so recht zur Anarchie, zur Freiheit des Sonntags. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, wenn Menschen durch eine Mitgliedschaft die Arbeit daran finanziell unterstützen und das geht hier:

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