C'est la France
In unser Familienferienhaus am Ende der Welt sollte das Internet einziehen. Die Gegend war unlängst mit Glasfaser ausgestattet worden, die Zukunft konnte kommen. Eine solche Anmeldung ist in Frankreich gar kein großes Problem, – wenn man schon Kunde bei einem der großen Anbieter ist. Ich versuchte mein Glück bei SFR, kam aber online nicht weit, weil der universelle Sonderfall, dass jemand, der noch kein SFR-Kunde ist, nun einer werden möchte, dort nicht vorgesehen ist. Telefonisch klappte es besser –bis zur Angabe der Nummer, unter der ich am Tag der Verlegung des Anschlusses erreichbar sein würde. Da wurden nur gute französische Nummern genommen, am besten von SFR. Ich gab die Nummer meines Freundes Olivier an, der sehr gern telefoniert. Der technicien sollte am fraglichen Tag zwischen 8 und 12 Uhr erscheinen und ich erwartete ihn ab 7.45 sicher ist sicher.
Gegen 10.30 rief mich Olivier an. Wie geht es Dir? Was machen die Kinder?Wie geht es Deiner Frau? Verbringt ihr schöne Ferien?
Ich erklärte, es sei alles gut und seit gestern Abend, als er bei uns zum Essen war, im Wesentlichen auch unverändert. Olivier referierte nun, dass der technicien, ein freundlicher Mann, von der Firma schlimm ausgebeutet werde und kein Wunder im Neoliberalismus à la Macron. Der Kollege werde folglich und billigerweise später kommen. Ich verstand diese geopolitische Misere und wartete solidarisch. Gegen Mittag rief mich der technicien persönlich an und sagte, er mache nun eine Mittagspause. Wenn ich nichts einzuwenden hätte, würde es 14 Uhr. Niemand schätzt ein gutes Mittagessen mehr als ich, also wünschte ich ihm einen guten Appetit. Olivier rief an, um den Stand der Dinge zu erfahren und wünschte mir weiterhin viel Glück. Die Menschen strömten zum Strand und langsam auch wieder retour, als gegen halb fünf der weiße Technikwagen von SFR vor dem Haus hielt. Der Monsieur strahlte über das ganze Gesicht, inspizierte alles, öffnete Kästen und prüfte Kabel und teilte dann hocherfreut mit, das alles klar sei. Es sei ihm verboten, hier einen Anschluss zu legen, denn ein Stück des alten Telefonkabels verläuft am Dach entlang, aber es muss alles unterirdisch, also unter dem Vorgarten und in einem Schacht verlegt sein. Unser Sohn bot sich an, diesen Schacht sofort und spontan mit dem Spaten auszuheben, aber so ein technicien hat ja nicht ewig Zeit. Ich unterschrieb ihm ein Gesamtstorno. Vor seiner Abfahrt sagte er, dass er noch mal "den Olivier" anrufen werde, um auch ihn über die Entwicklung zu unterrichten. Der rief mich nach diesem Gespräch sofort an und entschuldigte sich wortreich, bis ich ihn daran erinnerte, dass er nicht das Geringste dafür kann, – was ihm entfallen war. Etwas später kam dann der Nachbar nach Hause, hörte sich meinen Bericht an und seufzte: "C'est la France!" Dann kritzelte er mir das Passwort seines W-Lans (von Orange – da sind überirdische Kabel erlaubt) auf einen Zettel, was mein Problem löste und auch das ist Frankreich.
Zum ersten Mal überhaupt besuchte ich in diesem Jahr Malagar, das Landhaus des Literaturnobelpreisträgers François Mauriac.
https://www.youtube.com/watch?v=NTp-XfuNGY0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Sein Werk ist weitgehend vergessen: Es sind bewegende Romane, die mit der katholischen Provinzbourgeoisie abrechnen. Wichtiger ist sein politisches Engagement. Der glühende Anhänger de Gaulles stand für eine humane Politik, soziale Gerechtigkeit und Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus. Zu seiner Zeit war er einer der prominentesten Franzosen, wobei das linke Lager und die Freunde von Sartre und de Beauvoir ihn milde belächelten. Seine politische Richtung - der politische Katholizismus– hat Frankreich damals zum Guten beeinflusst, heute ist sie nur noch im Museum anzutreffen.
Es war mäßig besucht. Die Wissenschaftlerin, die durch die Anlage führte, war sehr kompetent und angenehm. Dass Mauriac, der verheiratet war und vier Kinder hatte, zeitlebens intensive und wichtige Liebesbeziehungen zu Männern unterhielt, wurde erst in den letzten Jahren bekannt. Davon war bei der Führung aber nicht die Rede.
Wegen der Waldbrände und der Trockenheit gab es in diesem Jahr kaum Grillvergnügen in Frankreich, es war unheimlich. Sonntagshuhn lässt sich aber glücklicherweise gut im Ofen zubereiten. Im Netz fand ich dieses einfache, aber vielversprechende Rezept:
https://www.francetvinfo.fr/replay-radio/franceinfo-passe-a-table/franceinfo-passe-a-table-le-poulet-roti-a-la-moutarde_5248522.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Kopf hoch,
ihr Nils Minkmar
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