Demonstration vor dem Verlagsgebäude des Aschendorff Verlag
Palästina Antikolonial kritisiert einseitige Berichterstattung - WN weist Vorwürfe zurück: „Böswillige Unterstellung"
Am Sonntag demonstrierten etwa 50 Menschen vor dem Verlagsgebäude des Aschendorff Verlags (Westfälische Nachrichten/ Westfalen-Blatt/ Münstersche Zeitung) an der Soester Straße in Münster. Sie protestierten gegen die ihrer Meinung nach tendenziöse und einseitige Berichterstattung der Zeitung über den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Ein Redner warf dem Münsteraner Lokalchef der Redaktion, Dirk Anger, vor, dass nie mit ihnen gesprochen, sondern nur über sie berichtet werde. Anger verfolgte die Demonstration zusammen mit einem Kollegen. Polizeisprecher Jan Schabacker bezeichnet die Demonstration auf MVZ-Nachfrage als „friedlich und unspektakulär".
Die Gruppe „Palästina Antikolonial“ hatte zu der Demonstration unter dem Titel „Westfälische Nachrichten (WN) -Komplizen des Genozids“ aufgerufen. Laut eigener Aussage organisiert sich die Gruppe gegen die deutsche Mittäterschaft bei der Unterdrückung von Palästinenser:innen und gegen anti-palästinensischen Rassismus. In einer Pressemitteilung erklärte die Gruppe, die Berichterstattung der WN verstoße gegen die Basisrichtlinien des Pressekodex, zu denen die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit gehören. Eine formale Beschwerde beim Deutschen Presserat hat Palästina Kolonial bislang noch nicht eingereicht.
Die Organisation Palästina Antikolonial fühle sich in den Berichten der WN immer wieder zu unrecht als „kriminell und antisemitisch“ dargestellt, hieß es auf der Demo. Die Mitglieder empfinden dies als Diffamierung. Kritik an der israelischen Regierung sei nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen. In Redebeiträgen zitierten die Demonstranten aus Texten der WN. Die Chefredaktion der Westfälischen Nachrichten hat auf MVZ-Nachfrage diese Stellungnahme abgegeben: (WN-Zitat Anfang)
„Die Aschendorff Medien GmbH & Co KG als Herausgeberin der Tageszeitung Westfälischen Nachrichten respektiert das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Den am Sonntag von der Gruppierung „Palästina Antikolonial" verbreiteten Vorwurf „Westfälische Nachrichten - Komplizen im Genozid" - auch in den vor Ort verwendeten Abwandlungen -, weisen wir als böswillige Unterstellung entschieden zurück.
Verlagshaus, Redakteurinnen und Redakteure verurteilen jede Form von Extremismus und machen dies in einer unabhängigen Berichterstattung deutlich.
Der unter anderem in der Pressemitteilung verbreitete Vorwurf, es sei nie mit Vertretern der Gruppierung „Palästina Antikolonial" gesprochen worden, entspricht nicht der Wahrheit. Kontakt wie entsprechende Versuche der Aufnahme eines solchen hat es per E-Mail, telefonisch wie persönlich gegeben, zuletzt am 6. Oktober unter anderem mit Rednern des Protests an der Soester Straße.
Zu Bewertungen und Deutungen in der verbreiteten Pressemitteilung, die sich auf redaktionelle Berichterstattung beziehen, äußern wir uns nicht, weil sie Ausfluss einer individuellen Einschätzung sind". (WN-Zitat-Ende)
Im Zusammenhang mit der Demonstration kam es zu zwei Strafanzeigen, eine, weil die Rednerin den verbotenen Slogan „From the river to the sea - Palestine will be free“ verwendet hatte, eine weitere weil in einem Redebeitrag das Existenzrechts des Staates Israel in Frage gestellt worden sein soll, so Polizeisprecher Jan Schabacker.
Alexandra Roth, Landesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Nordrhein-Westfalen kommentiert die Situation in Münster so: „Journalismus ist ein hohes Gut und spiegelt nicht immer die Meinung der Leser wieder. Trotzdem meinen inzwischen viele, dass man mit Aggressionen Einfluß auf die Berichterstattung nehmen kann, wie hier in Münster. Dies erschwert die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen inzwischen merklich. Hier ist Vorsicht geboten, damit die Schere im Kopf nicht allgegenwärtig wird. Journalismus muss ungeachtet von Druck von außen stattfinden können, sonst ist er nichts mehr wert." (fb)
Bild: Sonntag mittag: Demonstration vor dem Verlagsgebäude des Westfälischen Nachrichten an der Soester Straße. Foto: Frank Biermann