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Marion und Elli

Das Zimmer roch nach Mottenkugeln und Rosenparfum. Betrat man den kleinen Raum, fühlte man sich wie in einer Privatbibliothek: Alle Wände waren mit schweren Holzregalen vollgestellt und jede noch so kleine Nische wurde durch ein Buch ausgefüllt. Rechts neben der Tür befand sich ein alter, aber sehr gemütlich aussehender Sessel. Seine dicken Kissen und die bunte Steppdecke auf ihm schienen geradezu zu flüstern: „Setzt dich doch hierher. Ruh dich aus und nimm dir ein gutes Buch.“ Doch Marion hörte nicht auf die Stimme. Ihre Aufmerksamkeit war bei ihrer Großtante. Das Bett, indem die Frau lag, befand sich ebenfalls in dem Raum. Die alte Dame schlief tief und fest. Marion sah wie die Augen unter den Liedern zuckten und hörte das schwere, aber gleichmäßige Atmen. Ihre Großtante Elisabeth, die von allen immer nur Elli genannt wurde, war weit über 90. Die Frau mit den einst langen blonden Haaren und der Vorliebe für bunte Socken und Chai-Tee war früher um die halbe Welt gereist. Als Marion noch ein Kind war, hatte sie in den Sommerferien öfter mal bei Elli übernachtet. Sie hatten es sich dann vor dem großen Kamin im Wohnzimmer gemütlich gemacht und bei heißer Schokolade über Ellis Abenteuer in Vietnam, Kapstadt und Marokko geredet. Als Marion älter wurde und in die Pubertät kam, wurden ihre Besuche bei ihrer Großtante immer seltener. Aus den Übernachtungen wurden mit der Zeit Besuche zum Tee und schließlich kam Marion gar nicht mehr. Zu dem Zeitpunkt, als sie das Zimmer in Ellis kleinem Haus am See betrat, hatte sie die alte Dame bereits seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Marion ging langsam zu dem Bett hinüber und berührte im Vorbeigehen die vielen Buchrücken der Bücher. Warum war sie nicht mehr gekommen? Tief in ihrem Inneren, spürte Marion die Antwort. Sie hatte „Wichtigeres“ zu tun gehabt. Als sie erwachsen wurde, waren Jungs, Partys und schließlich der Umzug nach Frankfurt von Bedeutung gewesen, nicht aber die skurrile Großtante am Kulkwitzer See.

Vor Kurzem hatte Marion den Start ins neue Jahr genutzt, um einmal gründlich auszumisten. Dabei hatte sie die alte Holzkiste entdeckt, die ihr Elli damals zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt hatte. „Für all deine Abenteuer und Erinnerungen“, hatte sie ihr gesagt und ihr ein Glas Traubensaft gereicht. Für sich selbst bevorzugte ihre Tante Chai-Tee mit Rum. Sogar jetzt musste Marion darüber lächeln. Die Kiste hatte sie tatsächlich an vieles erinnert: gute Gespräche, ferne Länder und die Freude am Leben. Elli war immer gegen den Strom geschwommen und war zeit ihres Lebens damit durch viele interessante Flüsse gekommen. Nun würde ihre Reise wohl bald zu Ende gehen. Marion hatte Ihre Großmutter gefragt und die Ärzte gaben Elli nur noch ein paar Wochen. Marion ging nun ans Kopfende des Bettes und nahm die kleine, faltige Hand ihrer Tante. Sie fühlte sich weich und warm an. „Hey kleines Mädchen, du bist ganz schön alt geworden“, sagte Elli plötzlich. Die dunkelgrünen Augen fixierten sie und die Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Lange nicht gesehen Tante Elli“, sagte Marion und ihre Augen brannten. „Was treibt dich denn in diese Gegend? Hast wohl Sehnsucht nach meinem Chai-Tee bekommen? Der Rum ist allerdings alle.“, lachte Elli, doch es war viel mehr ein Husten. „Der Chai-Tee kann warten. Wie wäre es mit einer Geschichte?“, fragte Marion und zog eines der Bücher aus dem Regal. „Wenn du Zeit hast?“, fragte Elli und begann sich langsam im Bett aufzurichten.

„Ich habe Zeit und Lust auf ein Abenteuer! Kommst du mit?“

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Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

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