Kommentar: Was wahr ist und was Fake ist, entscheidet jeder für sich. Die meisten glauben das, was sie glauben wollen.
Ein Kommentar von Tom Wannenmacher, mimikama.org (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Ich kann mich noch sehr gut an einen Beitrag auf Facebook erinnern, der behauptete, dass die Corona-Impfung mit einem geheimen Mikrochip versehen sei, um die Bevölkerung zu überwachen. Die Kommentare darunter waren geteilt: Einige stimmten begeistert zu und lieferten weitere angebliche „Beweise“, andere lachten es als völligen Unsinn ab. Ich hielt dies für einen klaren Fake, aber der Schreiber glaubt offensichtlich, dass es stimmt. Da helfen auch keine Fakten mehr.
Diese selektive Wahrnehmung ist überall. Jeder sucht sich „seine“ Informationsquelle selbst aus. Ein Putinunterstützer greift lieber auf Quellen aus der russischen Propaganda zurück, während ein Gegner Putins westliche Medien bevorzugt. Beide Seiten sind überzeugt, dass nur sie die wahre Geschichte kennen. Es ist, als würden wir in parallelen Universen leben, in denen die Wahrheit nur eine Frage der Perspektive ist.
In Österreich und Deutschland sehen wir das besonders deutlich bei Themen wie der Corona-Pandemie oder dem Klimawandel. Trotz überwältigender wissenschaftlicher Beweise gibt es immer noch Menschen, die fest an Verschwörungstheorien glauben. Sie denken, dass Corona nur eine Erfindung der Regierung ist, um uns zu kontrollieren, oder dass der Klimawandel eine Lüge ist, um wirtschaftliche Interessen zu fördern.
Das Problem liegt tiefer: Viele Menschen haben verlernt, kritisch zu denken. Sie lassen sich von emotional aufgeladenen Schlagzeilen und einfachen Antworten leiten. Wer von uns hat nicht schon mal eine reißerische Schlagzeile gesehen und sich gedacht: „Das klingt plausibel“, ohne weiter nachzuforschen? Die Flut an Informationen, die täglich auf uns einprasselt, macht es uns nicht leichter. Es kostet Zeit und Mühe, die Spreu vom Weizen zu trennen. Und wer hat schon die Zeit, jede Quelle zu überprüfen?
Nehmen wir das Beispiel der Impfungen. Trotz klarer wissenschaftlicher Beweise für die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen gibt es Menschen, die an die absurdesten Theorien über angebliche Gefahren glauben. Sie teilen diese „Informationen“ in sozialen Netzwerken, und plötzlich zweifeln auch andere. Es ist ein Teufelskreis der Desinformation.
Aber was können wir tun? Wir müssen uns bewusst machen, dass unser Glaube an die Wahrheit oft mehr über uns selbst aussagt als über die Realität. Es erfordert Mut, unsere eigenen Überzeugungen zu hinterfragen und offen für andere Perspektiven zu sein. Faktenchecks und unabhängige Medien sind wichtig, aber sie sind nur ein Teil der Lösung.
Wir müssen uns selbst erziehen, kritisch zu denken. Das bedeutet, nicht nur Informationen zu konsumieren, die unseren Vorurteilen entsprechen, sondern auch solche, die uns herausfordern. Es bedeutet, nicht jede Schlagzeile für bare Münze zu nehmen, sondern nachzuforschen, wer dahintersteht und welche Interessen verfolgt werden.
Was aber, wenn Menschen diese Ansätze inhaltlich nicht verstehen oder umsetzen wollen?
Bildung fördern: Schulen und Bildungseinrichtungen sollten Medienkompetenz vermitteln. Kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen zu bewerten, sind essenziell in der heutigen Zeit.
Offene Diskussionen führen: Wir sollten das Gespräch suchen und offen über verschiedene Perspektiven diskutieren. Dabei geht es nicht darum, den anderen zu überzeugen, sondern Verständnis und Respekt für unterschiedliche Meinungen zu entwickeln.
Verlässliche Quellen teilen: In sozialen Netzwerken können wir aktiv verlässliche und gut recherchierte Informationen teilen und erklären, warum diese glaubwürdig sind.
Eigenes Verhalten reflektieren: Jeder sollte sich regelmäßig fragen, ob er Informationen unkritisch übernommen hat und wie er selbst zur Verbreitung von Desinformation beiträgt.
Geduld und Empathie zeigen: Menschen ändern ihre Überzeugungen nicht über Nacht. Geduld und einfühlsame Gespräche können helfen, Zweifel zu wecken und den Weg für ein tieferes Verständnis zu ebnen.
Was aber, wenn beide Seiten – jene, die an Fakten glauben, und jene, die ihre eigene Wahrheit haben – diese Maßnahmen umsetzen?
Dann hätten wir eine Gesellschaft, die zumindest bemüht ist, über ihre Überzeugungen nachzudenken und einen offenen Dialog zu führen. Es wäre ein erster Schritt in Richtung Verständnis und weniger Spaltung.
Gemeinsam gegen die Flut der Desinformation
Wir würden sehen, dass, auch wenn die Ansichten unterschiedlich bleiben, das Bemühen um gegenseitigen Respekt und Verständnis wächst. Die Fähigkeit, zu erkennen, dass die eigene Sichtweise nicht die einzige Wahrheit ist, wäre ein großer Gewinn für uns alle. Indem wir uns auf Fakten einigen und offen für andere Perspektiven bleiben, könnten wir eine fundiertere und weniger polarisierte Gesellschaft schaffen.
Lasst uns also daran arbeiten, kritisch zu denken, offenzubleiben und einander zuzuhören. Denn nur so können wir hoffen, in einer Welt der Desinformation die tatsächliche Wahrheit zu erkennen.
Am Ende noch etwas Satire!
Am Ende bleibt nur eines festzuhalten: Die Wahrheit ist flexibel, je nachdem, wer sie erzählt. Fakten sind anscheinend nur noch optional, und jeder hat seine eigene Version der Realität. Warum also noch wissenschaftliche Beweise oder seriöse Quellen konsultieren, wenn der neueste Facebook-Post doch so viel spannender ist? Schließlich haben wir ja alle genug Zeit, uns in einem endlosen Kreislauf von Desinformation zu verlieren und darüber zu streiten, wessen „Wahrheit“ nun die richtige ist. Willkommen im Zeitalter der alternativen Fakten, wo jeder recht hat und niemand wirklich weiß, was los ist!
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