Passer au contenu principal

Monkey Monday #4

Zinsentscheidung der Fed: auf dem Hochseil

Foto: Sean Benesh

Es ist ein Fußmarsch von kaum zehn Minuten vom Weißen Haus bis zum Sitz des Federal Reserve Board of Governors in der Constitution Avenue in Washington, D.C.. Und dennoch scheint es, als seien die beiden mächtigen Institutionen, die sich in diesen ehrwürdigen Gebäuden befinden, am vergangenen Montag um Lichtjahre auseinander gerückt. Am Tag der Amtseinführung von Donald Trump.

Das Federal Reserve System, die dezentralisierte Notenbankstruktur der Vereinigten Staaten, wurde 1913 unter Präsident Wilson als Reaktion auf die Finanzkrise des Jahres 1907 gegründet. Um die Stabilität des US-Finanzsystems zu sichern und systemische Risiken zu vermeiden, sollte die Notenbank nicht nur die Geldpolitik für den Bundesstaat organisieren, sondern auch das Bankensystem beaufsichtigen. Dabei wurde ihr im Gründungsgesetz, dem Federal Reserve Act, ein hohes Maß an Autonomie eingeräumt, später im Banking Act von 1935 bestätigt. Eine Rechenschaftspflicht der Fed gegenüber dem Kongress, heute bekannt durch die stark beachteten Anhörungen der jeweiligen Fed-Vorsitzenden in Senat und Repräsentantenhaus, wurde erst 1977 im Federal Reserve Reform Act in Gesetzesform gegossen. Ein Jahr später erhielt die US-Notenbank im berühmten Humphrey-Hawkins Full Employment Act ihr heutiges Doppelziel von Preisniveaustabilität und hohem Beschäftigungsstand. Das Verfolgen dieser beiden Ziele, die oft konfliktär sind, hat unter Ökonomen immer wieder Anlass zu Debatten gegeben und unterscheidet die Fed markant von der EZB, die einzig auf das Ziel stabiler Preisniveaus verpflichtet ist.

In der aktuellen Situation steht die Fed vor mehreren Herausforderungen. Da ist einerseits die immer hoch zu hohe Inflation. Nach der Corona-Pandemie, als die schubartig zurückkommende Nachfrage das Güterangebot überstieg, schossen die Güterpreise in die Höhe. Später folgten infolge des leer gefegten Arbeitsmarktes höhere Löhne, Wohnkosten und, als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine, Energiepreise als weitere Sprungfedern der Inflation. Im Ergebnis steht das von der Fed hauptsächlich beachtete Maß für Preisstabilität, die Kerninflationsrate der persönlichen Konsumausgaben (core PCE) immer noch bei 2,8%, also oberhalb des Zweiprozentziels. Dies ist vor allem deshalb beachtlich, weil die Fed zur Inflationsbekämpfung die Leitzinsen zwischen März 2022 und Juli 2023 massiv erhöht hatte, in insgesamt 11 Schritten von 0-0,25% auf 5,25-5,50%. Normalerweise hätte eine derart kräftige Zinserhöhung zu einer Rezession geführt und damit die Inflation beseitigt. Die Tatsache, dass genau dies nicht geschehen ist, die US-Wirtschaft sich statt einer Rezession in robuster Verfassung befindet und die Inflation eben immer noch über 2% steht, deutet darauf hin, dass sich die Struktur der US-Wirtschaft gegenüber früheren Konjunkturzyklen verändert hat.

Genau diese Unsicherheit ob der strukturellen Veränderungen lässt die Fed derzeit zögern. Zwar hat sie seit September 2024 angesichts gesunkener Inflationswerte die Zinsen in drei Schritten um bisher 100 Basispunkte, also auf zuletzt 4,25-4,50%, gesenkt. Bezüglich weiterer Schritte scheinen Fed-Chairman Jerome Powell und seine Kollegen im Federal Open Market Committee (FOMC), dem geldpolitischen Entscheidungsgremium, aber unsicher zu sein. Entsprechende öffentliche Äußerungen haben zuletzt dazu geführt, dass die Markterwartungen, abgebildet in den Fed Funds Futures-Preisen, auf nur noch zwei weitere Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf zusammengeschrumpft sind. Auch für den Zinsentscheid am 29. Januar, liegt die in diesen Preisen implizierte Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt bei weniger als 1%. Der Markt erwartet also von der Fed eine abwartende Haltung bezüglich weiterer Zinssenkungen. Das könnte gut begründet sein.

Denn an dieser Stelle kommt wieder die Politik ins Spiel, und mit ihr die zweite große Herausforderung für die Notenbank. Vom neuen Präsidenten ist nämlich bekannt, dass er wenige ökonomische Parameter so gut versteht wie den Zins. Als Immobilienunternehmer hat er gelernt, dessen Bedeutung einzuschätzen und folgerichtig, auch in seiner ersten Amtszeit, immer wieder niedrigere Zinsen gefordert. Auch ist bekannt, dass Trump den Fed-Chairman zwar Anfang 2018 ernannt, schon wenig später aber kein gutes Haar an ihm gelassen und immer wieder seine vorzeitige Absetzung angedroht hat. Trotz ihrer Unabhängigkeit droht der Fed also im Falle unliebsamer Entscheidungen ein Konflikt mit dem Weißen Haus. Eine solche unliebsame Entscheidung könnte gefordert sein, etwa wenn von Trump angekündigte Maßnahmen (Zölle, Abschiebungen, Steuersenkungen) zu steigender Inflation führen und die Fed deshalb die Zinsen weniger stark senken kann als vom Präsidenten gefordert. Schon jetzt durchschaut der Futures-Markt ganz offensichtlich diese Inkonsistenz, denn in den Fed Funds Futures sind für den weiteren Jahresverlauf mit einer Wahrscheinlichkeit von über 60% maximal zwei Zinssenkungen (um jeweils 25 Basispunkte) eingepreist. Weitere 10% Wahrscheinlichkeit deuten sogar darauf hin, dass es gar keine Zinssenkung geben könnte, und stärkere Zinsschritte nach unten, also insgesamt 75 Basispunkte oder mehr wie von Trump gewünscht, kommen nur auf eine implizite Wahrscheinlichkeit von gerade einmal 30%. Es ist nicht ganz implausibel anzunehmen, dass dies dem neuen Präsidenten zu wenig ist und es daher auf Sicht zu einem Konflikt mit der Notenbank kommen könnte.

https://youtu.be/5x89RTagTU4 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Die Amtszeit von Jerome Powell läuft noch bis Februar 2026. Vieles spricht dafür, dass Trump für eine derart kurze Restlaufzeit den offenen Konflikt nicht suchen würde. Aber der neue Präsident ist ja bekannt für, nun ja, unkonventionelle und manchmal impulsive Entscheidungen. Insofern ist der Gedanke, eine öffentliche Herabwürdigung und Entlassung des Fed-Chefs könnte Trump sogar gefallen, nicht so abwegig. Aber, gesetzt den Fall eines massiven Streits zwischen Fed und Weißem Haus, könnte der Präsident den Fed-Chair überhaupt vor Ende seiner Amtszeit absetzen? Das ist nicht so einfach. Denn vorzeitig entlassen werden kann der Chef der Notenbank nur aus wichtigem Grund (“for cause”), also etwa im Fall von Gesetzverstößen. Kaum verstellbar, dass ein erfahrener Jurist wie Powell in eine derartige Falle tappen würde, zumal er sich des Risikos bewusst zu sein scheint. Jedenfalls hat er vorsorglich zu Protokoll gegeben, dass er für den Fall einer versuchten Amtsenthebung an seinem Posten festhalten wolle. Eine Aussage, die so jemand wie Donald Trump vermutlich als Kampfansage versteht.

Die gesamte Konstellation spricht also dafür, dass die künftigen Zinsentscheidungen der Fed zu einem Balanceakt auf dem Hochseil werden könnten. Im Moment verhält sich die Inflation noch ruhig, von daher besteht kein großer Handlungsdruck. Und auch die Aussicht darauf, dass Trumps angekündigte Zölle - und damit deren inflationäre Wirkung - erst später kommen, hat sich zuletzt verbessert, beflügelt durch die Erkenntnis, dass es zu der gefürchteten millionenfachen Abschiebung ausländischer Arbeitskräfte und entsprechenden Lohnsprüngen wohl nicht kommen wird. Wenn in der Summe also das Inflationsbild sich nicht so stark und schnell eintrüben könnte wie manchmal kolportiert, bleibt die konfrontative Persönlichkeit des Präsidenten dennoch eine konstante Bedrohung für die Unabhängigkeit der Zentralbank. Und auch wenn die Futures bisher die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung in diesem Jahr mit quasi null einpreisen, ist nicht auszuschließen, dass sich dies ändert und die Fed entscheiden muss, inwieweit sie dann mögliche Störgeräusche aus dem Weißen Haus in künftige Entscheidungen einbezieht. Trump hat damit, dass derartige Debatten überhaupt geführt werden und die politische Unabhängigkeit der Fed nicht mehr als unantastbar gilt, ein Ziel bereits erreicht. Die implizite Schwächung des US-Dollar nämlich, welche im Fall aufkommender Zweifel an der Fed zu erwarten stünde, dürfte einem Präsidenten recht sein, der auch institutionelle Verlässlichkeit und die Stabilität der globalen Leitwährung letzten Endes als Teil eines Deals betrachtet. Zu hoffen bleibt, dass die Aktien- und Bondmärkte mit ihren erwartbaren Reaktionen für den Fall des Falles als Korrektiv wirken.

Was steht sonst noch in dieser Woche auf der Agenda? Bei allem Interesse an der Fed vergessen wir nicht die Zinsentscheidung der EZB am Donnerstag. Mit großer Mehrheit erwarten Ökonomen eine weitere Senkung des als Leitzins geltenden Einlagesatzes von 3,0% auf 2,75%, begleitet von einem Abschlag von ebenfalls 25 Basispunkten auf den Hauptrefinanzierungssatz (von dem ich annehme, dass er auf Sicht wieder als Hauptreferenz der Märkte fungieren wird), von 3,15% auf 2,90%. Die Woche begann heute Morgen bereits mit schwachen Zahlen aus China. Dort sind die Einkaufsmanagerindizes für Industrie und Dienstleistungen beide gesunken, jener für das verarbeitende Gewerbe sogar unter 50, also in den Kontraktionsbereich. Das ist insofern bemerkenswert, als es sich um offizielle Daten für die mehrheitlich in Staatsbetrieben gemessene Wirtschaftsleistung handelt und wir uns erinnern, dass die Verbreitung negativer Nachrichten in China derzeit besonders scharf von den Behörden beäugt wird. In Deutschland dagegen ist zum Glück die Verbreitung schlechter Nachrichten ohne Angst vor Repressalien möglich und wird ja auch lustvoll zelebriert. Der Ifo-Index heute Morgen sah zur Abwechslung mal ein bisschen besser aus. Er stieg auf sehr niedrigem Niveau leicht von 84,7 auf 85,1 Punkte. Aber leider relativiert sich selbst diese Mini-Aufhellung dadurch, dass die Verbesserung einzig von der (weniger wichtigen) Beurteilung der gegenwärtigen Lage herrührte. Die für Zuversicht, Wachstumsaussichten und Investitionen wesentlich wichtigere Erwartungskomponente, welche die Aussichten der Unternehmen für die nächsten sechs Monate abbildet, trat mit einem leichten Minus von 0,2 Indexpunkten auf kläglichem Niveau (84.2) weiter auf der Stelle. Spannend wird es dann noch einmal zum Wochenausklang, wenn die PCE-Kerninflation in den USA zur Veröffentlichung ansteht. Wie oben geschrieben, war der zuletzt veröffentlichte Wert (November) mit 2,8% wohl noch zu hoch für eine Zinssenkung. Nur eine geringere Zahl dürfte die für das nächste Fed-Meeting (19. März) eingepreiste Wahrscheinlichkeit weiter unveränderter Leitzinsen (derzeit rund 65%) sinken lassen. Dem Präsidenten würde es gefallen.

0 commentaire

Vous voulez être le·la premier·ère à écrire un commentaire ?
Devenez membre de Macro Monkey et lancez la conversation.
Adhérer