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Monkey Monday #3

Das Ende der Welt
(wie wir sie kannten)

Foto: Bruno Guerrero

Der heutige 20. Januar 2025 dürfte eine Zäsur bedeuten. Mit der Amtseinführung von Donald Trump als 47. Präsident der USA wird sich die Welt verändern, weit über die Vereinigten Staaten selbst hinaus. Und erheblich über das, was Ökonomen und Marktteilnehmer bisher als die vermuteten wirtschaftlichen Folgen von Trumps zweiter Amtszeit diskutiert haben, nämlich Steuersenkungen, Zölle und Abschiebung von Migranten. Ja, so der Konsens bisher, das alles wird disruptiv und inflationär sein, aber am Ende vielleicht sogar positiv für Risikoassets. Ich bin da nicht so sicher. Zumindest kommt es wohl sehr auf die zeitliche Perspektive an.

1987 veröffentlichte die US-Rockband R.E.M. das Stück “It’s the end of the world as we know it (and I feel fine)”. Den älteren Lesern wird es jetzt ergehen wie mir beim Recherchieren für diese Kolumne: ich habe den Ohrwurm erst mal nicht aus dem Kopf bekommen. Darin heißt es:

“Team by team, reporters baffled, trumped, tethered, cropped
Look at that low plane, fine, then
Uh oh, overflow, population, common group
But it'll do, save yourself, serve yourself
World serves its own needs, listen to your heart bleed
Tell me with the Rapture and the reverent in the right, right
You vitriolic, patriotic, slam fight, bright light
Feeling pretty psyched.”

Passt irgendwie. Das atemlose Stakkato der Lyrik vermittelt ein Endzeitgefühl, das angemessen erscheint, wenn man sich vor Augen führt, was am heutigen 20. Januar beginnen könnte: nicht weniger als der Abbau der regelbasierten globalen Ordnung. Der Welt, wie wir sie kannten eben. Noch heute Nachmittag könnte Trump seine Ankündigung wahr machen und die ersten Dekrete zur Verfolgung und Ausweisung illegaler Einwanderer unterzeichnen, dazu den erneuten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkünden, den Ausbau der Windenergie sowie die Förderung von Elektroautos stoppen. Er könnte stattdessen neue Ölbohrlizenzen erteilen (“Drill, baby, drill”), Transgenderpersonen de facto für vogelfrei erklären, dagegen Begnadigungen aussprechen für Gewalttäter, die vor gut vier Jahren das Kapitol stürmten. Von insgesamt 200 Executive Orders ist die Rede, die ihm sein Chief of Staff Susie Wiles für unmittelbar nach Amtseinführung auf den Tisch stapeln wird.

https://youtu.be/mvOIY18Na6Y (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Und liest sich diese Liste bereits wie ein Horrorszenario, dann könnte es in den Wochen danach richtig haarig werden. Dann nämlich, wenn der Präsident wie angedroht Staatsorgane wie die Bundespolizei und die designierte Justizministerin Pam Bondi einsetzt, um seine politischen Gegner zu verfolgen, wenn er seine nahezu uneingeschränkte Macht gebraucht, um Vergeltung für vergangene Niederlagen zu nehmen. Dabei gibt es dann kaum Grenzen. Denn die berühmten Checks and Balances, auf die viele Amerikaner zu Recht stolz waren, liegen waidwund darnieder. Die republikanische Partei, die sich im Gegensatz zur ersten Präsidentschaft Trump inzwischen völlig unterworfen hat, beherrscht auch beide Kammern des Kongresses. Und der mächtige Supreme Court ist mit 6:3 Richterstimmen fest in Trumps Hand und hat ihm erst vor einem halben Jahr Immunität zugesichert, mal abgesehen davon, dass vier Gerichtsverfahren, in denen Trump fast sicher Verurteilungen zu erwarten hatte, sich wie von Zauberhand in Luft aufgelöst zu haben scheinen. Schon einen Menschen mit gefestigter Persönlichkeit würde diese Machtfülle und scheinbare Unangreifbarkeit in Gefahr bringen, die Bodenhaftung zu verlieren. Jemand mit so ausgeprägt narzisstischen Zügen wie Trump könnte sich nun völlig enthemmt fühlen.

Auch auf mächtige Wirtschaftsvertreter und ausländische Staats- und Regierungschefs brauchen wir keine Hoffnung zu setzen. Einer nach dem anderen sind sie in den vergangenen Monaten nach Florida gepilgert, um dem Sonnenkönig von Mar a Lago den Ring zu küssen. Früher kritische Milliardäre gehen auf MAGA-Kuschelkurs, ob nun Jeff Bezos, der seine Washington Post keine Trump-kritischen Artikel drucken ließ, Mark Zuckerberg, der in seinem Meta-Universum die Verbreitung von Fake News nicht mehr unterbinden will, und sogar Bill Gates, der sich nach einem Essen mit Trump von diesem “beeindruckt” zeigte. Ganz zu schweigen von Elon Musk, der im Trump’schen Auftrag sogar schon damit beginnt, europäische Demokratien wie Großbritannien und Deutschland sturmreif zu schießen und sich dort in politische Kampagnen einzumischen.

Noch gefährlicher wirkt Trumps “transaktionale Fixierung”, mit anderen Worten sein Selbstverständnis als Dealmaker, in der Außen- und Sicherheitspolitik. Während ihn internationale Regeln und Ankommen eher weniger interessieren, denkt Trump in Interessensphären und schreckt vor plumpen Drohungen nicht zurück. Ländern, die seine Forderungen nicht erfüllen, etwa Mexiko bezüglich des Drogenhandels, kündigt er massive Zölle an. Geradezu imperialen Appetit auf fremde Länder bzw. deren Infrastruktur (Grönland, Panama) droht er notfalls mit militärischer Gewalt zu stillen. Zwar ist es möglich, dass diese Rhetorik vor allem als Nebelkerze dient, also dazu, vom wirklichen Fokus China abzulenken, dennoch dürften Autokraten in aller Welt sich die Hände reiben. Denn wie soll der Westen weiter halbwegs glaubwürdig behaupten, wertebasiert zu handeln, wenn die bisherige Ankermacht ebendieses Westens genau dies nunmehr verweigert? Wenn Trump davon fantasiert, Kanada demnächst als 51. Bundesstaat der USA zu begrüßen oder Grönland zur Not militärisch anzugliedern, klingt das nur wenig anders als Putins Griff nach Dombass und Krim 2014 und der ganzen Ukraine 2022. Es rechtfertigt Völkerrechtsbruch und riskiert Krieg. Nicht eben beruhigend wirkt es daher, wenn einer von Trumps Vordenkern, der zwischenzeitlich in Ungnade gefallene und jetzt wieder hoffähige Rechtsextreme Steve Bannon, fabuliert, die USA hätten ‘kein strategisches Interesse an der eurasischen Landmasse’. Deutlicher kann uns in Europa nicht vor Augen geführt werden, dass Team MAGA jederzeit bereit wäre, uns Putin für einen guten Deal ans Messer zu liefern.

Klingt nicht gut? Ist es auch nicht, glaube ich. Und ich bleibe dabei: In diesem Fall haben politische Börsen keineswegs kurze Beine. Ja, die Anleihemärkte haben sich dank unspektakulärer Inflationszahlen zunächst wieder halbwegs beruhigt, und die Gewinnerwartungen der Unternehmen lassen weiter auf ein gutes Aktienjahr hoffen. Ich gebe auch denjenigen Recht, die von Trump keine Schnellschüsse bei den gefürchteten Zöllen erwarten, insofern vorerst diesbezüglich Entwarnung. Kann also gut sein, dass die ersten Wochen der 47. Präsidentschaft aus Risikoperspektive ganz erfreulich verlaufen. Spätestens Mitte 2025 dürfte sich aber offenbart haben, wie schädlich Trumps Dealmaker-Denke auch aus wirtschaftlicher Pespektive ist. Und zwar für keine Region so sehr wie für uns in Europa. Denn unser Kontinent könnte sich dann nicht nur ohne US-Militärschutz wiederfinden, sondern bezüglich seiner Geschäftsbeziehungen zusätzlich gezwungen zu einer Entscheidung zwischen den USA und China.

Was also könnte Trump noch davon abhalten, die große Nation USA in eine Autokratie zu verwandeln, die nach dem Recht des Stärkeren funktioniert bzw., wie der bisherige Präsident Joe Biden es formulierte, in eine Oligarchie? Eine gewisse Hoffnung liegt in der Unvereinbarkeit der handelnden Charaktere. Ob etwa die Bromance zwischen Trump und Musk, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch spinnefeind waren, lange anhält, ist fraglich. Genauso fraglich ist es, wie der Wettbewerb der wichtigsten Berater um Trumps Ohr ausgeht. Bekannt ist etwa, dass Elon Musk und der oben genannte Steve Bannon einander nicht leiden können und versuchen könnten, den jeweils anderen beim Chef schlecht zu machen. Drittens schließlich dürfte der Personaldurchlauf auch in dieser zweiten Amtszeit Trumps hoch sein. Zwischen 2017 und 2020, also in den ersten drei Jahren seiner ersten Präsidentschaft, musste Trump sage und schreibe zehn Minister ersetzen, nebst einer Heerschar an nicht mehr genehmen Beratern und anderen Offiziellen. Effizient regieren lässt es sich in einem derartigen Irrenhaus kaum. All diese auf der persönlichen Ebene liegenden Unebenheiten, die auch von der zweiten Trump-Administration zu erwarten sind, sprechen dafür, dass sich Trump und sein MAGA-Camp mit so mancher geplanten Maßnahme verheddern. Mit anderen Worten: Eine große Hoffnung liegt auf der vermuteten Unfähigkeit dieser Regierung, die sie, wenn es gut läuft, von einer Menge Unsinn abhalten könnte.

Die zweite Hoffnung richtet sich auf Trumps Eitelkeit und betrifft die Außenpolitik. Wird er etwa in Kauf nehmen, durch eine überhastete Einstellung der Ukraine-Hilfen ein Debakel wie beim Afghanistan-Abzug zu erleben? Vor der Weltöffentlichkeit würde er dann wie ein Versager dastehen. Ebenso dürfte er vermeiden wollen, von einem gerissenen Schurken wie Putin über den Tisch gezogen zu werden. Insofern ist möglicherweise, trotz seiner großspurigen Rhetorik als Dealmaker und der Feindseligkeit gegenüber Europa, noch nicht aller Tage Abend.

Die Hoffnungen ruhen also auf der erwarteten Unfähigkeit der MAGA-Administration zu konsistentem Regieren sowie Trumps Narzissmus. Nicht viel, zugegeben. Die Finanzmärkte jedenfalls dürften sich weiter in vorsichtigem Optimismus üben. Deregulierung (lies: mehr Öl und Fracking) und Bürokratieabbau (also die Entlassung tausender Staatsangestellter) kommt ebenso gut an wie das Versprechen von Steuersenkungen und America First-Protektionismus. Auch wenn an den Aktienmärkten die Gewinnerwartungen ambitioniert aussehen, dürften die großen Leitindizes in der kurzen Frist stabil bleiben. Das Ende der Welt, wie wir sie kannten, ist aufgeschoben, und das ist aus Sicht der Märkte noch immer ein Grund gewesen, das Glas eher halb voll zu sehen. Wie heißt es in der letzten Refrainzeile des R.E.M.-Klassikers so schön: and I feel fine.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer dem Blick auf die Makrodaten dieser Woche. Neben dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos liegt der Fokus in dieser Woche auf der Bank of Japan. Dort sieht der Konsensus die Kerninflation (Preisrate ohne frische Lebensmittel) von 2,7% auf 3,0% ansteigen und die Zentralbank bereit, den Leitzins weiter anzuheben, von 0,25% auf 0,5%. Wenn dies so kommt, dürfte der Yen gegenüber Dollar und Euro aufwerten. Ebenfalls am Freitag stehen die Einkaufsmanagerindizes für Europa und die USA an. Während sich in Europa (und sogar in Deutschland) wenigstens die Aktivität in den Dienstleistungsbereichen oberhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten halten sollte, setzt sich die Schwäche in der Industrie fort. Kein Vergleich jedenfalls mit den Indizes aus den USA, die mit Werten von über 55 wesentlich deutlicher im Expansionsbereich stehen. Die robuste Verfassung der US-Wirtschaft dürfte sich am Freitag dann auch auf der Verbraucherseite zeigen, wenn wie erwartet das von der Universität Michigan gemessene Verbrauchervertrauen sich bei relativ robusten 73,2 Punkten bestätigen sollte.

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