Passer au contenu principal

Die Wahlanalyse Teil 2: Die Union - oder: Hüte dich vor den Ideen des Merz

Die Union hat das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte abgeliefert und hat eigentlich nur von der Schwäche der Ampelparteien profitiert - in Wahrheit hat sie ebenso massiv an die AfD verloren, gegen die sie kein Patentrezept hat

Friedrich Merz im Wahlkampf letztes Jahr, Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/>, via Wikimedia Commons

CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz trat nach einer ausgelassenen Wahlparty mit “Rambozambo” am Montag vor die Presse und erklärte stolz, die Union habe “ein außergewöhnlich gutes Wahlergebnis erzielt”. Er verwies dabei auf die Tatsache, dass sie die stärkste Partei im Bundestag sei und dass sie sehr wahrscheinlich die nächste Regierung und den Kanzler stellen werde.

Das mag zwar so sein, wer sich die Wahlergebnisse jedoch im Detail ansieht, muss erkennen, dass das Wahlergebnis für die CDU/CSU viel schlechter ist als es aussieht, ja, dass das Wahlergebnis eher eine kleine Wahlniederlage darstellt.

Das fängt allein schon dort an, dass das Ergebnis der CDU/CSU das zweitschlechteste Wahlergebnis seiner gesamten bundesdeutschen Geschichte ist, das schlechteste Ergebnis erreichte sie 2021. Ebenso hat sich die CDU/CSU kaum gegenüber seinem schlechtesten Ergebnis aus der letzten Wahl verbessert und bloß kümmerliche 4% hinzugewonnen. Das ist ganz besonders übel angesichts der Tatsache, dass die CDU/CSU bis vor wenigen Wochen noch bei 31% und mehr stand, ein Wert, von dem sie nun weit entfernt ist. Dass sie nun die nominell stärkste Partei ist, liegt also nicht daran, dass die CDU/CSU so erfolgreich gewesen wäre, sondern dass die Kanzlerpartei SPD massiv in der Gunst der Wähler:innen abgeschmiert ist, ebenso die anderen Ampelparteien FDP und Grünen. Die CDU/CSU profitiert also bloß von der enormen Schwäche der anderen. Die stärksten Zuwächse der CDU/CSU fanden nämlich ausgerechnet in denjenigen ländlichen Wahlkreisen statt, die zuvor von der SPD dominiert wurden oder in denen die Grünen eine starke Präsenz hatten (in Baden-Württemberg vor allem). In den Regionen mit starker AfD-Präsenz wie im Osten Deutschlands legte die CDU/CSU hingegen kaum zu oder verlor sogar Stimmen an die AfD.

Der wahre Wahlgewinner ist also die AfD, dagegen führt die CDU/CSU also nur ein Rückzugsgefecht.

Ein weiteres Problem ist der Kanzlerkandidat Friedrich Merz selbst. Merz ist wenig beliebt, gilt als unsympathisch und wenig vertrauenswürdig, man traut ihm im positiven Sinne lediglich Durchsetzungsstärke zu. Gerade sein Handeln in der Bundestagsdebatte rund um die Verschärfungen in der Migrationspolitik, insbesondere die bewusste Inkaufnahme einer Mehrheit zusammen mit der rechtsextremen AfD, hat Merz geschadet. Er hatte nämlich zuvor genau das ausgeschlossen und mit dem Bruch nun auch einige potentielle Wähler:innen verschreckt, zur AfD getrieben oder gegen Merz Brandmauerbruch radikalisiert.

Merz wird auch hier nur deswegen Kanzler werden, weil die Personalien der anderen Parteien noch unbeliebter sind als Merz, auch hier zeigt sich, dass die CDU/CSU bloß von der Schwäche der anderen Parteien profitierte. Wenn es nur die Wahl zwischen Merz und Habeck gegeben hätte, wäre es ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen, doch Habecks Grüne waren trotz Kanzlerschaft außer Konkurrenz. Für eine Partei, die als „Kanzlerwahlverein“ bekannt ist, weil sie die Parteiführung danach ausrichtet, ob sie das Zeug zur Kanzlerschaft hat, ist solch ein Ergebnis eine mittlere Katastrophe. Merz‘ ramponierte Sympathiewerte werden in der angedachten Regierungszeit daher sicherlich eher schlechter werden und damit den langfristigen Beliebtheitswerten seiner Partei kaum nützen. Da Merz bisher noch kein Regierungsamt jeglicher Art hatte, wird ihm dies nicht leichter gemacht.

Nun lohnt sich der Blick auf die Themen, auf die die CDU/CSU gesetzt hat. Die CDU/CSU setzte auf einen harten Kurs gegen Migration, teilweise mit schrillen, populistischen und rassistischen Tönen, insbesondere durch Friedrich Merz selbst, der dafür sogar bereit war, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Dies zahlte zwar durchaus aufs Konto der CDU/CSU ein, die AfD profitierte vom Thema jedoch viel viel stärker als die CDU/CSU. Gleichzeitig spricht sich nur etwa die Hälfte der Bevölkerung für den neuen Unionskurs aus, insbesondere Neuwähler:innen der CDU/CSU, darunter doppelt so viele Männer als Frauen. Bei der Frage, wer die größte Kompetenz bei Themen rund um Migration habe, nämlich bei Zuwanderung, Kriminalitätsbekämpfung und innerer Sicherheit, hat die Union nur wenig dazugewonnen, die AfD aber extrem stark. Die AfD hat den Unionsvorsprung in diesen Fragen also deutlich verringert. Genauso ist es bei Themen wie Verteidigungs- und Außenpolitik, wo die konsequente Haltung gegen Putin offenbar kaum im Wahlkampf geholfen hat.

Umgekehrt jedoch erhält Merz sehr große Zustimmung für seine Versprechungen, härter gegen Bürgergeldempfänger:innen vorzugehen, etwas, was vor allem der SPD geschadet hat, auf dessen Kosten die Union besonders dazugewonnen hat. Dies war also ein Gewinnerthema, obwohl diese Politik wohl vor den Gerichten landen dürfte und dem Land gelinde gesagt wenig nützen dürfte.

Auch das Thema Wirtschaft hat der Union genützt, der AfD aber im genauso starken Maße.

Wie sehen nun die demografischen Daten der Union aus? Wer hat sie gewählt?

Die Union ist anders als die AfD beispielsweise weiterhin eine Partei der Rentner:innen, hat durch den rechten Kurs von Merz aber in den mittleren Altersgruppen an Beliebtheit gewonnen, insbesondere bei Männern und auf dem Land. Zum Teil scheint sich auch die etwas modernere Ansprache der Partei ausgezahlt zu haben, da auch die jüngeren und jüngsten Wähler:innen etwas stärker für die Partei begeistern konnte, aber weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Wenn man sich die jüngeren Altersgruppen hier jedoch mit den Werten der AfD vergleicht, ist die Union hier hoffnungslos verloren und überhaupt nicht anschlussfähig. Die CDU/CSU lebt hier also nach wie vor von der Substanz, wenn auch nicht ganz so schlimm wie bei der SPD. Wenn die Unionsparteien also nicht schleunigst beginnen, auch die jüngeren und jüngsten Altersgruppen anzusprechen, wird die AfD gerade auf dem Land die Union zum größten Teil verdrängen. In Ostdeutschland ist dies bereits längst geschehen.

Wenn man sich die Tätigkeitsgruppen der Unionswähler:innen ansieht, fällt hier ebenso einiges auf.

Die Union zieht offenbar eher gebildete und relativ gut situierte Menschen aus der konservativen Mittelschicht an. Insbesondere Selbstständige, Angestellte und Rentner:innen wählen die Union, bei Selbstständigen und Angestellten gewann sie besonders stark hinzu, was vor allem der Verdienst des schwachen Abschneidens der FDP ist. Auch hier also profitierte die Union bloß von der Schwäche der Konkurrenz.

Der Wahlkampf auf Kosten der Schwachen und für die Interessen von Arbeitgeber:innen hat ihr hier also wahrscheinlich genützt.

Bei Arbeiter:innen und Arbeitslosen hingegen gewann die Union kaum hinzu, die Themen der Union haben hier also eher nicht bei der Partei eingezahlt. In diesen Schichten hat die AfD ihr stärkstes Klientel und stark dort hinzugewonnen, dagegen konnte die CDU/CSU also kaum ankommen.

Gerade die Wählerwanderung macht dies nochmals deutlich. Die Union konnte bei allen Parteien Stimmen hinzugewinnen außer bei der AfD, an diese verlor sie sogar eine Million Stimmen und zwar in allen Schichten, Regionen und Gruppen. Das Ziel von Merz, mit dem neuen Kurs vor allem die AfD kleinzuhalten, ist damit phänomenal gescheitert. Maximal hat er es vielleicht geschafft, die Abwanderung der Unionswähler:innen an die AfD abzubremsen. Umgekehrt hat er dafür viele linke Wähler:innen gegen sich und die Union aufgebracht, wie man am Ergebnis der Linkspartei erkennen kann.

Insgesamt zeigt sich also, dass die CDU/CSU mit dem neuen Kurs nicht die typischen AfD-Wählerschichten gewinnen konnte, sondern nur ehemalige Wähler:innen der Ampelparteien, insbesondere der FDP und der SPD. Und dies war nur der Fall, weil diese wegen ihrer extrem unbeliebten Regierungsführung stark abgestraft wurden. So gesehen war die Union nur Sammelbecken für unzufriedene bürgerliche Wähler:innen.

Gegen die rechtsextreme Radikalisierung der Gesellschaft durch die AfD hingegen hat Merz keinerlei Mittel anbieten können. Womöglich hat die ständige Fokussierung der Union auf das Thema Migration sogar eher dem „rechten Original“ der AfD geholfen, das vor allem in den früheren Hochburgen der Union wildert und die Union damit verdrängt.

Wenn die Altherrenpartei der Union es also nicht schafft, die jüngeren Wähler:innen für sich zu gewinnen und in ein weniger gebildetes und weniger auskömmliches Wahlklientel auf Kosten der AfD Einzug zu halten, droht ihr spätestens bei der nächsten Wahl ein politisches Massaker. Und uns ein weiterer rechtsextremer Durchmarsch.

Sujet USA&Europa

0 commentaire

Vous voulez être le·la premier·ère à écrire un commentaire ?
Devenez membre de lupen_rein et lancez la conversation.
Adhérer