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Das Viele

Morgen bin ich im Gestern und heute im Übermorgen, also so lange nichts dazwischen kommt, das ungefähr denke ich, als ich mit dir hier im Garten sitzend selbstgemachte Limo trinke und auf den Baum schaue, der mir gegenüber erste Früchte trägt. Alles im Moment ganz schön viel, und du nickst. Die Früchte des Baumes mir gegenüber sind klein und gesprenkelt mit braunen, faulen Stellen, an denen Tiere sitzen und ich bemerke, dass ich keine Empathie für die faulen Früchte aufbringen kann, die so lange brauchten, um zu wachsen. Aber es ist schön viel, sage ich. Meistens jedenfalls, schön viel, und wenn ich ganz ehrlich bin, dann fürchte ich die Leere ohnehin viel zu sehr, als dass ich das Viele vermeiden wollen würde und daher möchte ich es bewahren, das Viele, aber ich fürchte auch, dass ich hin und wieder absichtlich vergessen habe, über etwas zu schlafen oder etwas sacken zu lassen und ich bin mir nicht sicher, ob ich das nachholen kann, und vielleicht erklärt das, wieso ich manchmal das Gefühl bekomme, dass auch das ganze Viele irgendwie zu viel ist und dann dazu führen könnte, keine Empathie mehr aufbringen zu können, zum Beispiel für Früchte, die so lange gebraucht haben, um zu wachsen, und jetzt vor meinen Augen zerfressen werden. Wer weiß, was sich da alles angesammelt hat, über die Jahre, in denen man immer wieder zu sich selbst gesagt hat, dass man dies oder jenes erstmal verdauen muss, um dann, am Tag danach von noch mehr Viel überhäuft zu werden, dass es zu verdauen gilt. Glaubst du, dass Menschen, die sterben wirklich ihr Leben nochmal ganz betrachten können oder ist diese letzte Möglichkeit schon allein davon überschattet, dass man in Gedanken schon wieder bei dem Viel oder nicht viel ist, was danach kommt? Also, wer weiß schon, was sich da bislang alles angesammelt hat, und was davon noch übrig ist, vielleicht ist es von alleine gegangen, und vielleicht ist auch alles noch da. Das würde auch erklären, wieso ich es manchmal mit der Angst bekomme, ob vielleicht alles viel zu viel ist, das schöne Viele und das schlechte Viele, das ja auch ständig noch passiert, und dann wieder passiert, ehe ich dazu komme, es mir anzusehen und es kurz anzuhalten, nur für einen Moment, und so fühle ich mich manchmal wie ein Sammelbecken, mit der immer lauernden Sorge, einfach überzulaufen, ohne zu wissen, wohin. Aber das Sammelbecken scheint immer mit mir mitzuwachsen, immer noch einen Millimeter breiter und noch einen, ob aus Not oder aus Können, ich weiß es nicht. Mein Blick bleibt bei den vielen kleinen Käfern hängen, die sich dankbar an den Früchten zu schaffen machen und ich frage mich ob, ob dieser Blick nicht auch ausreicht. Manches Mal, als alles wieder viel zu viel war, habe ich schon Schreien wollen, habe zynisch gelacht und mich gefragt, wie ein einzelner Organismus denn so viel Gleichzeitigkeit ertragen soll. Manchmal stelle ich mir all das vor wie einen Raum, in dem Musik läuft, die so schön ist, dass ich Gänsehaut habe. Und dann strömt Licht rein, immer heller, bis es blendet, und wenn ich kurz die Augen zu machen will, ebbt es ab, es tröpfelt, zieht da ein Gewitter auf?, ich mache die Musik aus, jemand berührt mich, es sind mehrere Hände, plötzlich sind da alle, die, die mich lieben, die die mich hassen, jeder will etwas von mir, kurz denke ich, jemanden zu vermissen, ich kann nicht mehr unterscheiden, ob diese Leute in guter oder in schlechter Absicht da sind, also lasse ich mich fallen, in diese Hände hinein, lande nicht, krache zu Boden, eine Sicherung knallt aus dem Stromkasten und ich will nur noch Ruhe, Ruhe, Ruhe, und da, als es endlich ruhig um mich wird, atme ich tief aus und nur eine Sekunde später sehne ich mich nach nichts mehr, als nach der Lebendigkeit vom Moment davor. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass seit ich mit dir hier im Garten sitze und diese von Löchern zerfressenen Früchte betrachte, eine Last von meinem Körper gefallen ist. Ich weiß nur nicht mehr so recht, welche es eigentlich war, es könnte einfach das Gestern sein, aber es könnte auch dieser eine Moment sein, damals als ich 14 war und der Junge aus der Parallelklasse sich über meine Brüste lustig gemacht hat. Manchmal weiß man es einfach nicht genau, ich glaube aber, es ist auch egal. Glaubst du, es gibt einen Körper, der frei von jeglichem Gewicht ist oder verändert sich die Schwere eines Körpers auf ganz natürliche Weise mit den Jahren? Ich habe mich an Gewicht gewöhnt, manchmal fühlt es sich sehr stark nach mir an, zu stark, um es ablehnen zu können, es ist sogar irgendwie schön, oft, nur manchmal ist es halt einfach zu viel.

 

 

 

Sujet #What I hated this week

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