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Ey, Marco! Wo ist das Problem?

Hi, hier schreibt Laura! Heute mit einem wilden Ritt von Speziesismus über Marco Buschmann und das Sexualstrafrecht bis hin zu fehlenden Vaginen und Dysphorie beim Stillen. (Nimm das, Spam-Filter!)

First things first: Ich möchte mich bei euch für eure konstruktiven und wohlwollenden Rückmeldungen zu unserer Episode über Speziesismus (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) bedanken. Katrin und ich haben darin die Frage bewegt, ob die Rechte von Tieren im intersektionalen Feminismus mitgedacht werden sollten und der Speziesismus damit quasi in den “Club der Ismen” mit aufgenommen gehört. Evelyn Hamann würde vielleicht sagen: “Da regt mich ja die Frage schon auf!” – und Recht hätte sie. Denn die Idee, dass sich Feminist*innen auch für nicht-menschliche Weibchen bzw. für alle Lebewesen einsetzen sollten, ist kein bisschen neu.

Eine Reihe von Ferkeln trinken an den Sitzen einer Sau.

Weitgehend bekannt oder verbreitet ist sie deswegen noch lange nicht. Und auch wir beim Lila Podcast hatten, was das angeht, eine echte Leerstelle. Dieser Leerstelle haben wir uns gestellt und den ersten Schritt auf einer Reise getan, die noch lange nicht zu Ende ist. Für alle, die die Folge noch nicht gehört haben, unser Ergebnis lautet: Ja, der Anti-Speziesismus ist im intersektionalen Feminismus gut aufgehoben.

Und nu?

Ihr habt uns Nachrichten mit Empfehlungen geschickt und die möchte ich auf diesem Weg gleich mal weitergeben – für alle, die nun auch Lust bekommen haben, sich tiefer einzuarbeiten.

  • Sammelband “Queere Tiere”, herausgegeben von India Kandel

  • Melanie Joy über das Konzept “Karnismus”, z.B. in dem Buch “Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen”

  • “Zoopolis” von Sue Donaldson – das Werk ist umfangreich, über 600 Seiten. Einen leichteren Einstieg bietet z.B. dieser Text bei der Bundeszentrale für politische Bildung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

  • “Tiere wollen leben” von Hilal Sezgin sowie ihr Podcast “Lektüre mit Tieren”.

Noch jemand hat Post bekommen, nämlich FDP-Justizminister Marco Buschmann. Ich habe in diesem Newsletter schon einmal über dessen Blockadehaltung gegenüber einer EU-Richtlinie gegen Gewalt an Frauen geschrieben und möchte das Thema heute noch einmal aufgreifen. Mehr als 100 Frauen fordern Buschmann und die Bundesregierung in einem offenen Brief (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) auf, der Richtlinie nicht weiter im Weg zu stehen. Initiatorin des Briefes ist Kristina Lunz vom Center for Feminist Foreign Policy. Erstunterzeichnerinnen sind Luisa Neubauer und Düzen Tekkal. Auch die Anwältinnen Asha Hedayati und Christina Clemm zeichnen den Brief mit. Darin heißt es, der Entwurf für die neue EU-Richtlinie sei “fast revolutionär”.

Worum geht’s nochmal?

Der Entwurf sieht vor, dass Frauen in allen EU-Staaten einheitlich vor sexualisierter Gewalt geschützt werden sollen. Während es in Deutschland derzeit noch heißt “Nein heißt Nein”, reicht in 14 EU-Staaten ein “Nein” allein nicht aus, damit eine Vergewaltigung auch als solche anerkannt wird – darunter Frankreich, Italien und Österreich. Laut geplanter Richtlinie soll es künftig in der ganzen EU heißen: Ja heißt Ja. Damit wäre das Prinzip Konsens also in ein verbindliches Gesetz gegossen.

Doch damit nicht genug: Mit der neuen Richtlinie würden auch sieben weitere Formen der Gewalt gegen Frauen strafrechtlich vereinheitlicht. Darunter Genitalverstümmelung, Zwangsheirat oder auch das unerwünschte Erhalten von sexuell explizitem Material (besser bekannt als Dick-Pics).

Wo ist das Problem?

Marco Buschmann aber hat formaljuristische Bedenken. Sinngemäß: Die EU habe gar nicht die Kompetenz für die geplante Vereinheitlichung. Der Deutsche Juristinnenbund hat diese Bedenken bereits entkräftet. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Eine “europaweite Harmonisierung des Vergewaltigungsstraftatbestands gemäß Art. 83 Abs. 1 AEUV” sei möglich.

Die gesamte EU-Richtlinie mit all ihren Verbesserungen droht damit nun zu scheitern. Das ist insbesondere vor der anstehenden Europawahl im Juni besorgniserregend. Europaweit steigt der Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) “Viele dieser Parteien verfolgen explizit anti-feministische Politik”, heißt es auch in dem offenen Brief an Marco Buschmann. (To be fair: Auch Ungarn und Frankreich blockieren die geplante EU-Richtlinie. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Kristina Lunz war bereits zweimal im Lila Podcast zu Gast. Einmal 2018 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und ein weiteres Mal 2022 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Von ihr haben wir unter anderem gelernt, dass ein Staat umso gewaltbereiter auftritt, je patriarchaler und misogyner er aufgestellt ist. Auch Asha Hedayati war bereits zweimal im Podcast zu hören. Beide Male im Oktober 2023. Wir sprachen unter anderem über staatliche Gewalt gegenüber Frauen und die Rolle der FDP (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und über Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Meanwhile on the internet …

Vor zwei Wochen schrieb ich in diesem Newsletter hoffnungsvoll über den Begriff Corona Vaginalis für den Schleimhautkranz, der auch heute noch fälschlicherweise als “Jungfernhäutchen” bezeichnet wird. Auch über die Anatomie der Klitoris schrieb ich und freute mich darüber, dass diese in vielen Schulbüchern mittlerweile korrekt dargestellt wird. (Das ist zwar Pi Mmel Daumen so ungefähr 500 Jahre nachdem das Organ erstmals in seiner Vollständigkeit schriftlich erwähnt wurde (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), aber hey!)

In der Zwischenzeit wurde ich unsanft von der Realität eingeholt und wieder einmal daran erinnert, dass vielen Menschen noch nicht einmal der Unterschied zwischen Vulva und Vagina bekannt ist, oder wo bei cis Frauen der Ausgang der Harnröhre liegt. Das zeigen die Kommentare unter einem Video, das funk kürzlich bei Instagram gepostet hat. Es geht darin um eine Doku von 2021 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) über eine Frau, die ohne Vagina und Gebärmutter geboren wurde. Und viele der User*innen fragen sich (und andere) ernsthaft: “Hää? Wie kann man denn da pinkeln?” oder “Wie kann das sein, dass das beim Wickeln nie aufgefallen ist?” Well …

Janina hat das MRKH-Syndrom. In der Doku heißt es, eine von 4.000 bis 5.000 Frauen komme damit zur Welt. Ich habe davon noch nie gehört und freu mich, wieder etwas dazugelernt zu haben. Und vor allem zeigt die Geschichte von Janina wieder einmal, dass Geschlecht und Geschlechtsidentität sich nicht an den Genitalien entscheidet. (Auch wenn einige in den Kommentaren ganz offensichtlich mit dieser Tatsache nicht klarkommen.)

Und noch einen Begriff habe ich neu gelernt: D-MER. Und zwar im BBC-Podcast Woman’s Hour (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Denjenigen unter euch, die sich im Englischen wohl fühlen, kann ich diesen Podcast sehr empfehlen. Ich höre ihn gern, um meine Perspektive über den deutschsprachigen Raum hinweg zu erweitern. Auf Deutsch wird das Phänomen als Dysphorischer Milchspendereflex bezeichnet (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Gemeint sind damit Gefühle von Angst, Unruhe, Wut oder Depression, die viele Frauen beim Stillen empfinden, bzw. in dem Moment, wo der Milchspendereflex einsetzt – was ja auch mal unterwegs sein kann, während das Baby zu Hause ist beispielsweise. Wieder so ein toller Moment, in dem eine diffuse Sache einen Namen bekommt und man merkt: Ich bilde mir das weder ein, noch bin ich damit alleine.

In diesem Sinne: Bis neulich!

Laura

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Foto: Unsplash.com (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) // Kameron Kincade

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