She who must not be named
Heute nehmen wir endgültig Abschied. 🕯️ Von einer Person, die uns einmal viel bedeutet hat. Die eine Heldin war, für so viele von uns. Diese Person ist nicht mehr. Zurück blieb … kein Schweigen, leider. Sondern eine Timeline voller Tiraden.
Die Rede ist natürlich von You-Know-Who, von ihr, deren Name nicht genannt werden darf. Seit Jahren steht sie wegen ihrer Transfeindlichkeit in der Kritik – und ist daher für viele von uns eh längst gestorben. Warum sie plötzlich wieder ein Thema ist? Aus zwei Gründen.
Grund Nr. 1
Harry Potter wird neu verfilmt – und zwar als Serie von HBO. Tumult kam auf, weil vor einigen Tagen die ersten Mitglieder des Casts bekanntgegeben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)wurden – und weil die zumindest vom Erscheinungsbild her äußert blasse Figur des Severus Snape von dem Schwarzen Schauspieler Paapa Essiedu verkörpert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) werden wird. Ziemlich stabile Entscheidung, wie ich finde. Die Serie möchte ich aber trotzdem nicht sehen, und das, obwohl mir die Bücher seit meiner Kindheit viel bedeuten. Das hat mit Grund Nummer zwei zu tun.
Grund Nr. 2
In UK werden die Rechte von trans Menschen beschnitten – und You-Know-Who gefällt das (mal wieder). Das Oberste Gericht in Großbritannien, der Supreme Court, hat entschieden: (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Das britische Gleichstellungsgesetz (2010 Equalities Act) gilt nicht für trans Frauen, sondern nur für sogenannte “biologische Frauen”, wie es in zahlreichen Media Outlets heißt, selbst bei den progressiven (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

“Biologisches Geschlecht”: Warum der Begriff problematisch ist
Das Problem an der Berichterstattung ist: Hier wird transfeindlicher Sprachgebrauch reproduziert. Viele Menschen haben mittlerweile von dem Konzept “sex vs. gender” gehört, also von der Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht.
Insbesondere im Zusammenhang mit Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit wird der Begriff “biologisches Geschlecht” aber missbräuchlich für “tatsächliches” Geschlecht verwendet. Dabei ist auch Trans- und Intergeschlechtlichkeit biologisch determiniert – und keine Entscheidung.
Außerdem ist das biologische Geschlecht nicht so eindeutig, wie gerne behauptet wird. Es gebe streng biologisch betrachtet nur zwei Geschlechter, heißt es immer wieder. Wenn wir uns rein auf die Fortpflanzung konzentrieren, mag das sogar noch stimmen. Doch die Realität ist ein biiiisschen komplexer, wie die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt:
https://youtu.be/8fraZlsmCio?si=33O5HMlaJgOMXsw4 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Es wäre viel präziser statt vom biologischen Geschlecht von biologischer Geschlechtsausprägung zu sprechen. Denn dazu gehören mehrere Faktoren. Darunter: die Chromosomen, der Hormonstatus, primäre Geschlechtsmerkmale wie Vulva, Klitoris, Uterus, Penis, Hoden usw., sowie sekundäre Geschlechtsmerkmale wie z.B. Bartwuchs oder Brustentwicklung. Keines dieser Merkmale bestimmt für sich genommen das Geschlecht. Und sie stimmen auch nicht immer überein. Zum Beispiel können Menschen mit einem XX-Chromosomensatz männlich gelesene Genitalien haben.
Ergo ist Geschlecht keine binäre oder eindeutig festlegbare Größe – sondern ein Spektrum.
Ich glaube, dass die Biologie dabei helfen kann zu verstehen, dass Varianz der Normalzustand ist und nicht Binarität. (Katja Husen im Lila Podcast)
▶️ 💜 Zum Thema Transidentität und zur Frage, wie viele Geschlechter es gibt, haben Lena und ich 2022 eine Episode gemacht. Darin haben wir mit trans- und wissenschaftsfeindlichen Narrativen aufgeräumt. Ich finde, auch drei Jahre später ist die Episode noch hörenswert und aktuell: Trans sein und Feminismus: Hintergrund und Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz – mit Tessa Ganserer, Katja Husen, Hagen Löwenberg und Leah Oswald (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
📚💜 Das Problem hinter dit Janze hat übrigens einen Namen: Biologismus. Dem widmen Katrin, Lena und ich in unserem Buch “Resist! Weich bleiben in harten Zeiten” ein ganzes Kapitel. Das Buch erscheint am 9.9.25. im Leykam Verlag. Und ihr könnt es bereits vorbestellen! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Und damit nochmal zu You-Know-Who …
Trennung von Werk und Autorin: Warum das nicht so einfach ist
Roland Barthes postulierte einst den Tod des Autors (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Die Idee: Sobald ein literarisches Werk veröffentlicht ist, gehört es nicht mehr allein den Schöpfer*innen, sondern auch den Leser*innen. Das Problem: Die Autorin von Harry Potter ist nicht tot. Sie postet. Und zwar viel – und transfeindlich. Und während die emotionale Trennung von Werk und Autor*in vielleicht noch gelingen mag, geht das wirtschaftlich nicht. You-Know-Who verdient an jedem Stream und jedem Merch-Artikel mit. Und: Sie nutzt ihr Geld aktiv gegen trans Menschen, wie das aktuelle Beispiel zeigt.
Dass sich das Oberste Gericht in London mit dem Gesetz von 2010 beschäftigt hat, geht auf eine Kampagne der Gruppe “For Women Scotland” zurück. She who must not be named hat die Kampagne Berichten zu Folge (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) mit mehreren zehntausend Pfund unterstützt. Das Ergebnis sollte uns alle fassungslos und wütend machen: Wer trans Frauen in Großbritannien in Zukunft den Zugang zu Frauenhäusern erschweren will, wer sie von Frauenquoten in Unternehmen ausschließen will, der hat jetzt die rechtliche Grundlage für diese Diskriminierung. You-Know-Who hingegen feierte das Urteil mit Drink und Zigarre (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Auf einer Yacht. In den Bahamas. Sie postete: “I love it when a plan comes together.” Offenbar eine Anspielung auf “Hannibal” aus der Serie The A-Team.
Daher an dieser Stelle der Reminder: Ein Angriff auf die Rechte mancher Frauen ist ein Angriff auf die Rechte aller Frauen. Es sind nicht trans Frauen, vor denen cis Frauen Angst haben müssen, durch die sie benachteiligt werden und Gewalt erleben. Es sind cis Männer.
Und wer übrigens bei der “Debatte” mal wieder unsichtbar bleibt, sind trans Männer. Die Fixierung auf trans Frauen entlarvt zusätzlich, wie stark Geschlechterstereotype und patriarchale Strukturen weiterhin unsere Wahrnehmung von Geschlecht beeinflussen.
Der aktuelle Vorfall ist bekanntermaßen nicht der erste seiner Art. Für die Backstory empfehle ich das Video von ContraPoints zum Thema:
https://www.youtube.com/watch?v=7gDKbT_l2us (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Auch beim RND (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) lässt sich die Entwicklung von You-Know-Who nachlesen. Und die Moral von der Geschicht? Stammt von Bluesky-Nutzer*in Jess Zimmerman:
https://bsky.app/profile/jesszimmerman.com/post/3lmzc5q675c2h (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)And now to something completly different …
Verlosung: 2×2 Kinotickets für “Balconettes”
Marseille, an einem brütend heißen Sommertag. Wir begleiten die Freundinnen Nicole, Ruby und Elise, die von ihrem Balkon aus das Viertel überschauen. Doch als ein Verbrechen geschieht, müssen die drei gemeinsam mit den Konsequenzen umgehen, um Gerechtigkeit herzustellen.

„Balconettes“ ist blutig, düster, aber oft auch komisch, voll von französischem Humor. Es geht um den Umgang mit sexualisierter Gewalt, um Rache, Konsequenzen für Täter, um Freundinnenschaft und Solidarität. Die feministische Horrorkomödie startet am 8. Mai in den Kinos. Wenn ihr dabei sein wollt, schreibt eine Mail mit dem Betreff „Balconettes“ an gewinnen@lila-podcast.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
https://youtu.be/Y7D4NSyWxPo?si=K7CQc7IsJdkHjIVS (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)💜💜💜
Bis bald!
Laura
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https://lila-podcast.de/unterstuetzen/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Foto: engin akyurt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) auf Unsplash (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)