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Noltes Notizen | 18. November 2022

Liebe Klup-Freund:innen,

auch für sogenannte Oberhirten gibt es noch ein "Ganz-oben". Der Weg hoch in die Gemächer des Apostolischen Palastes im Vatikan lässt nirgendwo einen Zweifel daran. Schon wer durch das Bronzeportal (für Kenner:innen: am rechten Ende der Kollonaden des Petersplatzes) an den Schweizer Gardisten vorbei hineingeht, merkt es schnell: Unmittelbar danach geht es nach oben, über eine langen Treppe, dann noch eine und noch eine ... In jedem der Stockwerke folgen lange, nahezu unbelebte Gänge mit spektakulären Fresken, aber keinem sonderlich spannenden Blick nach außen - wenn überhaupt. Benvenuto im Zentrum der Macht.

Die deutschen Bischöfe beim Aufstieg im Apostolischen Palast des Vatikans zur Audienz von Papst Franziskus. (Foto: Deutsche Bischofskonferenz/Daniela Elpers)

So erging es auch unseren deutschen Bischöfen, die heute ihren Ad-Limina-Besuch in Rom, im Vatikan, beim Papst und bei der Kurie abgeschlossen haben. Eigentlich sollte heute, zur Krönung, eine Premiere in Form eines "interdikasterialen Gesprächs" mit Franziskus und den Leitern der wichtigsten Vatikan-"Ministerien" stattfinden. Doch nach der protokollarischen päpstlichen Audienz gestern blieb es heute bei einer Konferenz ohne Seine Heiligkeit.

Das muss irritieren. Wie so einiges andere auch. Franziskus mag bescheiden im vatikanischen Gästehaus Santa Marta wohnen (wo er übrigens wie alle anderen Gäste im gemeinsamen Speisesaal isst), sodass sein Nachfolger schon durch seine Entscheidung, ob er dort wohnen bleibt oder wieder ins päpstliche Apartamento im Palast ziehen wird, eine politische Richtung anzeigen wird; aber auch Franziskus nutzt die prächtigen Audienzräume dort zu bestimmten Gelegenheiten - und er wird um deren Wirkung auf die Gäste sehr wohl wissen. Dort jedenfalls hat er gestern auch die Deutsche Bischofskonferenz empfangen, und um dorthin zu gelangen, mussten die deutschen Oberhirten nach "ganz oben" klettern. Damit das klar ist.

Es irritiert auch, dass Franziskus an dem heutigen Gespräch nicht teilnahm. Endet Synodalität in der Praktisch unterhalb des Papstes? Ist er doch gar nicht so dialogisch orientiert? Scheut er doch die freie Auseinandersetzung, den Austausch von Argumenten, Erfahrungen, Überzeugungen? Ist er doch weitaus päpstlicher als "Franziskus" eigentlich vorgab, wenn er immer wieder betont, er lasse sich nicht unter Druck setzen - etwa in der Entscheidung über das von ihm selbst eingeorderte Rücktrittsgesuch Kardinal Woelkis? Wenn er, wie es heißt, zu "Personal-Gesprächen" grundsätzlich keinen weiteren als den betreffenden Bischof empfängt? Es scheint so.

Natürlich geht es auch in der Rom-Visite der Bischofskonferenz um weit mehr als Äußerlichkeiten und Inszenierung. Dieser Ad-Limina-Besuch zeigt überdeutlich: Wir können hier in Deutschland noch sehr erste zarte Schritte zu mehr Synodalität, zu mehr Nahbarkeit der Bischöfe durch Diskussionen wie beim Synodalen Weg, zu mehr Volk-Gottes-Wirklichkeit im gemeinsamen Ringen um Aufbruch in eine zeitgemäße Kirche tun - über die großen, viele engagierte Gläubige bewegenden Themen können auch unsere Bischöfe nur in Rom anfragen, vortragen, anregen, vorschlagen. Auch mit Papst Franziskus scheint offenbar nicht viel mehr möglich gewesen. 

Deutsche Bischofskonferenz unter den vatikanischen Dikasterien-Chefs Marc Ouellet (für die Bischöfe, links) und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin). Foto: Vatican Media (Imago)

Heute soll es dafür ganze vier Stunden im Gespräch unter Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie den Leitern der Dikasterien für die Glaubenslehre, Kardinal Luis Ladaria, und für die Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet, gegeben haben. Über Inhalte dieses durchaus in opulentem Zeitrahmen, dafür im reichlich nüchternen Hörsaal der Augustiner-Hochschule nahe dem Vatikan ausgerichteten Gesprächs wurde nichts bekannt. Natürlich nicht. Die eminenten und exzellenten Oberhirten sprechen unter sich. Römische Synodalität ist ganz offensichtlich etwas völlig anderes als der Synodale Weg in Deutschland. Willkommen in der Wirklichkeit des Vatikans. 

Im Vatikan sind unsere knapp 70 deutschen Bischöfe einige wenige, ist unsere Deutsche Bischofskonferenz eben eine von vielen, die im Lauf des Jahres zu ihrem Pflichtbesuch anreisen. Klar, von Rom aus schaut man in den letzten Wochen, Monaten und Jahren besonders genau nach "Germania" und auf den Synodalen Weg, und - wie zu hören ist - haben unsere deutschen Bischöfe im Vatikan recht deutlich benannt, worum es dabei geht, was auf dem Spiel steht und warum Reformforderungen nicht gleich eine zweite Reformation im Sinn einer "Protestantisierung" bedeuten (ein gähnen machendes, uraltes und mit erschreckend borniertem Unwissen gepflegtes Klischee italienischer Kirchenleute gegenüber der katholischen Kirche und der katholischen Theologie in Deutschland).

Letztlich aber zeigen all diese Bilder von Oberhirten, die "ganz oben" eher wie Unterhirten wirken sollen/müssen eines einmal mehr ganz deutlich: Es liegt auch beim als Reformer angetretenten Franziskus allein in der Hand des Papstes, ob sich die Kirche (in Deutschland) den Zeichen der Zeit öffnet, um auch weiter Kirche Gottes und der Menschen zu sein, oder ob sie sich als Kirche der sich selbst erhaltenden Prinzipien, der vermeintlich unveränderlichen Tradition und des letztlich doch selbstherrlichen Machtsystems erhalten will. 

Ich ahne, dass das nicht wenige unserer deutschen Bischöfe innerlich zerreißt. Denn weil es das System so will, liegt es an ihnen allein, ob Papst und Kurie mit intellektueller Redlichkeit, pastoraler Empathie und in Verantwortung für das Volk Gottes hierzulande Mut und Vertrauen genug aufbringen, dass es hier weitergehen kann.

(Foto: Michael Bönte)

Da will es wie ein Zeichen wirken, dass die Starseite von "Kirche-und-Leben.de"   (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)heute gleich dreimal Missbrauch durch Geistliche thematisieren muss:

Damit ist zumindest durch die aktuelle Nachrichtenlage des Tages auf unserer Homepage sehr klar - und natürlich nicht so geplant -, was der eigentliche Impuls für die Reformforderungen ist, die der Synodale Weg beschlossen hat: die wissenschaftlich erwiesenen systemischen Ursachen für den Missbrauchsskandal durch katholische Geistliche. Dazu gehören Klerikalismus und männerbündische Vertuschung, dazu gehören eine verquaste Sexualmoral und psychosexuelle Unreife von Priestern, dazu gehört eine Überhöhung des Priesterstandes und Machtmissbrauch geistlicher Autorität auf allen Ebenen. 

Die Bilder, die wenige Information von innen nach außen und das  transportierte "Setting" des Ad-Limina-Besuchs lassen irritiert, bestenfalls gespannt zurück, mit welchen Ergebnissen unsere Bischöfe nach Deutschland kommen - und was und wie viel sie darüber erzählen. Nach einem römischen "Avanti! Corraggio!" - so viel Ehrlichkeit muss sein - sieht es wahrlich nicht aus. Schon bald wird sich zeigen, wohin die Reise geht: In wenigen Tagen will der Ständige Rat, also alle Diözesanbischöfe in Deutschland, über die geforderte und angekündigte Reform des kirchlichen Arbeitsrechts entscheiden. 

Euch einen schönen, gesegneten Christkönigssonntag!

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)